Mülheim. Heinz Rinas, Ex-Chef der Mülheimer Seniorendienste, traf im Strafprozess seinen Controller wieder. Mit dem hatte er noch ein Hühnchen zu rupfen.

Im Strafprozess gegen ihn traf der ehemalige Chef der Mülheimer Seniorendienste (MHSD), Heinz Rinas, nun auf den Mann, der ihm mit dem städtischen Beteiligungs-Controlling seinerzeit auf den Pelz gerückt war, der das Landeskriminalamt mit belastendem Material versorgt hatte – und der nun auf Rinas’ altem Chefsessel sitzt.

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Alexander Keppers war im Sommer 2013, als die Stadt Mülheim MHSD-Geschäftsführer Rinas kurzerhand vor die Tür setzte, gerade einmal knapp älter als 30. In den Gerichtssaal vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Duisburg kam er nun als 40-jähriger Geschäftsführer, der die vormals hoch defizitäre Stadttochter, die unter anderem drei Seniorenheime in der Stadt betreibt, seit vier Jahren ohne Verluste managt.

Rinas: Städtische Beteiligungsholding war selbst gegen öffentliche Ausschreibungen

Entsprechend selbstbewusst trat Keppers bei seiner Zeugenaussage nun im Prozess um Korruption, Untreue und Betrug gegen seinen Vorgänger auf. Einen Aktenordner Beweismittel vor sich auf dem Tisch, überraschte Keppers den Vorsitzenden Richter mit detailreichen Aussagen zur Geschäftstätigkeit seines Vorgängers, so dass das Gericht die Vernehmung um einige Zeit ausdehnen musste.

Strafkammer will sich auf weniger Anklagepunkte fokussieren

Der Vorsitzende Richter der Großen Wirtschaftsstrafkammer kündigte an, dass seine Kammer sich zeitnah besprechen werde, um sich fortan womöglich auf jene Anklagepunkte zu fokussieren, für die man noch belastbare Zeugenaussagen erwarte.

Weil zahlreiche geladene Zeugen zu den Terminen am Landgericht nicht erschienen sind, darunter zweimal die ehemalige Awo-Geschäftsführerin Adelheid Zwilling, wird das Gericht noch weitere Verhandlungstage ansetzen. Ein Urteil schon am 11. August,m wie ursprünglich geplant, ist nicht zu erwarten. Weiter geht die öffentliche Verhandlung am Mittwoch, 22. Juli, um 9.30 Uhr im Saal 179 des Landgerichtes.

Und doch geriet Keppers mitunter ins Schwimmen, auch weil Rinas ihn bei seiner Befragung unter Druck setzte. So warf Rinas seinem Nachfolger auch über seinen Mülheimer Anwalt Andreas Schmidt vor, als Controller der Beteiligungsholding seinerzeit selbst eine Abneigung gegen öffentliche Ausschreibungen für Auftragsvergaben deutlich gemacht zu haben. Keppers verneinte. Bei benanntem Software-Kauf sei es um läppische 2600 Euro gegangen, da schreibe man nicht aus.

Zahlreiche umsatzträchtige Auftragsvergaben sind Gegenstand der Anklage

Keppers bestätigte aber doch den Anwurf von Rinas, dass zur Dachsanierung infolge eines immensen Schimmelschadens am Haus Kuhlendahl seinerzeit bewusst auf eine öffentliche Ausschreibung verzichtet worden sein soll. Auch wurde vor Gericht deutlich, dass es für die MHSD offenbar keine verbindliche Vergaberichtlinie gab. Keppers gab an, dass es lediglich eine für die Stadt mit der Erwartungshaltung gegeben habe, dass sich auch die Stadttöchter daran orientieren. Dem Beteiligungscontrolling war es aber offenbar über Jahre egal, dass die MHSD der Aufforderung nicht nachgekommen waren, sich eine eigene Richtlinie zu geben.

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Im Strafprozess wird Rinas für mehrere volumenträchtige Aufträge vorgeworfen, diese „nach Gutsherrenart“, wie es die LKA-Ermittler seinerzeit niederschrieben, vergeben zu haben. Nicht nur soll Rinas die Vergaberegeln missachtet haben. Er soll einige umsatzträchtige Aufträge auch an alte Geschäftspartner und/oder Bekannte vergeben haben – und sich dafür privat über Kickback-Zahlungen bereichert haben.

Keppers: Wäscherei-Auslagerung hat Kosten im sechsstelligen Euro-Bereich verursacht

Keppers sagte vor Gericht aus, dass Rinas Aufträge, die Teil der Anklage sind, mindestens am Aufsichtsrat vorbei vergeben habe. Etwa sei das Outsourcing von Wäscherei und Reinigungsdiensten nicht durch den Wirtschaftsplan gedeckt gewesen. Wobei die Verlagerung der Wäscherei betriebswirtschaftlich auch Unsinn gewesen sei, hätten die MHSD doch ihre 19 Wäscherei-Mitarbeiter fortan als Servicekräfte weiterbeschäftigen müssen, ohne dass dafür eine Refinanzierung über den Pflegesatz möglich gewesen wäre. Es sei ein Schaden im sechsstelligen Euro-Bereich dadurch entstanden, so Keppers.

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Rinas und Keppers stritten vor Gericht darüber, ob die Fremdvergabe an eine Wäscherei in der Eifel als Notfall gelten könnte, weil in der Wäscherei zuvor ein uralter Kessel ausgefallen sei. Hätte man halt einen neuen beschafft, sagte Keppers. „Es ist aber kein Grund, direkt einen Betrieb zu schließen.“

„Sie der Korinthenkacker und ich der, der die Sachen umsetzt“

Rinas und sein Mülheimer Anwalt Andreas Schmidt gaben vor Gericht an, dass Keppers mutmaßlich über Absprachen zu Auftragsvergaben, aber auch durch seine Tätigkeit als Controller und später als kaufmännischer Leiter über wesentliche Geschäftsvorgänge stets informiert gewesen sei. Keppers wies dies von sich, er habe als Controller Rinas nur zugearbeitet. „Herr Rinas war sehr machtbewusst. Das letzte Wort hatte immer der Geschäftsführer.“

So lief das Zivilrechtsverfahren am Landgericht

Das hatte Rinas nun auch vor Gericht. Mit festem Blick nahm er Keppers ins Visier und charakterisierte, dass sie beiden doch „der personifizierte Unterschied zwischen Theorie und Praxis“ seien. „Sie der Korinthenkacker und ich der, der die Sachen umsetzt.“ Hätte er nicht bis 2013 „die Drecksarbeit gemacht“, bilanzierte Rinas die Sicht auf seine nur knapp dreijährige Zeit bei den MHSD, stünde die Stadttochter heute nicht so gesund da. Zahlreiche Vorwürfe gegen ihn seien „eine Frechheit“, sagte er, obwohl er schon im Zivilprozess zu einem Schadenersatz von einer Vielmillion Euro verurteilt worden war.

Die Große Strafkammer wird der Frage weiter auf den Grund gehen: Sind die Anklagepunkte mitunter „eine Frechheit“? Oder beziehen sie sich doch auf zahlreiche strafbare Handlungen? Nach Äußerungen des Vorsitzenden Richters zum Prozessauftakt ist eine Haftstrafe für Rinas möglich.