Duisburg. OB Sören Link kündigt im Interview Korrekturen beim Nahverkehr an. Weitere Themen: Hassmails und „massenhafter Missbrauch von Sozialleistungen“.
„Duisburg hat die Abstiegsplätze der deutschen Großstädten verlassen“, sagt Oberbürgermeister Sören Link (SPD) mit Blick auf Entscheidungen im Jahr 2019, „von denen ich überzeugt bin, dass sie unsere Stadt voranbringen“. Bei anstehenden Mammutprojekten wie „6 Seen Wedau“ und „Am Alten Güterbahnhof“ bestimmt nun die Stadt, wo’s lang geht, oft aber ist Duisburg abhängig von Bundes- und Landesebene. Sören Link erneuert im großen Interview zum Jahreswechsel seine Kritik daran, dass der Bund das hoch verschuldete Duisburg etwa mit der „Einwanderung in Sozialsysteme“ allein lasse und den Kommunen die Kosten für in Berlin beschlossene Sozialleistungen aufbürde. Beim Altschuldenschnitt drängt der Oberbürgermeister NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zum Handeln.
Sören Link: „Da verroht Sprache und im nächsten Schritt der Umgang“
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Ein Fünftel der Bürgermeister wird laut Städtetag schriftlich bedroht. Sie auch?
Auch ich bekomme ab und zu Hassmails und Bedrohungen. Das besorgt auch mich.
Wie gehen Sie damit um?
Wie ich es meinen Mitarbeitern ans Herz lege – sofort anzeigen, um zu zeigen: Der Rechtsstaat akzeptiert so etwas nicht. Ich wünsche mir sehr, dass wir zu einem gesellschaftlichen Konsens zurückkommen, dass so ein verbales Verhalten in angeblich sozialen Medien nicht akzeptiert oder gutgeheißen wird. Das betrifft nicht nur Bürgermeister und Politiker, auch Vereinsvorsitzende zum Beispiel. Gucken Sie sich die Diskussionen bei Facebook an. Da verroht Sprache, und im nächsten Schritt verroht Umgang.
Was waren 2019 die drei wichtigsten Entscheidungen für Duisburg – unabhängig davon, wer entschieden hat?
Wir haben viele Entscheidungen getroffen, von denen ich überzeugt bin, dass sie unsere Stadt langfristig voranbringen. Ganz wichtig ist das Signal, das wir mit der Neubesetzung der 117 Stellen in der städtischen Verwaltung gesendet haben. Denn auch mit Hilfe dieser Neueinstellungen wollen wir den Bürgern den Service anbieten, den wir alle von einer modernen Verwaltung erwarten. Diese personelle Trendwende ist nur möglich, weil es uns erneut gelungen ist, einen ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden. Begeistert bin ich von den wichtigen Stadtentwicklungsprojekten, zum Beispiel „Mercator One“. Dass wir neben dem fertiggestellten Portsmouthplatz am Hauptbahnhof 2020 auch das Umfeld rund um den Ostausgang in Angriff nehmen, ist ebenfalls wichtig. Sehr gelungen ist auch der Start unserer Wort-Bild-Marke „Duisburg ist echt“. Wir werden 2020 mit Nachdruck daran arbeiten, dass unsere Stadt besser wahrgenommen wird. Duisburg ist echt besser als sein Ruf.
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Was ist 2019 schlecht für Duisburg gelaufen? Was hätte besser klappen können?
Wir haben in Duisburg eine Tendenz, uns selbst zu negativ zu sehen. Deswegen: 2019 war grundsätzlich ein gutes Jahr. Auch wenn es natürlich immer noch besser geht.
„Was der Bund der Steuerzahler sagt, ist für mich nicht entscheidend“
2,5 Mio. Euro Hilfe für einen Kredit der Stadionprojektgesellschaft; zwei Millionen Betriebskostenzuschuss wegen des Dachschadens; eine Million extra, weil der MSV die Miete nicht zahlen kann – alles 2019. Kann sich die Stadt den MSV noch leisten?
