Gladbeck. Der E-Scooter-Anbieter Lime zieht sich Ende Januar aus Gladbeck zurück – nach nur fünf Monaten. Was die Firma der Stadt Gladbeck vorwirft.

Ein knappes halbes Jahr nach dem Start gibt der Scooter-Anbieter „Lime“ in Gladbeck auf: Zum 1. Februar sammelt das Unternehmen seine 300 Elektro-Roller wieder ein und verlässt die Stadt. Das gab Stadtbaurat Volker Kreuzer am Rande der Planungsausschusssitzung am Donnerstagabend bekannt.

Erst am Mittwoch war die Stadtverwaltung von dem überraschenden Schritt des Anbieters informiert worden, so Kreuzer auf WAZ-Nachfrage. Grund für den Rückzug seien offenbar, so der Baurat, auch die städtischen Gebühren, die die Stadt von Lime für die gewerbliche Benutzung des städtischen Straßennetzes verlangt. Sie waren im Vorfeld der Zustimmung der Stadt, dass Scooter-Anbieter in Gladbeck – als Test für ein Jahr – aktiv werden konnten, von den Grünen beantragt und vom Rat beschlossen worden.

Erst zum 1. September hatte Lime das Angebot in Gladbeck freigeschaltet

Auffällig, so Kreuzer, sei ein zeitlicher Zusammenhang mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts in Köln, das die Zulässigkeit von Sondernutzungsgebühren für E-Scooter, wie sie Gladbeck erhebt, bestätigt hat. Lime habe dort geklagt.

Hier war die Welt noch in Ordnung: Zum Start Ende August präsentierten Nikita Gomeniza von Lime, Verkehrsplanerin Kathrin Webers, Stadtbaurat Volker Kreuzer, Bürgermeisterin Bettina Weist und Rania Bouaouina von Lime (v.l.) die E-Scooter vor dem Rathaus.
Hier war die Welt noch in Ordnung: Zum Start Ende August präsentierten Nikita Gomeniza von Lime, Verkehrsplanerin Kathrin Webers, Stadtbaurat Volker Kreuzer, Bürgermeisterin Bettina Weist und Rania Bouaouina von Lime (v.l.) die E-Scooter vor dem Rathaus. © Stadt Gladbeck

Lime startete sein E-Scooter-Angebot am 1. September 2022 in Gladbeck – in Kenntnis der Gebührenerhebung. Die Wirtschaftlichkeit sei dennoch gegeben, hieß es damals. In der Politik war das Angebot eher auf Skepsis denn auf Begeisterung gestoßen. Befürworter war vor allem die Verwaltung gewesen, die den E-Scooter als einen von mehreren Bausteinen zur Verkehrswende sah – „für die letzte Meile“, wie sie damals argumentierte.

Angebot in Gladbeck lässt sich nicht länger wirtschaftlich betreiben

Gestartet war Lime mit vielen Vorschusslorbeeren und im Beisein von Bürgermeisterin Bettina Weist, aber auch – zusätzlich zu der Gebühr – mit einigen Auflagen: Um Beeinträchtigungen insbesondere für Fußgängerinnen und Fußgänger zu vermeiden, dürfen die E-Scooter nicht in sensiblen Bereichen, z.B. in der Fußgängerzone oder in Grünanlagen, abgestellt werden. Dennoch fielen sie oft gerade dort Passanten auf. Vorgeschrieben ist das Fahren auf Radwegen oder der Fahrbahn – trotz eines Tabus sind sie aber auch auf Gehwegen unterwegs. Außerdem wurde eine Reihe von Unfällen mit E-Scootern gezählt.

Auf Nachfrage der Redaktion bestätigt Lime, ein weltweit tätiger E-Scooter-Anbieter, den Rückzug und erklärt auch, dass es unter den gegebenen Umständen nicht mehr möglich sei, das Angebot in Gladbeck wirtschaftlich zu betreiben. Zum einen sei auch Lime von den allgegenwärtigen Kostensteigerungen betroffen, zum anderen seien es tatsächlich „die hohen Gebühren“, die für den Rückzug ausschlaggebend seien.

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Angaben zu Nutzern und zurückgelegten Kilometern macht das Unternehmen nicht

Laut eigener Auskunft sei das Angebot in Gladbeck „sehr gut“ angenommen worden. „Dennoch lässt sich für Lime aufgrund der Sondernutzungsgebühren von 50 Euro jährlich pro E-Scooter ein wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltiger Betrieb in der Stadt nicht mehr länger gewährleisten“, heißt es. Unterm Strich müsste Lime für die 300 Scooter im Jahr rund 15.000 Euro an die Stadt zahlen. Angaben zu Nutzerzahlen oder zurückgelegten Kilometern machte Lime auf Nachfrage nicht. Diese „wettbewerbsrelevanten Daten“ teile man nur mit der jeweiligen Stadt.

Die Jahresgebühr pro Scooter sei in Gladbeck so hoch wie in Düsseldorf. Letztlich sei das „unverhältnismäßig“, sagt Anna Montasser, die bei Lime die Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland verantwortet. Sie zieht den Vergleich zu den Anwohnerparkgebühren in Gladbeck. Die lägen bei 75 Euro pro Jahr. Ein Auto beanspruche aber den Platz von 15 E-Scootern. „Da sehe ich die Unverhältnismäßigkeit.“ Hinzu kamen die schon erwähnten Nebenabsprachen zu Sperrzonen oder ähnliche Einschränkungen. Auch die verursachten zusätzliche Kosten für die Anbieter.

Städte im Ruhrgebiet gehen unterschiedlich vor bei der Gebührenfrage

Lime hat, wie andere Anbieter auch, beim Verwaltungsgericht Köln gegen Sondernutzungsgebühren geklagt. Dabei sperre man sich gar nicht grundsätzlich dagegen, sagt Montasser. Man appelliere jedoch an die Städte, damit maßvoll umzugehen. Tatsächlich gehen die Städte da auch nicht einheitlich vor: Witten etwa hat im Sommer erst entschieden, die ursprünglich vorgesehenen Gebühren für zwei Jahre auszusetzen, nachdem sich andeutete, dass die Unternehmen ihre Scooter zurückziehen könnten. Essen geht den umgekehrten Weg. Nachdem das Kölner Urteil Gebühren für rechtmäßig erklärt hat, will die Nachbarstadt nun auch kassieren. Ein erster Anbieter hat schon vorher Konsequenzen gezogen: Bird zieht sich mit seiner E-Scooter-Flotte aus Deutschland zurück.

Seitens Lime heißt es jedoch, dass man den Gesprächskontakt zur Stadt nicht abreißen lassen möchte, sich unter geänderten Rahmenbedingungen eine Rückkehr vorstellen könne. Letztlich müsse man gemeinsam eruieren, welche Gebühr sinnvoll, was tragbar sei, damit diese Form der Mikromobilität eine Chance habe und einen Beitrag zur Verkehrswende leisten könne – das gelte nicht nur für Gladbeck. Die hiesigen Nutzer wird Lime noch über die Einstellung des Services informieren, dann werden die Scooter in der Stadt sukzessive eingesammelt, das könne einige Tage dauern, heißt es.