Gladbeck. Die Energiekrise stellt Verwaltung, Bürger und Unternehmen vor eine riesige Herausforderung. In dieser Lage ist solidarisches Handeln gefragt.

Von Gemeinsamkeit ist in dieser Sitzung des Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschusses immer wieder die Rede, von Solidarität und von Zusammenrücken. Das soll für den Otto-Normal-Verbraucher ebenso gelten wie für die Stadtverwaltung Gladbeck und Unternehmen. Denn die Herausforderung, vor der allesamt stehen, ist riesig. Die Energiekrise, noch schlimmer Versorgungsmangellage, treibt die Menschen um. Nicht nur Bürgermeisterin Bettina Weist beschwört es: Das Problem muss in Gemeinsamkeit angegangen werden.

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Ein Sonderkrisenstab „Energie“ mit Jürgen Harks, Leiter der Abteilung Umwelt im Rathaus, an der Spitze hat bereits ein dickes Maßnahmenpaket geschnürt – und es ändert sich wöchentlich, weil „immer noch etwas hinzukommt“, bekräftigt der Experte. Das dürfte auch notwendig sein, da die Aussichten mit Blick auf die kalte Jahreszeit Fachleute erschaudern lassen. Harks legt dar: „In den ersten Monaten haben wir in Vergleich zu 2021 gespart, aber das liegt an den Temperaturen. Für die kalten Monate ist ein Verbrauchsanstieg zu erwarten.“

Die Devise lautet: „Gladbeck dreht runter. Für Klima, Wirtschaft und uns alle“

Der Abteilungsleiter erläutert den Hintergrund der Misere: „In Deutschland wurden zuvor rund 94 Prozent Erdgas importiert, davon handelte es sich bei 55 Prozent um russisches Erdgas.“ Mit „zuvor“ ist die Zeit vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs gemeint. „Strom, Gas, Fernwärme sind betroffen. Es kommt zu einer Verschiebung: Die Gasmangellage wird zur Energiekrise“, sagt Harks mit Nachdruck. Die besagten 55 Prozent aus Russland müssten anderweitig ersetzt werden.

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Harks führt als Lösungswege unter anderem neue Terminals in der Nordsee, Importe aus Belgien, Norwegen und den Niederlanden und die Reduzierung von Exporten durch „europäische Solidarität“ an. Da ist es wieder, das Wort „Solidarität“. Bürgermeisterin Weist fragt: „Wie können wir als Stadt sparen? Wie können wir als Bürgerschaft sparen und dadurch ungeschützte Unternehmen unterstützen?“ Die Verwaltungschefin ruft zu einer Kampagne „Gemeinsames Energiesparen“ auf. „Gladbeck dreht runter. Für Klima, Wirtschaft und uns alle“ lautet die Devise. Die Bürgerschaft soll sensibilisiert, energiebewusstes Verhalten gefördert werden. Erklärtes Ziel: 20 Prozent Energie einzusparen – dazu können und sollen alle etwas beitragen.

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„Die Broschüre für clevere Energiesparer:innen“ mit 23 Hinweisen will informieren, wie es funktioniert. Anfragen aus der Bevölkerung, so Harks, „liegen uns schon vor“. Für Hausmeister und städtisches Personal sind Schulungen vorgesehen; Veranstaltungen wie am 20. September „Energiesparen im Privathaushalt“ bei der Volkshochschule (18.30 Uhr) vermitteln wertvolle Tipps. Ein „Wärmesparbeutel“ soll gefüllt werden mit Hilfsmitteln, zum Beispiel könnten ein Sparduschkopf, ein Heizungsschlüssel und eine Thermocard in dem Gratis-Säckchen stecken. Es soll ab Oktober über eine „sozialgerechte Verteilung an Zielgruppen und Multiplikatoren“ gehen, darunter an arme Menschen, Familien und die ältere Generation.

Jürgen Harks, Leiter der städtischen Umweltabteilung in Gladbeck, stellte im Haupt-, Finanz- und Digitalisierung ein Maßnahmenpaket vor, das der Energiekrise entgegenwirken soll.
Jürgen Harks, Leiter der städtischen Umweltabteilung in Gladbeck, stellte im Haupt-, Finanz- und Digitalisierung ein Maßnahmenpaket vor, das der Energiekrise entgegenwirken soll. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Einige Energiespar-Maßnahmen der Stadtverwaltung stechen der Bevölkerung jetzt schon ins Auge, obwohl sie im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln liegen. So bleiben bis vor kurzem beleuchtete Gebäude dunkel, darunter das Alte Rathaus und Haus Wittringen. Ebenfalls umgesetzt sind vom Gesetzgeber angeordnete Senkungen der Raumtemperaturen: in Büros auf 19 Grad, in Sport- und Turnhallen auf 17 Grad, auf Fluren und Treppen gelten maximal 15 Grad. Auf der Liste für städtische Immobilien steht ferner der „hydraulische Abgleich an Heizungen, um dort effizientes Heizen aufzubauen“.

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„Wir als geschützte Kunden müssen die Industrie unterstützen“, appellieren Weist und Harks. Denn Unternehmen könnte im äußersten Ernstfall der Hahn abgedreht werden. Daher arbeiten diese mit Kommunen und etlichen anderen Partnern eng zusammen, schildert Manfred Ackermann. Er ist seit Juli neben Bernd-Josef Brunsbach ELE-Geschäftsführer. Wie Harks führt Ackermann den Ausschuss-Mitgliedern anhand steil aufstrebender Kurven die Preisexplosionen vor Augen: „Die gestiegenen Beschaffungskosten werden sich auswirken.“

ELE-Geschäftsführer Manfred Ackermann will auf den allerschlimmsten Fall, die Abschaltung der Energiezufuhr, vorbereitet sein.
ELE-Geschäftsführer Manfred Ackermann will auf den allerschlimmsten Fall, die Abschaltung der Energiezufuhr, vorbereitet sein. © ELE

Die Vorsorge der ELE fußt auf zwei Bereichen. Einerseits fördere das Unternehmen Energiesparen: Schornsteinfeger erhalten ebenso Unterstützung wie Interessenten bei Terminabsprachen. Informationsbedarf zur Neuanschaffung von Elektrogeräten sowie bei Sanierungsfragen soll gleichfalls gedeckt werden. Andererseits wolle ein großes Netzwerk der drohenden Energiearmut begegnen, mit dabei sind neben der ELE die IHK, Verbraucherzentrale, Caritas und der Seniorenbeirat, um nur einige zu nennen.

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Harks gibt den aktuellen Füllstand der deutschen Gasspeicher – „die viertgrößten weltweit“ – mit 87 Prozent an. Trotzdem haben Fachleute wie Ackermann den allerschlimmsten Fall im Hinterkopf und wollen für solch eine Situation gerüstet sein. Ein Notfallplan werde entwickelt. „Die nichtgeschützten Unternehmen sind untereinander vernetzt. Es soll, wenn es soweit kommt, eine diskriminierungsfreie Abschaltung geben. Ganz wichtig ist die Solidarität untereinander. Wir haben ein Preisproblem, das zu einem Mangelproblem wird.“ Ackermann „drückt die Daumen, dass der Winter nicht zu knackig wird“.

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Marco Gräber (AfD) will wissen, welche Speicher-Füllmenge relevant für eine Abschaltung sei. Harks’ Antwort: „Die Gesetzgebung ist bisher nicht auf eine Gasmangellage ausgerichtet. Für den Fall gibt es keine Definition, aber deswegen die Vorschriften, damit es nicht dazu kommt.“

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