Wir haben uns bewusst für die Stadionprojektgesellschaft und somit für den Erhalt der Immobilie entschieden – diese Entscheidung finde ich notwendig. Hier geht es um städtisches Vermögen und um die Frage, was kann auf einer Fläche im Sportpark Duisburg anderes entstehen als ein Stadion, wo Sportveranstaltungen durchgeführt werden. Kann die Stadt sich also ein Stadion leisten, sollte sie sich eines leisten? Ja, natürlich! Und das sollte auch in einem repräsentativen Zustand sein. Es ist aber nicht in erster Linie Aufgabe einer Stadt, Profifußball zu finanzieren – aber darum geht es bei dieser Entscheidung nicht.
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Kritiker wie der Bund der Steuerzahler finden, es gebe für eine Stadt wie Duisburg Wichtigeres als das Prestigeobjekt „The Curve“, das den Steuerzahler in Duisburg und NRW seit 2008 viele Millionen Euro gekostet hat, ohne dass dort ein Gebäude entstanden wäre.
Was der Bund der Steuerzahler findet, ist für mich nicht entscheidend. Mir geht es darum, für die Stadt das Richtige zu tun. Und bei „The Curve“ glaube ich nach wie vor, dass die mehrfach vom Rat getroffene Entscheidung, Schwierigkeiten bei dem Projekt zu überwinden, richtig ist. Es ist für Duisburg nach wie elementar wichtig.
Wie stehen die Chancen, dass „The Curve“ von „Die Developer“ umgesetzt wird? Der Rat hatte sie Ende November mit den Verhandlungen beauftragt.
Gerade verhandeln wir sehr intensiv mit dem Investor und konnten bereits viele Diskussionspunkte lösen. Allerdings sind auch noch einige Fragen zu klären. Ich denke, es wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob das klappt oder nicht. Ich bin ganz zuversichtlich. Sollte es am Ende nicht zu vertretbaren Konditionen gehen, werde ich es dem Rat berichten.
Dann bliebe das Loch im Innenhafen mit der nicht zu betretenden Treppe.
Dafür ist es noch zu früh, aber in diesem Fall würde ich dem Rat etwas vorlegen, aus dem sich eine andere Nutzung ergibt. Dann würde es halt etwas länger dauern. Erstmal richte ich jetzt mein Streben darauf, wie es der Rat gewollt hat, „The Curve“ sinnvoll zu realisieren.
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Die Stadt hilft der Gebag mit Zuschüssen, ihre Eigenkapitalquote zu erhöhen. Ende 2018 hatte die Stadttochter fast 408 Millionen Euro Verbindlichkeiten. „6 Seen Wedau“ wird nochmal schätzungsweise 100 Millionen Euro kosten. Müssen sich die Duisburger sorgen, dass die Gebag wie durch das Küppersmühlen-Dessaster in finanzielle Schieflage gerät?
Nein. Bevor ich die Frage beantworte, gestatten Sie mir einen Hinweis: Die Diskussion um die schwarze Null im Bund wird im Moment so geführt, als wenn etwas wirtschaftlich Unsinniges gewollt wird. Ich bin sehr dafür, dass der Staat nicht mehr Geld ausgibt als einnimmt. Für laufende konsumtive Ausgaben macht immer weitere Verschuldung keinen Sinn. Aber Investitionen in Infrastruktur, Breitbandausbau, Straßen, Brücken, ÖPNV machen sehr wohl Sinn: Dafür kriege ich einen Gegenwert. Ich hab in den nächsten Jahrzehnten was davon. Da macht es überhaupt keinen Sinn, in einer Zeit, in der es Geld ohne Zinsen gibt, dafür keine Kredite aufzunehmen. Die Investitionen, die ich jetzt nicht tätige, schmälern meine Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten Jahren. Deshalb kann ich den Standpunkt von CDU und CSU nicht nachvollziehen. Ich unterstütze den Kurs von Norbert Walter-Borjans zu 100 Prozent: Gerade jetzt macht es Sinn, Geld in die Hand zu nehmen und zu investieren für ein wirtschaftlich wettbewerbsfähiges Deutschland in den nächsten Jahrzehnten.
