Gladbeck. Das Museum in Gladbeck präsentiert Stücke, die bislang im Depot verborgen waren. Leiterin setzt neue Akzente, packt auch schwere Themen an.
Relikte aus Gladbecks allerfrühester Geschichte, als vielleicht Waldwisente und Riesennashörner durch die Gegend streunten; Werkzeug aus der Bronzezeit und auch aus der Phase der Industrialisierung, alltägliche Utensilien, die vom Werdegang der Stadt und ihrer Bewohnerschaft zeugen – als das präsentiert das Museum in Wittringen, und zwar auf sehr begrenzter Fläche. Susanne Peters-Schildgen, Herrin des Hauses, will das Beste und Spannendste aus dem Bestand holen. Da baut sie die Dauerausstellung auch ‘mal um und bringt verborgene Schätze aus dem Depot ins Licht der Öffentlichkeit, scheut aber auch vor sperrigen, brisanten Themen nicht zurück. Das werden Gäste in diesem Jahr erfahren.
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Dabei hat Susanne Peters-Schildgen nicht vor, das Unterste zuoberst zu kehren. Die Museumschefin, die im vergangenen Jahr ihren Posten im Museum der Stadt Gladbeck antrat, betont: „Wenn ich Änderungen vornehme, werde ich das behutsam tun.“ Schließlich will sie das Publikum auf der Reise in die Vergangenheit mitnehmen: Es soll sich mit dem Gladbecker Haus der Geschichte identifizieren.
Ergo schafft Peters-Schildgen Verknüpfungen, aufgrund derer sich Gäste wiedererkennen. Und vielleicht sogar Brücken zu eigenen Biografien beschreiten können.
Im Museum Gladbeck werden Prachtstücke aus Schenkungen präsentiert
Und wo gelingt das besser als bei Exponaten mit Wiedererkennungs- und Erinnerungswert? Die wohl beste Gelegenheit dazu dürfte ab Mai – im Anschluss an die bis 28. April laufende Schau „Schimmernde Schönheiten“ – eine Präsentation bieten, in der ausgewählte Stücke aus Schenkungen an das Museum zu sehen sein werden. Die Hausherrin verspricht: „Diese Ausstellung wird für Gladbecker sehr interessant. Wir zeigen kuriose Exponate, aber auch Alltagsgegenstände, darunter zum Beispiel ein Kinderwagen.“ Ein Prunkstück: „Die komplette Sammlung aus einer Puppenwerkstatt.“
Die Gegenstände schlummerten bislang einen Dornröschenschlaf – im Depot. „Wir haben ja nur eine begrenzte Präsentationsfläche von etwa 500 Quadratmetern, bekommen aber immer wieder eine Menge geschenkt“, erklärt die Expertin. Nun sollen die „entstaubten“ Stücke ihren großen Auftritt haben. „Das sind wir den Schenkern und Stiftern schuldig“, meint Peters-Schildgen, „wir haben noch sehr viel mehr Stücke in den Depots und können nicht alles zeigen, nur einen Querschnitt.“
Die Museumsleiterin hat noch anderes auf Lager, das sie vorstellen möchte. Dafür räumt sie auch schon ‘mal um, schafft zusätzliche Vitrinen an, setzt neue Akzente. Begeben wir uns in Raum 2. Dort „begrüßt“ das Skelett eines Waldwisent-Weibchens, in Insiderkreisen liebevoll „Walburga“ genannt, die Museumsgäste. In ergänzenden Vitrinen sollen demnächst weitere Funde aus der Ur- und Frühgeschichte zu bewundern sein, darunter Urnen und ein Kupferbeil aus der Bronzezeit.
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Peters-Schildgen erzählt: „Es wurde 1929 bei Ausschachtungsarbeiten für einen Neubau an der Horster Straße/Ecke Kiebitzheide gefunden. Das unscheinbare, stark verrottete Kupferstück ist ein Flachbeil aus der Bronzezeit mit einem Anteil an Kupfer von etwa 90 Prozent. Kupfer und Bronze gelangten auf Handelswegen zu den noch in ,steinzeitlichen Verhältnissen’ lebenden Mitteleuropäern.“
In anderen Räumen möchte die Hausherrin ebenfalls das Spektrum ergänzen, beispielsweise sollen die barocke Madonnenfigur „Maria Immaculata“ und die Bleifiale, also die Turmspitze, vom Seitenschiff der St.-Lamberti-Kirche gebührend präsentiert werden. Gleiches gilt für die restaurierte Fahne des Vereins TV Einigkeit 1884 und weitere Flaggen, die eigens Schaukästen bekommen.
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Als ein „sehr schweres, aber sehr wichtiges Thema“ bezeichnet Peters-Schildgen die Wanderausstellung, die im Oktober Station in Wittringen machen wird: vergesseneOpfer der NS-Euthanasie, ein Kapitel deutscher Geschichte, das aufgrund der Diskussion im Vorfeld der Gedenkstätte in den Rathaus-Arkaden manchen Menschen in Gladbeck präsent sein dürfte. Die Schau besteht aus 21 Tafeln und soll durch lokale Bezüge ergänzt werden.
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Die Museumsleiterin berichtet: „In der Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein ermordeten die Nationalsozialisten vorwiegend psychisch kranke und geistig behinderte Menschen, aber auch Häftlinge aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Dr. Horst Schumann war Leiter der Anstalt. Unter seiner Leitung wurden von Juni 1940 bis August 1941 in der Gaskammer der Tötungsanstalt Sonnenstein 13.720 Patienten und mehr als 1000 KZ-Häftlinge getötet.“ Der Mediziner habe in Auschwitz-Birkenau Versuche zur Massensterilisation durch Röntgenstrahlung an jungen jüdischen Frauen und Männern durchgeführt. Nach dem Krieg habe Schumann unbehelligt bis 1951 in Gladbeck praktiziert. Später flüchtete er, wurde ausgeliefert, aber das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.
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Als Gegengewicht zu dieser bedrückenden Thematik wird’s zum Ende des Jahres leichter und heimelig. Ein Adventscafé und eine kleine Präsentation mit Weihnachtsschmuck und Objekten soll Vorfreude aufs Fest wecken. Peters-Schildgen: „Vielleicht können wir ja noch die Bevölkerung mobilisieren, private Stücke zur Verfügung zu stellen.“ Und da ist er wieder, der Kerngedanke im Gladbecker Museumskonzept: nicht nur Gucken, sondern Mitmachen...