Duisburg/Mülheim. In Mülheims Korruptionsfall um den Ex-Chef der Seniorendienste, Heinz Rinas, ist nun das Strafverfahren gestartet. Rinas droht Gefängnis.

Die vorläufige Prognose des Landgerichtes steht: Wenn der ehemalige Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste, Heinz Rinas, sich zu einem umfassenden Geständnis durchringt, könnte er mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Andernfalls droht eine Gefängnisstrafe – und ein Verhandlungsmarathon.

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Es sind nun fast sechseinhalb Jahre verstrichen, seit die Stadt Mülheim den Chef besagter Stadttochter von einem auf den anderen Tag vor die Tür gesetzt hat. Vom 26. August 2013 datiert die fristlose Kündigung, monatelang lief zuvor die hausinterne Recherche nach den mutmaßlichen Verfehlungen, die sich der mit deutlich mehr als 100.000 Euro Jahresgehalt bedachte Geschäftsführer geleistet haben soll.

Landgericht hatte Rinas zu rund 250.000 Euro Schadenersatz verurteilt

Vergeblich war Rinas gegen seine fristlose Kündigung vorgegangen. Vergeblich hatten er und sein Mülheimer Anwalt Andreas Schmidt versucht, die herbe Niederlage im Zivilverfahren um Schadenersatz abzuwenden. Letztlich hatte Rinas seine Berufung gegen das Urteil aus erster Instanz zurückgezogen, wonach Rinas den Mülheimer Seniorendiensten einen Schaden in Höhe von 245.215 Euro und 34 Cent nebst Zinsen zu ersetzen hatte. Seine Geschäftsführer-Haftpflichtversicherung hat mittlerweile an die Stadt überwiesen.

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Rinas selbst sei finanziell nicht in der Lage, den Schaden wiedergutzumachen, verlas der Vorsitzende Richter Berthold Nüchter zum Auftakt des Strafverfahrens. Er berief sich dabei auf die Aussage von Rinas-Verteidiger Schmidt aus einem Vorgespräch, zu dem das Gericht beide Parteien Ende Februar geladen hatte.

Rinas muss eine Gefängnisstrafe ins Kalkül ziehen

Eruieren wollte das Gericht bei jenem Termin auch, ob Rinas womöglich bereit sein könnte, ein tragfähiges Geständnis abzulegen zu den 28 mutmaßlichen Fällen der Untreue in besonders schwerem Fall und den vier mutmaßlichen Fällen der Bestechlichkeit, die die Anklage Rinas zur Last legt.

Richter Nüchter machte am ersten Verhandlungstag deutlich, dass Rinas sich mit einem Geständnis womöglich in die Situation bringen könnte, noch mit einer Bewährungsstrafe wegzukommen. Ohne Geständnis müsse Rinas ins Kalkül ziehen, tatsächlich eine Freiheitsstrafe antreten zu müssen – auch bei Berücksichtigung dessen, dass Rinas wegen des Zeitverzugs zwischen Anklage und Verhandlungsauftakt damit rechnen könne, dass ein Teil der möglichen Strafe als bereits verbüßt einzustufen wäre.

Verlesung der Anklage nahm einige Zeit in Anspruch

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Die Verlesung der aktualisierten Anklage nahm nun einige Zeit ein. Rinas, sichtlich gealtert und mit deutlich weniger Körperfülle, lauschte in stoischer Ruhe auch der Auflistung etlicher Belege von Einkäufen, die er sich von den Seniorendiensten hatte erstatten lassen, obwohl sie privater Natur gewesen sein sollen.

Die Einkäufe sind nicht die dicken Brocken der Anklage. Vielfach soll Rinas Gelder der Stadttochter veruntreut haben, etwa durch den Einsatz von Mitarbeitern für private Zwecke. Seinen Privatanschluss für Telefon und Internet soll Rinas gar noch länger als zwei Jahre nach seiner Kündigung von den Seniorendiensten bezahlt haben lassen, bevor dies aufgeflogen war.

16 weitere Verhandlungstage sind angesetzt

Mitangeklagt ist ein Wäscherei-Betreiber

Im Strafverfahren ist von den ursprünglich acht weiteren Beschuldigten nur ein Mitangeklagter übrig geblieben: ein 50-jähriger Geschäftsmann aus Schleiden in der Eifel.

Ihm wird im Zuge der eigenmächtigen Fremdvergabe für Wäscherei-Dienstleistungen (Umsatz: rund 470.000 Euro) vorgeworfen, Rinas in drei Chargen Bestechungsgelder in Höhe von gut 10.000 Euro zukommen gelassen zu haben, deklariert als Provisionszahlungen.

Dem Wäscherei-Betreiber hatte das Gericht wie seinerzeit anderen Mitangeklagten angeboten, das Verfahren gegen ihn wegen geringfügiger Schuld (§ 153 Strafgesetzbuch) einzustellen – wenn der 50-Jährige 10.000 Euro an die Staatskasse überweist. Der Angeklagte bot 5000 Euro, das Gericht lehnte ab.

Wesentlich sind insbesondere die Anschuldigungen, Rinas habe ohne vorgeschriebene Ausschreibung Aufträge mitunter in sechsstelliger Euro-Höhe vergeben und sich als Gegenleistung dafür von den Auftragnehmern privat Geld zuschießen lassen – mitunter über vernebelte Kanäle. Auch benennt die Anklage Auftragsvergaben, bei denen beträchtliche Summen die Seniorendienste verlassen haben sollen, denen mutmaßlich keine entsprechende Leistung gegenüberstand.

In einer ersten Einschätzung machte der Vorsitzende Richter am Landgericht deutlich, dass die Beweislage unterschiedlicher Natur sei. Mal sei sie eindeutig zu Lasten von Rinas, mal unsicher. Bis zum 23. Juli sind bis jetzt 16 weitere Verhandlungstage angesetzt. Zahlreiche Zeugen sollen vernommen werden. Wenn Rinas nicht vorher ein Geständnis ablegt.