Für Duisburg und Ihre Frage heißt das: Die Bürger brauchen keine Sorge haben, dass wir die Gebag ins Risiko gehen lassen. Denn wir bekommen für das Geld Grundstücke und damit eine werthaltige Entwicklung für Duisburg für die nächsten Jahre. Ich bin froh, dass wir endlich die Chance hatten, Grundstücke wie „6 Seen Wedau“ oder die Duisburger Freiheit zu kaufen, weil wir so selber mit den Bürgerinnen und Bürgern entscheiden können, was wir dort wollen, was für Duisburg das Beste ist.
Steuerzahler gewinnen: „Junge, finanzkräftige Familien sind ins Umland gezogen“
Alteingesessene und Familien kritisieren, dass im Süden nicht für Duisburger gebaut werde, sondern für Auswärtige – vor allem für Düsseldorfer –, und dass sie sich die Preise nicht leisten können. Was sagen sie denen?
Im Neubaugebiet an der Lüderitzallee in Buchholz ist etwa die Hälfte der Käufer Duisburger, die andere kommt aus allen Teilen Nordrhein-Westfalens, Deutschlands. Das zeigt den hohen Bedarf an hochwertigen Immobilien innerhalb der Stadt und dass wir für viele von außerhalb ein attraktiver Wohnstandort sind. Genau diese Klientel ist in den letzten Jahrzehnten in Duisburg weggebrochen: Junge, finanzkräftige Familien sind ins Umland weggezogen.
Das hat dazu geführt, dass wir über Jahrzehnte ein Ungleichgewicht im Finanzhaushalt hatten, weil die Leute, die viele Steuern zahlen, nicht mehr da waren, aber Duisburg gleichzeitig immer noch einen großen Anteil an Soziallasten hat. Der ist so groß wie in Düsseldorf, aber Düsseldorf hat durch die viel höheren Steuereinnahmen letztlich kein Problem mit den Soziallasten. Bei uns übersteigen die Soziallasten immer noch die Einnahmen.
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Ihr Tipp für Familien, die hier keine Wohnung oder ein Haus finden?
Ich kann verstehen, dass Anwohner in Bissingheim, Wedau oder am Angerboden das anders als ich sehen. Der Rat und ich haben aber Verantwortung für die gesamte Stadt. Und wir schaffen nicht nur Wohnquartiere im Süden oder in der Innenstadt. Für das Barbaraquartier in Neumühl haben wir gerade einen Förderbescheid über 20 Millionen Euro vom Land bekommen, um dort hochwertigen und sozial geförderten Wohnraum zu bauen – übrigens privat finanziert. Im Westen haben wir beispielsweise Zeche Fritz und das Seequartier an der Halener Straße.
Wie können Alteingesessene neue Nachbarn aus Düsseldorf „integrieren“?
Link (lacht): Wir Duisburger sind ein Völkchen, das neu Zugezogene sehr schnell einbezieht. Ich glaube, das wird sich vor Ort ganz anders darstellen, als einige im Moment vielleicht denken. Nachbarschaften werden sich finden.
Können Sie sich vorstellen, in einen Stadtteil wie „6 Seen Wedau“ zu ziehen?
Ja, absolut. Man hat sämtliche Vorteile der Lage, die Duisburg bietet, in einem Quartier. Man hat perspektivisch eine hervorragende ÖPNV-Anbindung – Duisburg–Ratingen–Düsseldorf –, man wohnt direkt neben einem Wald, an einem See, man hat eine Autobahn vor der Tür. Noch viel besser kann man gar nicht wohnen, und das Wohnquartier wird modernsten Standards entsprechen und auch ökologisch hochinteressant. Das könnte etwas sein, wo sich viele Leute um eine Wohnung, ein Haus, eine Doppelhaushälfte reißen. Selbstverständlich wäre das auch was für mich.
