Mülheim. In seinem Strafprozess traf der ehemalige Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste, Heinz Rinas, nun eine gefeuerte Mitarbeiterin wieder.
Vor dem Landgericht Duisburg kam es beim Strafverfahren gegen den 2013 fristlos gekündigten Chef der Mülheimer Seniorendienste, Heinz Rinas, jetzt zum emotional aufgeladenen Wiedersehen: Rinas als Hauptangeklagter traf dort eine ehemalige Führungskraft wieder. Als Zeugin geladen, warf sie Rinas gar vor, bei der Tochtergesellschaft der Stadt mafiöse Strukturen für seine Zwecke geschaffen zu haben. Es war ein Aufeinandertreffen, bei dem Schläge unter die Gürtellinie nicht ausblieben.
Rinas muss sich bekanntlich am Landgericht einer Anklage wegen Bestechlichkeit und Untreue in zahlreichen schweren Fällen erwehren. Der 61-Jährige, der mittlerweile in der Eifel wohnt, kommt zu den Terminen am Landgericht stets in Begleitung seiner Frau, rechtlich vertreten lässt er sich auch in diesem Strafverfahren vom Mülheimer Rechtsanwalt Andreas Schmidt, ehemals Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag.
„Zunächst waren wir sehr begeistert, er war eine sehr gewinnende Person“
Die 43-jährige Zeugin, die in der Zeit von Rinas ihren Job bei den Seniorendiensten verloren hatte, zeichnete bei ihrer Zeugenaussage ein Bild vom Angeklagten, der als Geschäftsführer selbstherrlich, intransparent und autoritär sein Ding gemacht habe. Sie berichtete aber auch von großen Hoffnungen, die sie und andere in Rinas gesetzt hätten, als dieser 2010 zur in Schieflage befindlichen Betreiberin der drei städtischen Seniorenheime Gracht, Kuhlendahl und „Auf dem Bruch“ gekommen sei. „Zunächst waren wir sehr begeistert, er war eine sehr gewinnende Person“, sei eine Autorität als Sanierer durchaus willkommen gewesen.
Der Eindruck habe sich aber doch gewandelt. Rinas habe seine Autorität zur Einschüchterung genutzt. Er habe Mitarbeiter, die nicht bloß gefügige Befehlsempfänger seien wollten, abserviert. Wie sie selbst. Noch zum Start von Rinas sei sie Assistentin der Geschäftsführung gewesen, auch oberste Qualitätsmanagerin für die drei Häuser und der Geschäftsführung als Projektbeauftragte direkt zuarbeitend. Sukzessive sei sie von Rinas immer weiter wegversetzt worden, auch auf Positionen, die ihrem Qualifikationsprofil nicht entsprochen hätten. Stattdessen habe sich Rinas eine willfährige Kosmetikerin als Assistenz an seine Seite geholt.
Auftragsvergaben: Zeugin spricht von einer „Einbeck-Mafia“
Zuletzt, vor ihrer Kündigung, sei sie in einem Beratungsbüro in der Innenstadt eingesetzt gewesen. Sie sei darüber krank geworden, so die 43-Jährige. Rinas indes bestritt vor dem Landgericht vehement, dass die Zeugin jemals bei ihm Assistentin der Geschäftsführung gewesen sei. Die Sache blieb ungeklärt.
Die 43-Jährige wurde allerdings zu zahlreichen Themenkomplexen der Anklage befragt – und wusste dazu auch einiges zu erzählen. So sprach sie eben auch von jener „Einbeck-Mafia“, die sie Rinas unterstellte. „Ich hatte das Gefühl, dass ich alle Aufträge nach Einbeck zu vergeben hatte“, so die ehemalige Beschäftigte. In Einbeck (Niedersachsen) war Rinas vor seinem Engagement in Mülheim tätig. Zahlreichen Geschäftspartnern aus jener Zeit ließ er in den Jahren 2010 bis 2013 auch lukrative Aufträge aus der Mülheimer Seniorendienste zukommen, die Bestandteil der Anklage sind.
Lukrative Aufträge für eine Werbeagentur fernab von Mülheim
So etwa einer Werbeagentur, die laut Anklage Aufträge im Volumen von weit mehr als 100.000 Euro an Land gezogen haben soll, ohne dass es zuvor eine öffentliche Ausschreibung gegeben haben soll. Rinas wird im Zuge dieser Auftragsvergabe Bestechlichkeit zur Last gelegt. Für die Auftragsvergabe soll sich Rinas privat bezahlt haben lassen.
Unter anderem soll die Agentur aus Einbeck, bei der sowohl die Tochter als auch Rinas’ späterer Schwiegersohn gearbeitet haben, von den Seniorendiensten für die Pflege ihrer Homepage beauftragt worden sein. Die Zeugin schilderte vor Gericht, dass es dieses Auftrags insbesondere mit Blick auf den Sparzwang bei der Stadttochter gar nicht bedurft hätte, weil eine Homepage längst erstellt gewesen sei und sie auch von ihr selbst mit Inhalten bestückt worden sei. „Unsere Qualität ist zuvor nie infrage gestellt worden“, sagte sie. Mehr noch: Auch als die Werbeagentur in Einbeck zuständig gewesen sei, habe sie selbst noch handschriftlich Inhalte liefern sollen.
