Gladbeck. Die Zahl der Gladbecker, die verschuldet sind, steigt. Auch immer mehr Berufstätige sind betroffen. Das raten Schuldnerberater ihren Klienten.
Immer mehr Menschen in Gladbeck suchen sich Hilfe, da sie so hoch verschuldet sind, dass sie aus dieser Situation alleine nicht mehr rausfinden. Vermehrt trifft dies inzwischen auch Arbeitnehmer.
Özgül Capraz, Mitarbeiterin in der städtischen Schuldnerberatung, sagt: „Es kommen mehr Arbeitnehmer zu uns als noch in den vergangenen Jahren. Auch sie können die Lebenshaltungskosten teilweise nicht mehr bezahlen.“ Das liege aber nicht nur an der Inflation, häufig seien die Schulden über Jahre angesammelt worden. „Die Menschen kommen erst dann zu uns, wenn die Belastung sehr hoch ist und es nicht mehr anders geht.“ Finanzielle Probleme bauten sich oftmals über Jahre hinweg auf. Und auch Viola Denda, Leiterin bei der städtischen Betreuungsstelle für Drogenabhängige und Verschuldete, weiß: „Wenn die Menschen vorausschauender agierten, wären sie vielleicht gar nicht so hoch verschuldet.“
Auf ein zweites Auto oder den Urlaub möchten viele nicht verzichten – trotz Überschuldung
Ein weiteres Problem sei, dass viele Menschen nicht verzichten könnten. „Jeder hat ein Auto, will mehrmals im Jahr in den Urlaub fahren. Diesen Lebensstandard wollen die Menschen beibehalten“, sagt Denda. Auch Capraz hört bei den Beratungsgesprächen immer wieder, dass eine Familie zwei Autos brauche, damit beide Elternteile zur Arbeit fahren können. „Vielleicht gibt es aber auch eine andere Möglichkeit, um zur Arbeit zu kommen. Doch das wird häufig nicht in Betracht gezogen.“
Schuldnerberaterin Capraz geht davon aus, dass sich aber viele Menschen auf die gestiegenen Preise durch die Inflation eingestellt haben und wüssten, was sie sich noch leisten können. „Sonst wäre die Warteliste bei uns noch länger.“ Schon jetzt müssen Verschuldete bis zu sechs Monate auf einen Termin warten.
336 Menschen aus Gladbeck haben die Schuldenberaterinnen im Jahr 2023 geholfen
Dennoch steige aktuell die Anfrage nach Beratungen. 336 Menschen suchten im vergangenen Jahr Hilfe, im Jahr 2022 waren es noch 238. Auffällig dabei: Die Nachfrage nach Insolvenzen ist dabei extrem gestiegen. „Wir bekommen vermehrt Terminanfragen für Privatinsolvenzen“, so Capraz. Sie geht davon aus, dass es für viele ein Anreiz sein könnte, dass die Verfahrensdauer von sechs auf drei Jahre abgesenkt wurde.
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Die meisten Verschuldeten gab es 2023 in den Altersgruppen der 40-bis 50-Jährigen (77 Fälle) sowie der 30- bis 40-Jährigen (75 Fälle). Gründe für Verschuldung seien zwar immer sehr individuell, die Hauptursachen aber seien Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit oder gescheiterte Selbstständigkeit. Wenn an all diese Vorkommnisse der Lebensstandard nicht angepasst werde, komme es zur Verschuldung.
Die Verschuldungssumme hat zugenommen
Nicht nur die Zahl der Verschuldeten ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, auch die Verschuldungssumme hat zugenommen. Hatten die Menschen 2022 noch im Durchschnitt 21.500 Euro Schulden, waren es 2023 schon 24.600 Euro. Und dabei habe die Erhöhung des Bürgergeldes und der Inflationsausgleich für einige Arbeitnehmer einige Kostensteigerungen schon etwas auffangen können.
Özgül Capraz rät den Menschen, die sich an sie wenden, regelmäßig ein Haushaltsbuch zu führen, um einen besseren Überblick zu haben. „Das ist am Anfang viel Arbeit, lohnt sich aber.“ Zudem wüssten viele gar nicht, welche Möglichkeiten sie außerdem haben, um über die Runden zu kommen. „Wenn am Monatsende nicht viel übrig bleibt, ist die Tafel eine gute Option.“ Um dort hingehen zu gehen, müssten die Menschen zwar einen Anspruch haben, aber viele nutzten diesen nicht. Auch aus Scham. „Der ein oder andere ist aber auch überfordert, denn dazu muss beispielsweise ein Antrag gestellt werden.“
Viele Betroffene wissen nicht, dass sie Anspruch auf Sozialleistungen wie Wohngeld haben
Viele wüssten aber auch nicht, dass sie beispielsweise Anspruch auf Sozialleistungen haben, etwa auf Wohngeld. Aber auch, dass der Freibetrag bei einem Pfändungsschutzkonto angepasst werden kann. „Das sind Tipps, die einigen Betroffenen direkt helfen.“
Immer wieder komme es auch vor, dass die Menschen, die zur Schuldnerberatung kommen, den Kontakt abbrechen und die Beratung nicht so lange in Anspruch nehmen, bis eine Lösung gefunden ist. „Dabei ist die Mitarbeit sehr wichtig.“
>>> Online-Shopping als Falle
Auch junge Betroffene suchen immer wieder die Beratungsstelle auf, die online immer sofort und viel gekauft haben, um mit ihren Mitmenschen mithalten zu können. „Zinslose Raten oder auch Online-Shopping bei dem sofort gekauft, aber erst später bezahlt werden kann, führen dazu, dass einige den Überblick verlieren“, weiß Özgül Capraz.
Auch durch Influencer in den sozialen Netzwerken werde häufig ein Kaufinteresse geweckt.
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