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In den nächsten Monaten stehen Workshops mit Bürgern zum Gelände am Alten Güterbahnhof an. Sehr sicher ist, dass es dort wie in Fosters Plan Büros, Wohnungen und Grünflächen geben wird. Wie groß sind die Möglichkeiten für Bürger, noch Ideen einzubringen, die eine Chance haben?
Foster ist nicht die Bibel, aber eine gute Grundlage. Wenn dort grundsätzlich andere Modelle diskutiert werden, schaue ich sie mehr gerne an. Aber ich kann sie im Moment nicht erkennen. Die große Aufteilung Gewerbe/Büro auf der einen, Wohnen/Grün/Gastronomie und Urbanität auf der anderen erscheint mir sehr praktikabel – aber es lohnt sich, mit den Bürgern darüber zu sprechen, wie so etwas gestaltet werden kann, wie die Funktionalität der Fläche gesteigert werden kann.
Haben Sie ein Beispiel?
2027 haben wir die Internationale Gartenausstellung in Hochfeld am Rhein, wir haben „6 Seen Wedau“ mit Wedau-Nord. Beide Bereiche kann man über das Güterbahnhofsgelände erreichen. Wie wollen wir Hochfeld, Wedau und den Sportpark mit dem Güterbahnhof verbinden? Wie gestalten wir diese Verbindung, zum Beispiel über Fahrrad- oder Fußgängerwege?
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Link zum Nahverkehrsplan: „Da werden wir nachsteuern“
Wie wahrscheinlich ist die Reaktivierung der Weststrecke?
„6-Seen-Wedau“ ist ein ganz wichtiger Impuls für die Reaktivierung der Ratinger Weststrecke. Wir werden etwa 3000 Wohneinheiten schaffen. Das hat sehr positive Auswirkungen auf die Rentabilität der Strecke. Das hat auch die Machbarkeitsstudie gezeigt. Das nächste Ziel ist nun, dass die Strecke in den ÖPNV-Bedarfsplan des Landes aufgenommen wird.
Seit dem 27. Oktober gilt der neue Fahrplan der DVG. Basis ist der vom Rat am 3. Juli 2017 verabschiedete dritte Nahverkehrsplan. In unserer Redaktion beschweren sich täglich DVG-Kunden über Nachteile für sie. Sind aus Ihrer Sicht gar keine Fehler gemacht worden?
Ich hatte vor ein paar Tagen eine RVR-Sitzung mit vielen Kommunalpolitikern aus dem ganzen Ruhrgebiet, die alle ungefähr jetzt ihren Nahverkehrsplan umstellen. Die Reaktionen sind überall die gleichen. Wenn man so ein großes Werk umstellt, sind Tausende betroffen. Da kriegt man in der Regel von den Vielen, für die sich etwas zum Positiven ändert, kein Lob. Die melden sich selten. Aber von denen, die negativ betroffen sind, kriegt man natürlich eine Menge Kritik.
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Werden Stadt und DVG nachsteuern?
SPD und CDU haben schon frühzeitig deutlich gemacht, dass sie die Kritik ernst nehmen, sichten und nachsteuern wollen. Aber erst, wenn sich der neue Nahverkehrsplan in der Praxis bewährt hat. Wir fahren als DVG eine Million Kilometer mehr als vorher. Das ist nicht wenig. Da verbessert sich an vielen Stellen was, und da wo sich was verschlechtert hat, und das auch in der Praxis sichtbar wird, da werden wir nachsteuern. Das werden wir im ersten Quartal 2020 diskutieren.
Am Ende gilt aber auch für den Nahverkehrsplan: Er muss so gut wie möglich, aber auch finanzierbar sein. Der Nahverkehr in Duisburg kostet eine Menge Geld. Und wenn man mehr bessere Takte und mehr Linien haben will, muss die auch jemand finanzieren. Darum setze ich darauf, dass Bund und Land, wenn sie die Klimaversprechen ernst meinen, massiv in den Ausbau des ÖPNV investieren, zum Beispiel in Duisburg. Denn besser kann man kein CO2 vermeiden als über den ÖPNV.
