Hagen/Meschede. Die Sauerländer Brauerei vermeldet einen Umsatz-Rekord - und Michael Huber seinen Abschied. Zu diesem Zeitpunkt geht der Veltins-Chef.

Er habe sich schon eine Harley bestellt. Für die Zeit danach, für Motorrad-Ausfahrten nach seinem Abschied von der Veltins-Brauerei. Seinen Rückzug hat Michael Huber nun mit konkretem Zeitpunkt angekündigt. Die Nachricht fällt in ein Jahr, das gerade erst begonnen hat und das für die Sauerländer Traditionsbrauerei ohnehin speziell ist.

Am Hauptsitz in Meschede-Grevenstein feiern sie derzeit das 200. Jahr des Brauerei-Bestehens. Fast drei Jahrzehnte dieser langen Geschichte hat Michael Huber begleitet, mehr noch, er hat sie federführend mitgestaltet. Seit 1995 ist der 74-Jährige Veltins-Generalbevollmächtigter. Am Donnerstag sagte er im Gespräch mit der WESTFALENPOST: „Ich scheide zum Jahresende aus, so ist es geplant. Nach dann 29 Jahren bei Veltins und im Alter von 75 Jahren ist der Zeitpunkt gekommen. Meine Aufgabe hier ist gelöst, es wird dann Zeit, den Wechsel zu vollziehen.“

Eine Sauerländer Erfolgsgeschichte

Als er einst anfing, da lag der Umsatz der Sauerländer Brauerei laut Unternehmensangaben bei 364 Millionen D-Mark, der Ausstoß bei 2,27 Millionen Hektoliter (hl), die Zahl der Mitarbeiter bei 409. Über die Jahrzehnte ist das Unternehmen in neue Dimensionen vorgestoßen.

Wie Veltins am Donnerstag im Rahmen der Bilanzpressekonferenz mitteilte, erlebte die Brauerei 2023 einerseits das umsatzstärkste Geschäftsjahr der Unternehmensgeschichte mit einem Plus von 5,3 Prozent auf 441 Millionen Euro. Der Ausstoß gab allerdings um 2,9 Prozent auf 3,26 Millionen Hektoliter nach - doch im Vergleich zu 1995 ist das fast genau eine Million Hektoliter mehr. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs unter Hubers Führung um gut 300 auf nun 721.

Warsteiner vermeldet leichte Steigerung

Die Haus-Cramer-Gruppe um die Warsteiner Brauerei hat ihren Bierabsatz in Deutschland gegen den schrumpfenden Markttrend leicht gesteigert. Im vergangenen Jahr sei ein Inlandswachstum von mehr als einem Prozent erzielt worden, während der deutsche Biermarkt um etwa vier Prozent geschrumpft sei, sagte eine Sprecherin am Donnerstag. Die Stammmarke Warsteiner gewinne Marktanteile hinzu.

Das Auslandsgeschäft wuchs den Angaben zufolge um 11,7 Prozent. Der Gesamtabsatz der Cramer-Gruppe stieg um 2,1 Prozent auf 3,6 Prozent Millionen Hektoliter. Zu Umsatz und Gewinn äußert sich das Familienunternehmen traditionell nicht.

Krombacher hatte vor einer Woche mitgeteilt, den Absatz nahezu stabil gehalten und so Marktanteile hinzugewonnen zu haben. Das Familienunternehmen aus dem Siegerland verkaufte 2023 gut 6 Millionen Hektoliter Bier. Das sind 0,4 Prozent weniger als 2022. Der Marktanteil von Krombacher sei bei der am meisten konsumierten Biersorte Pils im nationalen Handel auf den Rekordwert von mehr als 11 Prozent gestiegen.

Der Umsatz der Krombacher Gruppe - der Anteil der alkoholfreien Getränke innerhalb der Gruppe beträgt rund 40 Prozent - stieg um 6,6 Prozent auf gut 951 Millionen Euro. Der Gesamtausstoß lag bei 7,628 Mio. hl (-0,1 Prozent). dpa/rei

Er - der seine Gesellschafteranteile beim Arnsberger Lichtspezialisten Trilux im Übrigen behalten will - übergebe bei Veltins ein bestelltes Feld. Die Brauerei befinde sich „auf aktuellem Stand. Das Unternehmen ist sehr stabil aufgestellt, wir haben in den vergangenen Jahren alle Weichen richtig gestellt, haben Investitionen umgesetzt“, sagte Huber und betonte: „Vor allem haben wir ein Mitarbeiterteam, das über eine unglaublich lange Expertise verfügt. Das hat uns auch die Stärke der vergangenen Jahre gegeben.“

Nach Unternehmensangaben vereint die Veltins-Geschäftsführung die Erfahrung von insgesamt 77 Berufsjahren in der Brauwirtschaft, zu nennen wäre etwa Hubers rechte Hand und „Kronprinz“ Dr. Volker Kuhl. Der Geschäftsführer Marketing/Vertrieb ist ebenfalls seit 1995 im Unternehmen. Seit eineinhalb Jahren wird zudem Fabian Veltins (33) eingearbeitet. „Es ist ein langer Prozess, wir wollen ihn so umfangreich wie möglich ausbilden“, sagte Huber über den Neffen von Firmeninhaberin Susanne Veltins (63).

