Gladbeck. Etliche gefiederte Bewohner der Vogelinsel in Gladbeck sind dort krank und gestört gelandet. Das sind die Schicksale von Papageien und Co.
Die gefiederte Schar, die auf der Vogelinsel Wittringen zuhause ist, ruft nicht nur positives Publikumsinteresse hervor. Seit Wochen wird immer wieder Kritik am Zustand der Tiere laut. Nun kommen einmal diejenigen zu Wort, die diese Vögel unter ihre Fittiche genommen haben – und sagen, welches Schicksal die Schützlinge vor ihrer Ankunft in Gladbeck ereilt hat. Denn etliche aus der Inselbevölkerung mussten Schlimmes durchleben.
Auch interessant
Ein Hinweisschild am Zugang zur Wittringer Vogelinsel bereitet die Gäste seelisch darauf vor, dass es so manchem tierischen Bewohner anzusehen ist: Dem Tier ging’s in der Vergangenheit schlecht. Sei es, dass die Haltung in privater Hand nicht artgerecht gewesen ist; sei es, dass der Vogel krank war. Das hat Spuren hinterlassen, die auch trotz vieler Jahre Pflege und Zuwendung nicht aus der Welt zu schaffen sind – trotz aller Bemühungen, wie Pflegerin Denise Lorenz (54) und ihr Kollege Christian Siedlaczek (55) vom Zentralen Betriebshof Gladbeck (ZBG) berichten.
Der Großteil der Vögel wurde beim Zentralen Betriebshof Gladbeck abgegeben
Sie erzählen, dass mehr als 90 Prozent der Vögel beim ZBG abgegeben worden seien, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Mal können sich die bisherigen Frauchen und Herrchen wegen eigener Erkrankungen nicht mehr um ihren Vogel kümmern, mal macht ein Wohnungswechsel die Haltung unmöglich. Oder der Mensch stirbt vor dem Tier, das „verwaist“ ein neues Zuhause in Wittringen bekommt. Einsam, eingesperrt in einem zu engen Käfig, unterernährt, verletzt – es gibt viele Problemfälle.
„Gerade zur Ferienzeit werden bei uns Vögel abgegeben“, stellt Denise Lorenz fest. Und nicht selten in einem erbarmungswürdigen Gesundheitszustand. Wie Sanny, eine hellrote Ara-Dame. „Sie ist seit drei Jahren bei uns“, informiert Silke Kuckert-Brinkmann, seit Anfang 2020 „Zoodirektorin“. Dieser Vogel erregt bei Gästen tiefes Mitleid. Zittert er ob der Temperaturen? Von Frieren könne keine Rede sein, versichern Lorenz und Siedlaczek. Sanny bebt auch am ganzen Körper, wenn sie – wie jetzt – mit den anderen Vögeln im Warmhaus überwintert. „Es ist beheizt auf 19 Grad, sonst haben wir 21 Grad, aber wir wollen ja wegen der Energiekrisesparen“, erläutert Kuckert-Brinkmann. Und Lorenz beteuert: „Diese Temperatur reicht für Exoten, sie fühlen sich dabei richtig wohl.“
Lesen Sie auch:
- Gastronomie.Poutine & Fisch: Imbiss „Keli’s“ hat in Gladbeck eröffnet
- Energiekrise. Kindertageseltern in Gladbeck sehen ihre Existenz in Gefahr
- Kultur.Museum Gladbeck präsentiert schimmernde Schönheiten
- Kirche.Neuer evangelischer Pfarrer war früher katholischer Priester
- Brauchtum. St. Martin: Werbegemeinschaft Gladbeck sagt Umzug ab
Und welche Krankheit hat Sanny, deren Federkleid im Brustbereich arg schütter ist? Denise Lorenz erklärt: „Sie zittert und wippt aus Nervosität, rupft sich die Federn aus.“ Besonders ausgeprägt ist diese Verhaltensauffälligkeit, wenn viele Menschen den Ara betrachten. Kuckert-Brinkmann weiß: „Sanny wurde alleine gehalten.“ Dabei seien Papageien keine Einzelgänger, sie bräuchten Gesellschaft von Artgenossen. Lorenz ergänzt: „Sie leben in der Natur in Familienverbänden.“ Die Zoodirektorin sagt über Sanny: „Den einzigen Vogel, den sie akzeptiert, ist unser Kakadu Amadeus, der seit 2004 bei uns wohnt. Er ist ein treuer Begleiter und beschützt die Dame.“ Da macht sich bei Siedlaczek ein Anflug von Eifersucht bemerkbar: „Sanny war meine Freundin!“
Auch beim Anblick von zwei Graupapageien blutet Tier-Fans das Herz. Jämmerlich schaut der stellenweise kahle Jakko aus. „Mein Lieblingsvogel“, verrät Lorenz. Seit zehn Jahren lebt er auf der ZBG-Anlage. Die Pflegerin denkt zurück: „Vor acht Jahren sah er noch schlimmer aus als jetzt. Jakkos Hautstruktur ist so zerstört, dass seine Federn leider nicht mehr nachwachsen werden.“
Doch die Gruppe habe den kleinen Kerl gut angenommen, so Kuckert-Brinkmann, er befinde sich bei bester Gesundheit. „Diese Vögel sind unwahrscheinlich sozial“, unterstreicht Siedlaczek eine Eigenschaft, „neue werden sofort eingegliedert.“ Und siehe da: Tatsächlich mischt sich Jakko munter unter seinesgleichen, keck nähert er sich den neugierigen Menschen an der Glasscheibe, legt das Köpfchen schräg. „Er scherzt mit uns“, meint Lorenz mit einem Augenzwinkern.