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Haben Sie sich bei der Bundesregierung schon um Fördermittel aus dem Klimapaket für Modellprojekte beworben?
Wir zählen ja zum Glück nicht zu den Städten, die bei der Klagewelle der Umwelthilfe betroffen waren, weil wir die Grenzwerte für Stickstoff-Dioxid nicht überschritten haben. Auch das darf man mal sagen. Ich freue mich darüber sehr, weil wir ja schon seit einigen Jahren was gemacht haben: Wir haben hier jede Menge Frischluftschneisen, jede Menge Waldgebiete und vor Ort einiges getan, damit die Situation der Bürgerinnen und Bürger besser wird. Die Industrieanlagen in Duisburg sind auf dem modernsten Stand der Technik. Insofern kommt das nicht so überraschend. Gleichwohl: Ich brauche nicht nur ein billigeres ÖPNV-Ticket, ich brauche vor allen Dingen Geld für die Infrastruktur, für bessere Takte, mehr Busse, mehr Bahnen, mehr Linien – dafür hätte ich gerne mehr Geld vom Bund.
Altschulden: „Ich erwarte, dass Ministerpräsident Laschet einen Beitrag leistet“
Apropos Bund: Die Altschuldenfrage ist immer noch nicht geklärt.
Finanzminister Olaf Scholz hat für den Bund den Vorschlag gemacht, er übernimmt die Hälfte aller kommunalen Altschulden, dass dann aber nachvollziehbarere Weise die betroffenen Bundesländer die andere Hälfte sicherstellen müssen. Armin Laschet kündigt offensichtlich gerne viel an, aber ich erwarte schon, dass er liefert und jetzt seinen Beitrag für eine Altschuldenregelung für Städte wie Duisburg auf den Tisch legt. Wir sind unverschuldet da reingeraten, und ich erwarte, dass die, die uns da haben reinlaufen lassen – nämlich Bund und Land –, dass die nun einen Vorschlag auf den Tisch legen, gerne unter Beteiligung der Stadt Duisburg.
Ich wünsche mir aber, dass wir nicht nur über eine Altschulden-Regelung reden, sondern auch darüber, wie wir dafür sorgen, dass keine neuen Schulden mehr entstehen. Denn das Grundproblem in Duisburg ist, dass uns von anderen Sozialleistungen gesetzlich auferlegt werden, die wichtig sind – aber die alle nicht finanziert sind. Nehmen Sie das Beispiel KdU, die Kosten der Unterkunft und Heizung (für Empfänger von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, d. Red.). Die Kosten trägt die Kommune. Nehmen Sie das Beispiel Asylleistungen: Da zahlt die Stadt Duisburg im letzten Jahr 30 Millionen Euro von eigenem Geld. Diese Beispiele gibt es zuhauf.
Wie sollte der Altschuldenabbau nun forciert und organisiert werden?
Der Bundesfinanzminister hat geliefert. Der Landesfinanzminister oder Ministerpräsident muss jetzt liefern. Idealerweise ruft der Bund die Länder und einzelne Kommunen zusammen, zum Beispiel über den Städtetag organisiert. Dort wird ein Pakt ausgehandelt, der Bund, Länder und Kommunen zu einem Beitrag verpflichtet. Und dann ist es am einfachsten, dass jeder zahlt, was er bestellt.
Die Zinsen sind historisch niedrig, die Wirtschaft war 2019 noch stark, trotzdem hat Düsseldorf nicht „geliefert“.
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Wenn wir es in der jetzigen Situation nicht lösen, versündigen wir uns an der Zukunft. Wenn die Zinsen steigen, die Konjunktur einbricht, wenn wieder von allen Seiten an Bundes- und Landeshaushalten gezerrt wird, ist die Möglichkeit weg, das Zeitfenster geschlossen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Ich erwarte, dass Ministerpräsident Laschet nicht nur Ruhrkonferenzen abhält und Dinge ankündigt, sondern einen Beitrag leistet, dass es hier voran geht. Er wäre gut beraten, nun endlich mit einem Vorschlag um die Ecke zu kommen.
