Hohenlimburg. Die Firma „C.M. Pieper“ aus Hohenlimburg wird in 6. Familiengeneration geführt. Ein Besuch in den historischen Werkshallen.
Die Hohenlimburger Altstadt glänzt mit historischen Gebäuden und einer reichen Geschichte. Mit Gebäuden, die Geschichten aus vergangenen Zeiten erzählen können - und Gebäuden, die glücklicherweise als Denkmal geschützt sind und so der Nachwelt erhalten bleiben sollen. „Wenn man das als Ensemble betrachtet, ist das traumhaft. Das ist eine der hochspannenden, historischen Inseln unserer Stadt“, erzählt Stadtheimatpfleger Michael Eckhoff begeistert.
Hinter dem ehemaligen Tabakwaren-Pavillon in der Herrenstraße, ein Jugendstil-Fachwerk-Kleinod aus dem Jahre 1906, befinden sich die historischen Backsteingebäude der Hohenlimburger Fabrik „C.M. Pieper & Comp.“, dominant zu sehen auch von der Bushaltestelle an der Bahnstraße.
„Wenn man das als Ensemble betrachtet, ist das traumhaft. Das ist eine der hochspannenden, historischen Inseln unserer Stadt“
Die Firma wurde 1831 von Christian Moritz Pieper gegründet. 1853 wurde das Grundstück an der Herrenstraße erworben und der auch heute noch genutzte, unter Denkmalschutz stehende Fabrikkomplex in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet. Bereits 1845 trat die heutige Besitzerfamilie Hüsecken als Teilhaber in das Unternehmen ein und übernahm die Fabrik um die Jahrhundertwende.
Anfänglicher Verkaufsschlager: Mosquitofenster
Die historischen Fabrikgebäude selbst bestehen aus den ursprünglichen Backsteinhallen im romanisierenden Rundbogenstil mit bauzeitlichen Eisensprossenfenstern. Die Fassaden sind teilweise zur optischen Gliederung mit Lisenen versehen. Diese schmalen und leicht hervortretenden vertikalen Verstärkungen der Wand dienten architektonisch zur Gliederung und Verzierung von an sich glatten Mauerwerksfassaden.
Das Schleiferei- und Versandgebäude aus dem Jahr 1893 ist eine eingeschossige, langgestreckte Sheddachhalle aus rotem Backstein. Neben den Fabrikbauten sind Verwaltungs- und Wohngebäude angegliedert, die teilweise später errichtet wurden. Die Geschichte der industriellen Mechanisierung gestaltet die Firma aktiv mit. Bereits 1891 kam der erste mechanische Webstuhl, der hochwertige Drahtgeflechte ermöglichte.
Die Sommerserie „Schätze am Wegesrand“
In der großen Sommerserie der Hagener Stadtredaktion erzählen wir die Geschichten von außergewöhnlichen Häusern und Landmarken: Viele haben sie vielleicht schon einmal am Wegesrand entdeckt, wissen aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Folgende Teile sind bereits erschienen:
- Bahnhof Hagen-Dahl: Wohnen, wo die Züge rollen
- Pavillon in der Hagener City - das Reisebüro schließt, und dann?
- Blau-Weißes Haus am Tücking: Dort wohnt gar kein Schalke-Fan
- Leben wie im Märchen: Ein Besuch auf dem Waldhof in Hagen-Tiefendorf
- Historisch: Ein Blick in die gelbe Villa in Hohenlimburg
- Das unerreichbare Haus: Es wurde bei der Eingemeindung vergessen
- Liebe auf den ersten Blick - und neues Leben im Haus der Ruhrkohle
- Wie aus Grimms Märchen: Das Haus Ruhreck - und seine Rettung
- Winziges Häuschen am Hasper Straßenrand - welche Geschichte steckt dahinter?