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++
Das ist beim dunkelroten Ara Chicco ebenfalls unübersehbar. Siedlaczek: „Er versucht, mit uns zu kommunizieren.“ Der Pfleger ist immer wieder fasziniert, dass viele Vögel zwitschern und sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Manche bringen ganze Sätze heraus, die sie bei Menschen aufschnappen, andere sind verblüffende Geräusche-Imitatoren.
Der Wittringer „Zoo“
Die Neuankömmlinge kommen zunächst. Schließlich könnten sie ansteckende Krankheiten einschleppen, so die Fachleute des Zentralen Betriebshofs Gladbeck (ZBG). Ist der Gesundheitszustand geklärt und unbedenklich, können die Tiere in die jeweiligen Gruppen integriert werden.
Derzeit leben die Vögel im Warmhaus. Erst im Frühjahr (Mai), wenn es die Außentemperaturen zulassen, geht’s retour auf die Vogelinsel. Zahlenmäßig am stärksten vertreten ist die Gruppe der Wellensittiche mit mehr als 50 Tieren, gefolgt von Nymphensittichen (gut 40 Exemplare) und Rußköpfchen (30). Zehn Graupapageien gehören ebenso wie jeweils vier Blaustirnamazonen und Gelbbrustaras zum Bestand. Andere Arten gibt es nur einmal in den Wittringer Volieren, zum Beispiel ein Goffin’s Kakadu und ein Hybridara.
Der ZBG hat auch diverse Enten, Gänse, Puten und Hühner sowie einen Pfau in seine Obhut genommen. Hinzu kommen Vierbeiner, die auch heimatlos waren, darunter Schafe und Ziegen.
Ein weiteres ehemaliges Sorgenkind im Graupapageien-Völkchen landete vor vier Jahren beim ZBG. Selbst Unwissende erkennen auf den ersten Blick, dass mit diesem Vogel-Mädchen etwas nicht stimmt, hüpft es doch ausschließlich am Boden. Es macht keine Anstalten, sich empor zu schwingen. Kann es auch gar nicht, wie Kuckert-Brinkmann aufklärt: „Die Graupapagei-Dame wurde mit einem Schlaganfall bei uns abgegeben.“ Zartbesaiteten Naturen können bei dieser Information die Tränen in die Augen schießen. Aber das Team päppelte den Vogel auf. „Er wird regelmäßig beim Tierarzt vorstellig“, so Silke Kuckert-Brinkmann. Tröstend sagt sie: „Der Graupapagei-Dame geht es gut.“
Nach einem Happy End sah es nicht aus, als Gelbbrustara-Dame Rocky beim ZBG abgegeben wurden. „So wie sie jetzt aussieht“, hebt Kuckert-Brinkmann hervor. Seit einem Jahrzehnt ist die Vogelinsel Rockys Zuhause: „Diese Ara-Dame ist ein spezieller Fall. Es hieß, sie sei in eine Dornenhecke geflogen.“ Das ZBG-Team wisse, dass Rocky nach einem Unfall angefangen habe, sich die Federn auszureißen. Diese Verhaltensstörung habe sie nie aufgegeben.
Auch interessant
Doch das geflügelte Wort „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ scheint auch in der Tierwelt zuzutreffen, denn: Trotz ihres ramponierten Gefieders „hat sie hier bei uns einen festen Partner namens Theo gefunden“. Und Rocky wurde im Jahre 2019 sogar Mutter – von Kuniberta. Kuckert-Brinkmann stellt klar: „Die Gelbbrustara-Dame wird regelmäßig tierärztlich untersucht und besonders fürsorglich von uns behandelt.“ Eine liebevolle, kompetente Betreuung hatte auch das Veterinäramt dem ZBG-Team attestiert.