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Personalagentur sucht Krützberg-Nachfolger – Dezernatsneuordnung „nach der Wahl“
Eine Arbeitsgruppe im Rathaus beschäftigt sich mit dem Neubau eines Verwaltungsgebäudes für bis zu 2000 Mitarbeiter. In der Innenstadt gibt es mehrere freie Flächen.
Der Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes wird derzeit in einer städtischen Projektgruppe diskutiert. Wenn wir ein entsprechendes Ergebnis haben, werden wir dieses dem Rat zur Entscheidung vorlegen.
Warum ist Ihnen der Neubau trotz der Haushaltslage wichtig?
Es ist schon jetzt klar, dass er gleich mehrfach Sinn macht. Erstens: Wir sparen Betriebs- und Mietkosten, die derzeit für eine Vielzahl von angemieteten Objekten anfallen. Zweitens: Wird das Gebäude in zentraler innerstädtischer Lage gebaut, profitieren die Bürger von kurzen Wegen und von moderner Infrastruktur, mit der wir Dienstleistungen viel besser anbieten könnten. Drittens: Wir würden neueste ökologische Standards nicht nur einhalten, sondern sogar Vorreiter sein – zudem mit optimalen Arbeitsabläufen und dem neuesten Stand der Technik die Zukunftsfähigkeit Duisburgs demonstrieren. Stichwort: Smart City.
Arbeitet Herr Krützbergs Nachfolger als Beigeordneter schon in Ihrer Verwaltung?
Wir haben ein offenes Verfahren beschlossen. Wir haben eine Personalagentur beauftragt, Nachfolgerinnen und Nachfolger vorzuschlagen. Jeder, der sich berufen fühlt, kann sich bewerben. Dann werden wir hoffentlich im Januar Auswahlgespräche führen können.
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Sie beauftragen „Headhunter“?
Personalberater. Davon haben wir immer mal wieder Gebrauch gemacht, wenn es um sehr spezielle Aufgaben ging. Da macht es Sinn, Kandidaten auch gezielt auf Duisburg ansprechen zu lassen. Damit haben wir ganz gute Erfahrungen gemacht. Ich hoffe, dass wir auch diesmal einen Experten vorschlagen können.
Sie haben in der Ratssitzung gesagt, über den Zuschnitt des Krützberg-Dezernats für Familie, Bildung und Kultur, Arbeit und Soziales könne noch beraten werden. Die Wohlfahrtsverbände fordern, die Kultur rauszunehmen. Wann möchten Sie die Zuständigkeiten der Dezernate neu regeln?
Dass so ein Riesendezernat auf Dauer eine Belastung ist, durch die der Einzelne an seine Grenze stößt, ist unstrittig. Nach der Kommunalwahl sollte man in Ruhe die Aufgaben unter den Dezernaten neu und gerecht verteilen.
Das klingt nach grundsätzlichen Änderungen.
Die Strukturen sind vor Jahren geschaffen worden. Aufgaben ändern sich, Personal ändert sich. Man sollte in Ruhe schauen, was gut, was schlecht läuft. Das macht man am besten nach einer Wahl, nicht in der Hektik davor, wo die, die meinen, die Wahl schon gewonnen zu haben, auf den Bäumen sind und durchaus nachvollziehbare Interessen äußern – aber eben Einzelinteressen.
Die SPD Duisburg sucht auch einen Nachfolger – für Ralf Jäger, der 14 Jahre Vorsitzender war und aus privaten Gründen zurückgetreten ist. Braucht die SPD vor der Kommunalwahl einen Nachfolger, eine Nachfolgerin?
Ich würde es der SPD Duisburg raten. Die Entscheidungen treffen letztlich die Mitglieder. Ich halte es für richtig, mit einer klaren Spitze in so eine Auseinandersetzung zu gehen. Wir haben gute Arbeit geleistet hier in Duisburg, wir brauchen keine Angst zu haben, und es braucht ein oder zwei, die vorangehen, männlich oder weiblich oder beides.