- Wie eine Millionensumme eine Hagener Fabrik rettet
- Ein Besuch in der „Burg“ in Hohenlimburg an der Lenne
- Leben im grünen Paradies - neben dem Backhaus in Wehringhausen
- Große Vergangenheit verschafft Hasper Kindern eine Zukunft
- Fachwerkhaus wird aus Dornröschenschlaf geweckt
- Wie eine Burg: Auf den Spuren der roten Cuno-Siedlung
- Haus am See: So wohnt eine Familie in Hagen in einem Denkmal
- Die Villa mit dem grünen Turm: Nadelstiche zwischen alten Mauern
- Von vielen Stellen aus zu sehen: Der Funkturm auf dem Riegerberg
- Villa am Goldberg: Hier gibt es keine rechteckigen Zimmer
- Die Lust an der Einsamkeit: Familie lebt in Hagen im Forsthaus
- Juwel im Grünen: Die Geschichte einer Dahler Villa
- Eine Tour zu versteckten Ecken im Hagener Hohenhof
- Bordell in Hagen: Eine Peepshow und wie hier alles begann
- Die Insel im Hengsteysee: Der Mäuseturm und seine Geschichte
- Berchumer möchten vergessene Ruine neu beleben
Siebe und Körbe und vor allem farbige bzw. bemalte Drahtgewebe wurden produziert. Ein erfolgreicher Verkaufsschlager der Anfangszeiten waren „Mosquitofenster“, die auch ins Ausland exportiert wurden. Zusätzliche Produkte und Sparten kamen hinzu, ab 1904 wurden Federn produziert und ab 1920 wurde auch eine Zeit lang Draht als Vormaterial selbst gezogen.
In sechster Generation
„Wir machen heute Drahtgewebe aus Draht zwischen 0,125 und 2 Millimetern Drahtstärke, überwiegend Industriedrahtgewebe“, erklärt Anne Hüsecken, geschäftsführende Gesellschafterin in der nun 6. Generation des Familienbetriebes. Die Bandbreite des Einsatzes ist groß und reicht von Filtergeweben z.B. für Wasserhähne, bis hin zu Armierungsgeweben in Förderbändern. Die Federn von der Firma C.M. Pieper werden unter anderem auch für Garagentore verwendet. „Wir haben ganz unterschiedliche Kunden, von Privatkunden, die einfach hier vorbeikommen, bis hin zu Großkunden, die mehrere tausend Quadratmeter Drahtgewebe beziehen“, erläutert die Geschäftsführerin.
Der Großteil der deutschen Drahtindustrie konzentriert sich im Sauerland und Hagen, von einst 260 Betrieben sind nur 30 übriggeblieben. Auch die Anzahl der Drahtwebereien, die den Draht weiterverarbeiten, ist deutlich geschrumpft. Hohenlimburg war im 19. Jahrhundert Zentrum der westdeutschen Drahtweberei, heute ist die Firma C.M. Pieper die einzig verbliebene Drahtweberei in Hohenlimburg.
Flexibilität ist für den Mittelständler aus der Lennestadt wichtig. Ja, sogar überlebenswichtig. „Wir machen auch Einzelaufträge ab 25 Quadratmetern, wir verarbeiten dabei unterschiedlichste Werkstoffe mit verschiedenen Legierungen, es kommt immer darauf an, was der Kunde wünscht. Auch durch unsere Lagerhaltung für die Kunden haben wir den Vorteil, sofort liefern zu können“, erklärt Anne Hüsecken nicht ohne Stolz.
Wer die Drahtweberei ausüben will, muss ein „gutes Gefühl“ für den Draht haben, wie Gabriele Liefermann, die seit über zwei Jahren bei der Hohenlimburger Firma in der Produktion beschäftigt ist: „Mir liegt das einfach, am Anfang musste man sich daran gewöhnen, das Fingerspitzengefühl zu bekommen, aber jetzt macht es einfach Spaß“. 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind am Standort beschäftigt. Der Migrantenanteil aus den unterschiedlichsten Ländern liegt bei über 40 Prozent. Den „Drahtweber“ als Ausbildungsberuf gibt es dabei nicht mehr. Neue Mitarbeiter werden individuell an den Drahtwebmaschinen ausgebildet. „Wer handwerklich geschickt ist, gerne tüftelt und keine eintönige Arbeit haben will, ist bei uns willkommen“, so die Geschäftsführerin.
„Ich bin nach der Promotion in den Familienbetrieb eingestiegen - das hat mir so viel Spaß gemacht.“
Sie selbst ist sozusagen eine „Quereinsteigerin“. Anne Hüsecken ist promovierte Physikerin: „Ich bin nach der Promotion in den Familienbetrieb eingestiegen, das hat mir so viel Spaß gemacht, da habe ich mir gesagt: Hier bleibe ich. Es ist einfach schön, hier zu arbeiten. Wir sind ein kleiner Familienbetrieb und unsere Mitarbeiter gehören mit dazu“. Der Betrieb sei vor allem stolz auf seine historischen Wurzeln, die lange Geschichte - und die Mitarbeiter. Das signalisiert bereits die alte bronzene Gedenktafel direkt am Büroeingang mit den Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Mitarbeiter.