Hagen/Lüdenscheid. Plötzlich scheint der Verkehr vor der Abfahrt Lüdenscheid-Nord besser zu fließen. Das sagen Anwohner, Google und die Autobahn GmbH.
Nichts ist so beständig wie der Stau vor der Autobahnabfahrt Lüdenscheid-Nord auf der Sauerlandlinie. Und die von Minute zu Minute und Meter zu Meter länger werdenden Gesichter in den Fahrzeugen. In diesen Tagen hellen sich die Mienen plötzlich auf. Der Verkehr rollt und rollt und rollt.
Und auch die fröhlichen Radio-Moderatoren müssen derzeit nicht den 30-Minuten-Stau auf der A45 vor Lüdenscheid herunterleiern, wie sie es seit bald drei Jahren wegen der Sperrung der Rahmedetalbrücke nicht anders kennen. Was ist passiert? Und vor allem: Hat der Navigationsdienst Google Maps etwas damit zu tun, dass der Verkehr vor der Ausfahrt Lüdenscheid-Nord seit einigen Wochen nicht mehr so zähfließend ist? Grund genug für einen Selbsttest.
Selbstversuch führt zur Phänomenta
Die Versuchsanordnung: Zwei WP-Reporter und zwei Autos, der eine (Joshua Kipper) lässt seinen Pkw im morgendlichen Berufsverkehr durch Google Maps leiten, der andere (Rolf Hansmann) nutzt das in seinem Wagen eingebaute Navi des Branchenriesen „TomTom“. Vorgabe: Alle Verkehrsvorschriften werden peinlich genau eingehalten. Startpunkt: Hagen Innenstadt. Ziel: der Parkplatz an dem naturwissenschaftlichen Erlebnismuseum Phänomenta in Lüdenscheid – der richtige Ort für ein Feld-Experiment. Kleine Einschränkung: Es handelt sich um einen Ferientag, naturgemäß nicht die verkehrsreichste Zeit im Jahr.
Nach drei Kilometern trennen sich die Wege. Google Maps führt Joshua Kipper geradeaus ins Volmetal (Bundesstraße 54) weiter, die nahe A45-Auffahrt Hagen-Süd, auf die Rolf Hansmann in Kürze geleitet wird, bietet der Dienst nicht als Alternativroute an. An dieser Stelle wird die Arbeitshypothese bestätigt, gespeist durch Beobachtungen von Autobahnnutzern in den vergangenen Wochen: Google Maps leitet derzeit A45-Reisende in Richtung Frankfurt bereits an der Ausfahrt Hagen-Süd von der Autobahn und führt sie über Land- und Bundesstraßen an der Auffahrt Lüdenscheid-Süd wieder auf die Sauerlandlinie.
Maps-Route langsamer als über die Autobahn
Um 7.13 Uhr geht es am Pressehaus in Hagen für die beiden Reporter los. Ausgestattet mit GPS-Trackern, zeichnen sie die gefahrene Route auf. Die Distanz ist in etwa ähnlich, beide fahren rund 25 Kilometer. Der Unterschied offenbart sich beim Blick auf die Stoppuhr: Volontär Joshua Kipper kommt gut eine Viertelstunde nach Redakteur Rolf Hansmann an der Phänomenta an.
Möglicherweise lag es daran, dass auf der Strecke durch das Volmetal in Rummenohl die Bahnstrecke zu queren war. Natürlich kamen zwei Züge, einer in Richtung Dortmund, der andere in Richtung Lüdenscheid, parallel im Bahnhof an, was einen Stau bis in die Priorei zur Folge hatte. Zeitverlust für den Kollegen Kipper: sieben Minuten. Ansonsten war das Verkehrsaufkommen im Volmetal überraschend gering. Vermutlich liegt die Ursache in den Herbstferien.
Verkehr im Volmetal seit Jahren belastend
„Ich kann kaum ausparken!“
Claudia Raderschatt betreibt eine Naturheilpraxis an der Dahler Straße im Hagener Stadtteil Dahl. Seit die Brücke gesperrt ist, „ist der Verkehr so hoch, dass ich schon Probleme habe, an der Praxis auszuparken“, sagt sie. Dass bedingt durch die Routenführung von Google Maps das Verkehrsaufkommen vor ihrer Praxis zugenommen hat, konnte sie aber nicht bestätigen.
