Gladbeck. Fünf Männer bilden die AfD-Fraktion im Rat. In der Debatte rund ums Van der Valk wurden sie hörbar. Eine Analyse der Arbeit Partei vor Ort.
„Afd nee“ – so heißt eine Kampagne in Hessen. Der Frankfurter Verein Demokult will so vor der Landtagswahl die Wählerinnen und Wähler sensibilisieren, welche Folgen ein Erfolg der AfD hätte – etwa in Fragen von Sozial- und Rentenpolitik. Ein Grund, auf die Partei vor Ort zu schauen: Wie tritt sie auf, wie macht sie Politik?
Fünf Sitze hat die AfD-Fraktion im Stadtrat von Gladbeck. In den Ausschusssitzungen agieren die Rechtspopulisten eher zurückhaltend. Durchsucht man das Ratsinformationssystem, so fallen für diese Ratsperiode allerdings schon einige Anträge, Anfragen und Vorschläge auf. Manchmal ist es auch schiere Symbolpolitik – etwa als die Partei während der Coronaphase Unterstützung für das heimische Friseurhandwerk forderte. Derartige Entscheidungen fallen nun einmal nicht im Gladbecker Stadtrat, doch Fraktionsvorsitzender Marco Gräber hätte sich einen „gepfefferten Brief“ an die Entscheider gewünscht.
Initiativen der AfD laufen im Gladbecker Rat ins Leere
Dazu kommen Anfragen etwa allgemein zur Sicherheit in der Stadt – oder speziell zu mutmaßlichen Ausnahmezuständen in einem Gladbecker Stadtteil nach der Erdogan-Wahl. Nur wusste davon die Polizei nichts, und auch in den Sozialen Netzwerken fand sich kein Beleg dafür. Auf Wunsch der AfD-Fraktion musste die Feuerwehr im entsprechenden Ausschuss auch schonmal zur Brandgefahr bei Elektroautos berichten. Auch der Vorschlag, die Fraktionsgelder der Parteien im Rat zu kürzen, kam schon von der AfD. Dazu immer wieder der Versuch, Themen, die Bürger umtreiben, aufzugreifen und sich als „Kümmerer“ darzustellen – etwa wenn sie an einer Stelle Anwohnerparken fordert.
Doch deren Initiativen laufen ins Leere. Die übrigen Parteien schmettern Anträge der AfD ab, oder nehmen sie von der Tagesordnung. Das hängt auch damit zusammen, dass es in Gladbeck ein zivilgesellschaftliches Engagement gegen die Partei gibt. Das Gladbecker Bündnis für Courage hat schon im Vorfeld der Wahl eine Gladbecker Vereinbarung erarbeitet, die mit Ausnahme der CDU von allen Parteien unterzeichnet wurde. Darin geben sie sich einen Handlungsrahmen im Umgang mit „rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Parteien im Rat der Stadt Gladbeck“. Ziel ist es, geschlossen aufzutreten, zu agieren und nicht zu reagieren und gemeinsam Anträge von Rechtspopulisten abzulehnen.
AfD hat Debatte um Flüchtlingsunterkunft im Van der Valk genutzt
Nicht immer werden alle Punkte auch befolgt – etwa, dass man sich verständigt und nur einer für alle zur Gegenrede antritt – doch im Großen und Ganzen kommt die AfD im Rat nicht weiter. Vor dem Hintergrund wundert es nicht, wenn Fraktionschef Marco Gräber seine Partei unfair behandelt sieht und auch zugibt, sich manchmal zurückzuhalten, wohlwissend, dass Anträge abgeschmettert würden. Und umso lauter tritt die Partei in den sozialen Netzwerken auf, versucht, dort Stimmung zu machen und greift die anderen Parteien an.
Kommunalwahl-Zahlen
Bei der Kommunalwahl im September 2020 holte die AfD 9,68 Prozent der Wählerstimmen. Damit wurde sie nach SPD, CDU und Grünen viertstärkste Kraft im Gladbecker Stadtrat. Der Stimmenanteil reichte, um mit fünf Leuten in den Rat einzuziehen. Seither bildet die AfD vor Ort eine fünfköpfige Fraktion.
In elf Wahlbezirken errang die AfD damals sogar zweistimmige Zustimmungswerte. Am stärksten schnitt sie im Bezirk „Brauck - westlich Horster Straße“ ab. Dort stimmten 14,19 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Partei. Im Bezirk „Brauck - östlicher Teil“ kam die AfD auf 13,49 Prozent.
Richtig laut um die AfD in Gladbeck wurde es vor allem im vergangenen halben Jahr mit Bekanntwerden der Pläne des Landes, im Gladbecker Hotel Van der Valk eine Zentrale Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete (ZUE) mit über 600 Plätzen einrichten zu wollen. Das ging so weit, dass die AfD zur Kundgebung vor dem Hotel aufgerufen hat. Selbstverständlich haben die Verantwortlichen versucht, den Protest als Erfolg zu verkaufen. Doch nach Polizeiangaben waren nur rund 60 Demonstranten erschienen und dass, obwohl die Partei nicht nur in Gladbeck ihren massive Reichweite etwa bei Facebook genutzt hat, um für den Termin zu werben. Ihnen standen zudem etwa 30 Teilnehmer einer Gegenkundgebung gegenüber.
An manchen Stellen klingt die Gladbecker AfD wie jede andere Partei auch
Die übrigen Parteien im Rat haben sich in einer gemeinsamen Resolution – die die AfD nicht unterstützt hat – gegen den Standort Van der Valk ausgesprochen. Nach langen Verhandlungen und Auseinandersetzungen mit Land und Bezirksregierungen hat das Land dann Abstand von der Unterbringung in dem Hotel genommen. Stadt und Land haben sich verständigt. Angedacht nun: die Schaffung mehrerer dezentraler Unterbringungsmöglichkeiten in Gladbeck. Nun geht es den Rechtspopulisten nicht mehr, wie vorher betont, um den Standort. Vielmehr hat die Gladbecker AfD nun angekündigt, grundsätzlich gegen die Unterbringung weiterer Flüchtlinge in der Stadt kämpfen zu wollen.
Bilder der Kampagne „AfD nee“ zur hessischen Landtagswahl
Andererseits klingt die Partei, die in Teilen gesichert rechtsextrem ist, vom Verfassungsschutz beobachtet wird und auch in politischen Ausschüssen in Gladbeck schonmal das Grundrecht auf Asyl infrage stellt oder gegen Flüchtlinge austeilt und versucht, die anderen Parteien zu provozieren, an manchen Stellen ganz normal. Etwa wenn es darum geht, vom Land eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen zu fordern.
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Aus Sicht Gräbers ist das Konnexitätsprinzip längst abgeschafft. Bund und Land bürden den Kommunen Aufgaben und Kosten auf, ohne sie zu finanzieren. Die Konsequenz der AfD beim letzten Haushalt: Sie hat den Personalplan abgelehnt, weil sich dort aus ihrer Sicht die fehlende Gegenfinanzierung zeigt. Gleichzeitig kritisiert Gräber, dass die Kosten der Städte, die von Corona und dem Ukraine-Krieg verursacht wurden, im Haushalt nicht länger isoliert werden dürfen.
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