Huber attackiert die Ampel

Die Entwicklung ist eine Erfolgsgeschichte, daran ändert auch der jüngste Absatzrückgang nichts, den Veltins vor allem auf den schwächelnden Bierabsatz im Handel (Flaschen -4,8 Prozent, Dosen -7,5 Prozent) zurückführt.

Huber zeigte sich aufgrund der Umstände mit dem Geschäftsjahr 2023 „sehr zufrieden“. Die Gründe für das Minus beim Austoß - das etwas weniger deutlich ausfiel als der Trend im nationalen Biermarkt (-4,2 Prozent von Januar bis November 2023, Quelle: Deutscher Brauer-Bund) - sieht er insbesondere in den schwierigen Rahmenbedingungen: Krieg, Inflation, Energiekrise und daraus resultierende Verunsicherung sowie Konsumzurückhaltung bei den Verbrauchern. Nicht zuletzt machte er für die Schwierigkeiten aber auch das Auftreten der Bundesregierung in Berlin verantwortlich, die zur Verunsicherung beitrage und die Huber wie schon im Sommer bei der Präsentation der Halbjahreszahlen attackierte.

„Wir hätten gerne weniger politische Störmanöver gehabt und dafür mehr Gelassenheit an der Verbraucherfront“, sagte der Brauereichef, welcher der Ampel attestierte, „allzu oft in Erklärungsnot“ zu sein. „Herumeiern“, sagte Huber, „hilft keinem“, schon gar nicht einem „emotionalen Produkt wie Bier“. Das Biergeschäft „braucht Berechenbarkeit“, betonte Huber, der passend dazu versprach, dass Veltins in diesem Jahr „keine Preiserhöhung“ vornehmen werde.

Während das Fassbiergeschäft Veltins im Geschäftsjahr 2023 Freude bereitete, schwächelte der Bierflaschen-Ausstoß.
Während das Fassbiergeschäft Veltins im Geschäftsjahr 2023 Freude bereitete, schwächelte der Bierflaschen-Ausstoß. © dpa | Rainer Jensen

Nervosität in der Brauwirtschaft

Das emotionale Produkt Bier - nicht nur Veltins - hat es allerdings in Deutschland schwer, nicht erst seit Amtsübernahme des rot-grün-gelben Bündnisses in Berlin. Es wird weniger Alkohol getrunken, der demografische Wandel hinterlässt Spuren, das Ausgeh-Verhalten ändert sich, Gastronomiebetriebe geben teils auf.

Nach Schätzungen der Grevensteiner habe die gesamte Brauwirtschaft in nur zwölf Monaten 3,5 Mio. hl Marktvolumen verloren – so viel wie in keinem anderen Jahr zuvor. Anlass zur Sorge gebe die „Rasanz der Marktverluste“: Während innerhalb eines Jahrzehnts von 2007 bis 2017 allein 10 Mio. hl Volumenverlust zu verschmerzen gewesen seien, sei seitdem in nur sechs Jahren die gleiche Menge verlorengegangen. „Überall ist spürbar, dass die Nervosität wächst“, sagte Huber.

Überall ist spürbar, dass die Nervosität wächst.
Michael Huber, Veltins-Generalbevollmächtigter

Hinzu kämen Kostensteigerungen - und die Notwendigkeit, den energieintensiven Braubetrieb in eine klimaneutrale Zukunft zu überführen. Die gesamte Brauwirtschaft sieht Veltins „vor den größten Investitionen des laufenden Jahrzehnts“. Huber kündigte am Donnerstag eine Investition von 90 Millionen Euro für die Umstellung auf regenerative Energien bis 2030 bei Veltins an. Das solle fünf bis acht Prozent Energie dauerhaft und damit Millionen Euro einsparen. Der größte Energiebedarf entstehe üblicherweise in den Sudhäusern, hier habe Veltins dank neuer Technologie schon fast 20 Prozent Energie eingespart. Ohnehin hatte Veltins bereits angekündigt, bis zum Ende des Jubiläumsjahres 420 Millionen Euro am Standort Grevenstein in die Modernisierung zu investieren. Bei diesem Vorhaben bewege man sich „auf der Ziellinie“, vermeldete Huber, der seine Brauerei für die Zukunft gewappnet sieht. Veltins sei schuldenfrei und verfüge über eine Eigenkapitalquote von 78 Prozent.

Die Herausforderungen können große Brauereien wie Veltins oder Krombacher und Warsteiner, das am Donnerstag ebenfalls Bilanzahlen vermeldete (siehe Infobox), wahrscheinlich besser stemmen. Für viele kleinere, regionale Brauereien jedoch sehen Huber und Veltins existenzbedrohende Zeiten. „Wer keine Finanzkraft besitzt, hat leider keine Zukunft“, heißt es in Grevenstein.