Hagen/Menden. Aidshilfen stehen vor finanziellen Engpässen: Kürzungen gefährden Testangebote und Aufklärungsarbeit. Jetzt gehen sie auf die Straße.
Der Landeshaushalt für das Jahr 2025 sieht eine Kürzung von mehr als 1,5 Millionen Euro im Bereich der Aidshilfen vor. „Wir sind total schockiert!“, sagt Andrea Peuler-Kampe. Sie ist Frauenbeauftragte bei der Aidshilfe im Märkischen Kreis. Es gehe um nichts weniger als die Existenz der niedrigschwelligen Angebote der Aidshilfen in NRW.
Die Aidshilfen im ganzen Bundesgebiet sind Ansprechpartner in Sachen sexuell übertragener Infektionen und derer Prävention. Zum Portfolio gehören aber auch Selbsthilfegruppen und die Arbeit mit queeren Jugendgruppen sowie die Aufklärungsarbeit an Schulen und in der Öffentlichkeit.
Kürzung bedeutet Halbierung des Etats
„Für uns bedeutet das eine Kürzung in Höhe um 30.000 bis 40.000 Euro pro Jahr – von derzeit 76.000 Euro, die wir vom Land erhalten“, erklärt Andreas Rau, Leiter der Aidshilfe Hagen, im Gespräch mit dieser Zeitung. Neben der Finanzierung durch das Land erhalte die Aidshilfe zudem Zuwendungen vom LWL, sowie Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Erlöse aus Vermietungen der Räumlichkeiten an der Körnerstraße.
Doch das reiche ihm zufolge bei der geplanten Kürzung nicht mehr aus, um die Testangebote aufrechtzuerhalten, Löhne für die wenigen Angestellten und die Räumlichkeiten zu bezahlen. Alleine in Hagen hätte ein Wegfall von Angeboten der Aidshilfe Auswirkungen auf 600 bis 800 Menschen. „Zählt man die Aufklärungsarbeit an den Schulen hinzu, sind locker 2000 bis 3000 Menschen in Hagen davon betroffen“, ergänzt Rau.
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Bei der Aidshilfe im Märkischen Kreis sind nur Ehrenamtliche aktiv, erklärt Peuler-Kampe. Sie erklärt, dass die Kürzung bei Hauptamtlichen den Wegfall einer ganzen Stelle bedeute. Sie ist zudem im LSVD, dem Lesben und Schwulenverband aktiv, welcher sich ebenfalls bei der Demonstration in Düsseldorf am 13. November solidarisch zeigen werde, so Peuler-Kampe. Vereinskollege Andreas Reiser erklärt, dass man sich mit den Ehrenamtlichen der Aidshilfe im Märkischen Kreis auf die Präventionsarbeit spezialisiert habe.
Schülerinnen und Schüler kennen sich mit Safer Sex nicht aus
So gehe man verstärkt in die Schulen und treibe dort Aufklärungsarbeit bei den Jugendlichen in den Klassen neun und zehn. „Wir sind baff, wie wenig Ahnung die Jugendlichen hinsichtlich sexuell übertragbarer Krankheiten haben“, so Reiser. Man merke an den Rückfragen der Schülerinnen und Schüler, dass diese sich wenig mit dem Thema beschäftigten. Er erklärt, dass dieses Angebot der Aidshilfen bei einer Kürzung der Zuwendungen aus dem Landeshaushalt nicht mehr zu finanzieren sei.
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Ohne Aufklärung würden die Kosten das Gesundheitssystem auf lange Sicht belasten. „Es ist von der Politik zu kurzsichtig und unvernünftig. Ich halte unsere Arbeit für sinnvoll, doch die Politik scheint den Eindruck zu haben, dass eine Finanzierung aufgrund von zurückgehenden Infektionszahlen nicht mehr notwendig ist“, so Reiser. Ihm zufolge sei genau das Gegenteil der Fall. Seit den Achtzigerjahren betreiben die Aidshilfen in Deutschland Reiser zufolge eine „erfolgreiche und wichtige Funktion“ in der Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen.
Streiks am 12. November
Am 12. November haben die Aidshilfen in NRW nun die Arbeit niedergelegt. Man war online sowie offline nicht erreichbar während des Streiks, teilt die Aidshilfe Hagen mit. In Hagen heißt das konkret: Die Webseite wurde vom Netz genommen, den Telefonen der Stecker gezogen. „Zudem werden wir die Tür verriegeln und mit Absperrband deutlich machen, dass wir nicht da sind“, erklärt Andreas Rau im Vorfeld gegenüber dieser Redaktion. Eine Petition zur Erhaltung der Finanzierung der Aidshilfen hat am Freitagmittag bereits 15.173 Unterschriften.
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Gesundheitsministerium: Kein besorgniserregender Trend von steigenden HIV-Infektionen
Vonseiten des Gesundheitsministeriums teilt Sprecher Tim Bieler auf Anfrage dieser Redaktion mit, dass es „keine leichte, aber eine notwendige Entscheidung ist, dass an verschiedenen Stellen Kürzungen vorgenommen werden, auch bei den Aidshilfen“. Man sei aber stolz auf die in NRW gut ausgestattete und differenzierte Struktur zur Prävention und Beratung von HIV sowie anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen. Dies bleibe auch trotz der Kürzungen ein wichtiges Anliegen der Landesregierung.
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Es sei aber auch an der Zeit, vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltslage „die seit 20 Jahren unverändert bestehenden Strukturen zu hinterfragen und auf die aktuellen Bedarfe anzupassen“, so Bieler weiter. Denn: „Derzeit ist in Nordrhein-Westfalen kein besorgniserregender Trend von steigenden HIV-Neuinfektionen zu verzeichnen. Mit geschätzten 440 Neuinfektionen im Jahr 2023 nähert sich das Geschehen lediglich langsam dem Vorpandemie-Niveau an.“ Man stehe mit den Akteuren im Austausch, „um zu diskutieren, wie diese wichtige Arbeit in den Folgejahren trotz weniger Mittel zukunftsfest aufgestellt werden kann“.