Mülheim. . Ein Zeuge sagt vor dem Landgericht aus, der ehemalige Chef der Mülheimer Seniorendienste habe ihn umfangreich für private Dinge eingesetzt.

Er habe recht früh erkennen müssen, dass Widerspruch ihm enorme Probleme bereiten könnte: Vor der 2. Kammer für Handelssachen am Landgericht Duisburg schilderte am Dienstag ein 31-jähriger ehemaliger Mitarbeiter der Mülheimer Seniorendienste, wie ihn sein Chef, der im Sommer 2013 fristlos gekündigte Heinz Rinas, in ausufernder Weise für seine privaten Zwecke eingesetzt habe. Und das quasi rund um die Uhr.

Der 31-Jährige war vom Gericht als Zeuge geladen. Er sollte schildern, in welchem Umfang er während seiner Arbeitszeit private Dinge für Rinas erledigt hatte. Als IT-Fachmann war der junge Mann eigentlich angestellt, um den technischen Support für rund 60 Mitarbeiter zu leisten. Vor Gericht sagte er, dass er bei manchen Kollegen doch nicht sehr beliebt gewesen sei. Weil er des Öfteren nicht verfügbar gewesen sei, wenn es eigentlich deren technischen Probleme zu lösen galt. Er sei von Rinas für andere Dinge geblockt gewesen.

„Ja, scheiße, die Geräte funktionieren nicht“

Als der 31-Jährige ins Detail ging, staunte der Richter nicht schlecht. „Smartphones, Laptops, alles, was an Elektronik zu Hause bei der Familie von Herrn Rinas kaputt war, habe ich gewartet“, erzählte der Zeuge. Allein damit sei er geschätzt sechs Stunden pro Woche beschäftigt gewesen. „Wenn am Samstagabend der TV-Receiver nicht funktionierte, musste ich abrufbar sein.“ Dann habe er Rinas sofort am Telefon gehabt: „Ja, scheiße, die Geräte funktionieren nicht.“ Es sei egal gewesen, wo er sich gerade aufgehalten habe: Rinas habe erwartet, dass er sich kümmere.

Warum er sich das denn habe gefallen lassen, wollte der Richter wissen. Der 31-Jährige sah sich laut eigener Schilderung erhöhtem Druck ausgesetzt. Den habe Rinas „recht früh“ ausgeübt, erinnerte sich der IT-Experte, dass er während seines Urlaubs von Rinas aufgefordert worden sei, „die User-Daten zu den E-Mail-Postfächern von Mitarbeitern zu besorgen“. Er habe darauf nicht reagiert und sei nach dem Urlaub direkt morgens um 7 Uhr zu Rinas ins Büro zitiert worden. Dieser habe ihm deutlich gemacht, dass er die IT-Betreuung auch outsourcen könne. . . „Im Prinzip hat er mir da die Pistole auf die Brust gesetzt.“

Kurierfahrten für Mode und „Edelfleisch“

Zu seinen vielen Nebentätigkeiten hätten auch Kurierfahrten gezählt, so der 31-Jährige. Mehrfach pro Woche habe er für Rinas private Pakete, „Mode und Bundeswehr“, durch die Gegend fahren müssen. Mal, damit die Frau zu Hause in Menden noch vor dem Abend ihre Bestellung in Empfang habe nehmen können, oft habe er die Pakete auch für Retouren zur Post gebracht. „Dafür musste ich viel Zeit abknapsen.“

Aus der Küche im Haus Gracht habe er immer wieder Waren zum Hause Rinas in Menden bringen müssen, hauptsächlich Lebensmittel, „vom Frühstück bis zum Edelmittagessen“. Edel?, fragte der Richter nach. Es sei wohl „gehobene Fleischqualität“ gewesen, mutmaßte der 31-Jährige. „Man hat Herrn Rinas dann angesehen, dass er sich richtig aufs Abendessen freut.“

Aufwändige Präsentation für Immobilien-Unternehmer

Aufwändiger sei etwa auch „das Einscannen seiner Biografie“ gewesen. Zwei bis drei Kartons voll mit Fotos und Videos hätten er und ein Praktikant der Seniorendienste einscannen sollen. Rinas habe dem Mülheimer Immobilienunternehmer Jochen Hoffmeister „in gemütlicher Runde bei Müller-Menden mit Mülheimern, die sehr bekannt sind“, seine früheren Hilfseinsätze in Krisengebieten näherbringen wollen. Hoffmeister hatte den Seniorendiensten bekanntlich 100 000 Euro aus seinem oft kritisierten Deal mit der Hauptfeuerwache gespendet. Um Bilder und Videos zu digitalisieren, seien auf Kosten der Seniorendienste extra ein Filmscanner und andere Geräte angeschafft worden.

An dieser Stelle hakte Rinas-Anwalt Andreas Schmidt ein. Aufgrund der Hoffmeister-Spende sei jene Tätigkeit wohl rein dienstlich zu sehen. Am Ende wird das Gericht entscheiden, ob und in welcher Höhe Rinas für die private Beanspruchung des Mitarbeiters Schadenersatz zu zahlen hat. „Auf jeden Fall wird einiges zu zahlen sein“, sagte der Richter zum Ende der Zeugenbefragung. Ein Drittel des Lohns machen die Seniorendienste geltend.

>> RINAS: SEHR GUTES PRIVATES VERHÄLTNIS

Der Richter gab dem Zeugen zu bedenken, dass Rinas ein „sehr gutes privates Verhältnis“ mit ihm geltend mache.

„Wie täuschend ein freundliches Lächeln sein kann, habe ich damals erfahren“, entgegnete der 31-Jährige. „Ich hatte viel Sorge, dass ich von heute auf morgen gekickt werde.“