Gladbeck. . Zur historischen Sammlung der Stadt zählen 6000 Einzelstücke. Was nicht ausgestellt ist, muss bis zur Präsentation fachgerecht gelagert werden.
Sie fristen derzeit (noch) ein Schattendasein: die beiden antiken Nähmaschinen – darunter eine Singer – mit Pedalbetrieb, die Grubenlampe, die offenbar selbstgezimmerte Wiege aus Holz und Draht, die Museumsleiter Alexander Borchard auf die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg datiert.
Gesehen haben diese Stücke wahrscheinlich nur die jeweiligen Besitzer mit ihrem Umfeld. Und eben Fachleute aus dem Museum, als ihnen Gladbecker irgendwann einmal diese Privatstücke für die Sammlung übergaben.
Ausgelagert, aber aufbewahrt
Ein größeres Publikum hat Nähmaschinen und Co. nicht zu Gesicht bekommen: Sie befinden sich nicht einmal unter dem Dach des Museums in Wittringen, sondern werden ausgelagert aufbewahrt.
Das, so Borchard, handhaben viele Häuser so. Der Platz . . .! Oder besser: der fehlende! 6000 Einträge in der hauseigenen Datenbank, da wird’s eng im Museum. Stadtsprecher David Hennig erläutert: „Wir befinden uns permanent auf der Suche, wo wir noch etwas unterbringen können.“ Werde ein Standort aufgegeben, müsse ein neuer her. Dabei gilt: Nicht irgendein Raum ist von Nutzen: „Die Gegenstände müssen richtig verpackt werden, da müssen Standards gewahrt sein.“
Die Kartons, die im Bodenfach in der ausgelagerten Museumsbücherei stehen, sind also nicht irgendwelche Kisten für Otto-Normal-Verbraucher. Stephan Riesener erklärt: „Für Papier verwenden wir säurefreie Kartons.“ Wichtig ist, so der technische Hausdienst des Museums, Stücke gegen Feuchtigkeit zu schützen. Anderes muss sicher und bruchfest verstaut werden. Das Verhältnis von Luftfeuchtigkeit und Temperatur, hebt Borchard hervor, sei von entscheidender Bedeutung. Er sagt: „In den Kisten haben wir ein eigenes Mikroklima.“ Sollten Textilien aufbewahrt werden, „ist das noch etwas schwieriger“.
Alle Kartons sind fein säuberlich nummeriert
Kiste an Kiste reiht sich in einem anderen Zimmer in den Regalen, wie andere Zeitgenossen sie vielleicht im Keller stehen haben. Alle Kartons sind fein säuberlich nummeriert. Borchard zieht einen hervor, wickelt einen Gegenstand aus feinem Papier: Der Museumsleiter hält in seinen behandschuhten Fingern ein verziertes Gläschen. Gegen das Tageslicht gehalten, springt die aufwendige und auffällige Oberflächengestaltung ins Auge. Das Glas trägt die Inventarnummer 385/1. Riesener macht darauf aufmerksam, dass die Nummer mit einem Kunstharz überstrichen ist. Borchard schätzt: „Es könnte aus den 1930 bis 1950er Jahren stammen.“ Vermutlich aus einem Gladbecker Haushalt.
Sind solche Gaben dem Museumsleiter willkommen? Borchard: „Grundsätzlich ja. Aber wenn uns etwas angeboten wird, nehmen wir es nicht immer an.“ Nach mehreren Kriterien prüfe er erst einmal den Gegenstand. Hat er eine interessante Objektbiografie – sprich: Gibt es eine Geschichte? Riesener hat schon mehrfach „einiges Interessantes gehört“. „Besteht eine Bedeutsamkeit für die Stadtgeschichte? Eine weitere Frage, die Borchard unter die Lupe nimmt: „Haben wir das Stück schon in zigfacher Ausführung?“ Falls ja, entscheidet der Zustand des Gegenstands, ob er in die Sammlung aufgenommen wird. Das Stück dann später gereinigt, inventarisiert und gegebenenfalls verpackt.
Ein Küchenbuffet mit Besteckeinsatz
Es sei denn es handelt sich um ein großes Möbel, wie das Küchenbuffet im nächsten Raum. Die Details kenne er noch von seinen Großeltern, erzählt Borchard. Dieser Schrank habe – wie dieses eingelagerte Exemplar – einen Besteckeinsatz gehabt. Daneben steht eine Stechuhr: „Ein tolles Ding! Das könnte wirklich alt sein, so 1920er/1930er Jahre.“ Mit Kennerblick hat der gelernte Tischler den „Nachbarn“ der Stechuhr taxiert: einen Tisch mit geschwungenen Beinen und einer sorgfältig ausgeführten Intarsienarbeit. „Die Tischplatte ist versiegelt unter Lack“, lobt der Experte die Arbeit, „ein sehr, sehr, sehr gleichmäßiger Auftrag!“ Indes: Gar so alt dürfte dieser Tisch nicht sein: „Vielleicht 50er Jahre . . .“
Borchard öffnet die geschweiften Türen eines Kleiderschranks mit Schnitzereien. Die Regalkanten sind mit zarten Häkelbordüren verziert. Vollkommen schmucklos ist dagegen die Wiege aus Holzleisten und Maschendraht. „Sieht bequem aus“, findet der Museumschef, „Draht von allen Seiten, da ist alles gut belüftet: quasi eine Hightech-Wiege.“ Der Vater eines kleinen Sohnes hat einen Blick für solche Einzelheiten. Aus ästhetischen Gründen findet er dieses Stück nicht so reizvoll. Die Objekt-Geschichte würde ihn als Museumsmenschen hingegen interessieren. Wer wohl einst in dieser Wiege geschaukelt wurde? Wer hat sie dem Museum vermacht?
„Man muss mit einer Sammlung auch arbeiten“
Borchard berichtet: „Manche Leute, die dem Museum etwas geben, haben die Vorstellung, dass es bald in einer Ausstellung zu sehen sein wird.“ Ob es so kommt, hänge allerdings immer von den Konzepten und geplanten Präsentationen ab. „Andere Menschen sind einfach sehr glücklich, dass ihre Dinge bei uns gut aufbewahrt sind“, so der Fachmann. Aber er sagt auch: „Man muss mit einer Sammlung auch arbeiten. Nur aufbewahren, reicht nicht.“ Und vielleicht gibt’s ja bald den Moment, an dem Stechuhr, Buffet und all die anderen Dinge aus ihrem Schattendasein ins Licht der Öffentlichkeit im Museum geholt werden.