Noch einmal richtig Gas zu geben auf der A45, bevor es im Kriechtempo durch Lüdenscheid geht? Pustekuchen! Zwischen Hagen und Lüdenscheid sind maximal 120 km/h erlaubt, zwei Baustellen drosseln weiter das Tempo, bevor zwei Kilometer vor der Abfahrt das runde Verkehrsschild mit der Aufschrift 60 erscheint. Ab hier geht es so munter voran wie selten, der Verzögerungshinweis „plus 3 Minuten“ ist längst erloschen. Lediglich an der Kreuzung auf die Durchgangsstraße (Heedfelderstraße) stockt es für einen kurzen Moment. Trotzdem: freie Fahrt nach Lüdenscheid an diesem Herbst-Morgen.
Baustelle möglicherweise verantwortlich
Eine gute Nachricht, oder? Thomas Körnich will jetzt nicht der Spielverderber sein, aber auch nicht in eine allgemeine Euphorie umschwenken. Er engagiert sich in der „Bürgerinitiative A45 Lüdenscheid“ – ein Zusammenschluss leidgeprüfter Einwohner, die seit der Brückensperrung alles andere als unbegründet ihre Stadt nahe dem Verkehrskollaps sehen. „Ja, mich hat Google Maps auch schon an der Ausfahrt Hagen-Süd von der A45 geholt und über das Volmetal nach Lüdenscheid geführt.“ Aber: „Nach unseren Beobachtungen hat sich das Verkehrsaufkommen an der Ausfahrt Lüdenscheid-Nord nicht entscheidend verändert. Wenn Google Maps über Hagen-Süd leitet, verlagert sich der Verkehr nur ein wenig. Die Situation bleibt verzwickt.“
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Nach wie vor, klagt Thomas Körnich, sei der Lkw-Verkehr das Grundproblem. Um Entlastung zu schaffen, hatte die Stadt Lüdenscheid im Juni 2023 ein Lkw-Durchfahrtsverbot für den reinen Transitverkehr eingeführt. „Doch was nützt ein Verbot, wenn es nicht ausreichend kontrolliert wird? Es fahren nach wie vor zu viele Lkw durch Lüdenscheid.“
Was sagt die Statistik? Die zuständige Autobahn GmbH-Niederlassung Westfalen verweist auf eine Verkehrszählung im vergangenen Monat. Demnach nutzen in 24 Stunden weniger Lkw die Anschlussstelle Lüdenscheid-Nord als noch vor einem Jahr: 1689 waren es im September 2023, 1577 im September 2024. Die Zahl der Fahrzeuge insgesamt (Pkw und Lkw) dagegen stieg im Jahresvergleich um fünf Prozent: von 9.445 (September 2023) auf 9923 (September 2024). Auffällig ist, so Sprecherin Susanne Schlenga, „dass an Sonntagen der Verkehr insgesamt um 20 Prozent zurückgegangen ist“.
Google lässt sich nicht in die Karten gucken
Zurück zu Google Maps und seine derzeit offenbar bevorzugte Praxis, Verkehrsteilnehmer auf der A45 in Richtung Frankfurt an der Anschlussstelle Hagen-Süd von der Autobahn zu führen. „Vor Wochen“, sagt Thomas Körnich von der Bürgerinitiative, „wurde die Fahrbahn an der Ausfahrt Lüdenscheid-Süd saniert, was noch längere Staus verursachte. Vielleicht schlägt diese alte Geschichte noch bei Google Maps durch.“
Nachfrage in der Google-Deutschland-Pressestelle: Auf Einzelfälle könne nicht eingegangen werden, heißt es von dort. Allgemein, sagt ein Sprecher: „Informationen in Google Maps wie Ortschaften, Straßennamen, Grenzen, Verkehrsdaten und Straßennetzwerke stammen von einer Kombination aus Drittanbietern, öffentlichen Quellen und Inputs von Nutzerinnen und Nutzern.“ Das Kartenmaterial würde regelmäßig aktualisiert, „allerdings variiert hier der Zeitaufwand“. User seien dazu eingeladen, „mithilfe unseres Melde-Tools Fehler oder fehlende Einträge zu melden, öffentlichen Stellen und Institutionen steht das ‚Geo Data Upload Tool‘ zur Verfügung.“ Dadurch könne der reguläre Update-Prozess unter Umständen beschleunigt werden.
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