Magazin in 11.000er Auflage produziert, das später im Müll landete?
Kurios auch die Zeugenaussage zu einem Auftrag für ein Mülheimer Seniorenmagazin an die Firma. Zuvor habe ein Magazin für die drei Seniorenheime in Eigenregie gestemmt und günstig in Oberhausen drucken lassen. Rinas habe schließlich die Agentur in Einbeck damit beauftragt, Magazine mit einer Auflage von 11.000 Stück zu produzieren. Zu einer Verteilung an Mülheimer Haushalte sei es nie gekommen. „Die Magazine lagen noch eineinhalb Jahre später im Keller von Haus Gracht, bis sie der Hausmeister entsorgt hat.“
Für zahlreiche Fällen berichtete die Zeugin dem Gericht, dass Rinas eigenmächtig Aufträge an ihm vertraute Personen neu vergeben habe für Dinge, die entweder zuvor ein langjähriger Mülheimer Geschäftspartner oder die Seniorendienste kostengünstig selbst erledigt hätten. So habe Rinas die Erste-Hilfe-Ausbildung dem Mülheimer DRK entzogen, um sie von seinem Sohn durchführen zu lassen. Des Öfteren habe er Aufträge an Steinbeis-Absolventen vergeben, wo er selbst – wie sich nach seiner fristlosen Kündigung herausgestellt hatte – ein eigenes Steinbeis-Institut unterhielt, das in der Anklageschrift in mehrfacher Hinsicht ins Zwielicht gerückt ist.
Zeugin zu einem der Rinas-Berater: „Er hatte keinerlei Sachkenntnis“
Das Gericht befragte die ehemalige Angestellte auch zu auffällig gewordenen Geschäften mit Beratern, die Rinas ins Haus der Seniorendienste eingeführt hatte. Etwa zu jenem, mittlerweile verstorbenen Berater, der von Rinas ebenfalls eigenmächtig mit allerlei nebulösen, aber kostenträchtigen Sonderaufträgen betraut war – der mal Geld kassierte für eine Beratung zur Sanierung eines Schimmelschadens im Haus Kuhlendahl, mal für Leistungen im Rahmen der Ausgliederung der Wäscherei. Der Berater zählte in der ursprünglichen Anklage ebenso zu den Beschuldigten. Die Ermittler hatten seinerzeit auffällige Geldflüsse von einigem mehr als 100.000 Euro an den Berater festgestellt, denen keine oder nur geringe Leistungen gegenüberstünden, wie es damals hieß.
Die Zeugin konnte sich sehr wohl an jenen „charmanten, flirtenden“ Herren erinnern. „Ein Mysterium“, sagte sie. „Letztlich konnte niemand sagen, wer er ist, woher er kam oder was er konnte.“ Einmal sei er damit beauftragt gewesen, ein Hauswirtschaftskonzept einzuführen. Sie selbst habe dieses längst erarbeitet gehabt, habe es ihm aushändigen müssen. Ebenso ein von ihr gefertigtes Hygienekonzept. Mit der Umsetzung sei der Berater überfordert gewesen, so dass es letztlich doch andere Mitarbeiter erledigt hätten. „Er hatte keinerlei Sachkenntnis, was Altenheime betrifft“, so die Zeugin.
Unklare Mittelverwendung bei Projekt, das die EU co-finanzierte
Zum Gespräch kam auch jene Spende in Höhe von 100.000 Euro, die Mülheims Immobilien-Größe Jochen Hoffmeister aus dem Feuerwachen-Deal an die Seniorendienste gespendet hatte für ein von der EU co-finanziertes Demenzprojekt. Die Zeugin berichtete von ihrer Mitarbeit daran und davon, dass zur Überraschung der Projektbeteiligten schnell das Geld aufgebraucht war, weil Rinas parallel Aufträge an einen anderen Berater vergeben hatte, mit dem er schon zuvor in Einbeck in Geschäftsbeziehung gestanden hatte. Auch dieser Berater soll bei Verstoß gegen die Vergaberichtlinien mit rund 160.000 Euro Umsatz bedacht worden sein für Schulungen, Coachings und Begleitung von Pflegekräften.
Auch hier steht der Vorwurf im Raum, dass Rinas sich privat hat „belohnen“ lassen für die Auftragsvergaben. Die Zeugin war etliche Jahre später noch außer sich vor Ärger, dass jener Berater tatsächlich ein nur vierseitiges Demenzkonzept vorgelegt und dafür 5000 Euro in Rechnung gestellt habe. „Jeder Laie kann erkennen: Das hätte sogar eine Reinigungskraft erstellen können“, sagte sie, stets bissig gegen Rinas argumentierend und mit Hinweis darauf, dass sie selbst schon ein qualifiziertes Konzept erstellt habe.
Rinas ließ Angriffe nicht unerwidert
Rinas bedachte seine ehemalige Mitarbeiterin von Gericht mit Hohn und Verachtung. „Was meinen Sie“, fragte er bösen Blickes, „warum 2010 eine Sanierung nötig war?“ Das Demenzkonzept der 43-Jährigen sei derart schlecht gewesen, „dass es bei mir direkt in die Tonne gewandert ist“.
Der Prozess wird am 26. Juni mit weiteren Zeugen fortgeführt.