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„Eine Einwanderung in Sozialsysteme, die nicht im Interesse Deutschlands sein kann“
Laut Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist die Armutsquote in Essen/Duisburg den letzten zehn Jahren von 14,8 auf 20,9 Prozent gestiegen, „was einem armutspolitischen Erdrutsch“ gleichkomme. Was könnten Kommunalpolitik und Stadtverwaltung besser machen?
Die Armutsprävention, die wir machen, ist richtig, notwendig und gut. Das machen nicht nur wir als Stadt, sondern auch Wohlfahrtsverbände, freie Träger, Kindergartenträger. Wir kommen nur über Prävention, Sozialarbeiter und Bildung aus diesem Dilemma. Da haben wir Schwerpunkte gesetzt in den letzten Jahren, wir haben massiv in den Ausbau von Kitaplätzen investiert. Wir kommen beim Ausbau, auch von Ganztagsplätzen kaum hinterher, da wollen wir mit dem neuen IMD-Chef deutlich an Tempo zulegen. Eine Stadt wie Duisburg darf mit solch einer Aufgabe nicht allein gelassen werden. Die Ursache ist nicht nur Strukturwandel und eine über Jahrzehnte verfestigte Arbeitslosigkeit.
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Sie meinen die Zuwanderung von EU-Ausländern aus Rumänien und Bulgarien.
Es ist auch eine Zuwanderung in Sozialsysteme, die ich mehrfach angesprochen habe. Wenn man sieht, wie viele Leistungsempfänger in den letzten Jahren zugewandert sind, macht das nachdenklich. Wir haben hier eine Einwanderung in Sozialsysteme, die kann nicht im Interesse Deutschlands sein, und wir haben einen massenhaften Missbrauch von Sozialleistungen.
Sie haben das mehrfach angesprochen. Hat sich aus Ihrer Sicht etwas verbessert?
Ja, auf Bundesebene das neue Gesetz gegen Sozialleistungsmissbrauch, das Familienkassen eigene Prüfungskompetenzen gibt. Auch auf landesgesetzlicher Ebene tut sich was. Das Modellprojekt mit fälschungssicheren Schulbescheinigungen gegen Kindergeldmissbrauch geht unter anderem auf eine Anregung aus Duisburg zurück. Aber insgesamt passiert zu wenig zu langsam. Da erwarte ich mehr Ernsthaftigkeit und Tempo, deutlich mehr Zusammenarbeit zwischen Bund, Land, Europa und Kommune und auch mehr behördliche Zusammenarbeit.
„Ich wünsche mir einen Rat ohne rechte Hetzer, Populisten, Spalter“
Was muss passieren, damit 2020 ein gutes Jahr für Duisburg wird?
Ich fang mal mit einem Herzenswunsch an: Ich wünsche mir eine hohe Kommunalwahlbeteiligung. Und einen Rat ohne rechte Parteien, rechte Hetzer, Populisten.
Wenn Sie damit auch die AfD meinen, wird dieser Wunsch wohl nicht erfüllt.
Mal abwarten, ich bin Optimist. Ich meine Hetzer und Spalter, die keinen Beitrag zur Lösung von Problemen leisten, sondern die Gesellschaft in „Die“ und „Wir“ spalten. Ich wünsche mir einen Rat, in dem sie so schwach wie möglich sind.
Oberbürgermeister steht in Duisburg nicht zur Wahl
In Duisburg steht der Oberbürgermeister bei den Kommunalwahlen am 13. September nicht zur Wahl: Sören Link (43) war 2012 nach der Abwahl Adolf Sauerlands (CDU) ins Amt gekommen. 2017 entschied er sich zur vorgezogenen Neuwahl am Tag der Bundestagswahl.
Bei der OB-Wahl 2017 wurde er bei einer hohen Wahlbeteiligung (62,27 Prozent) mit 56,8 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt – bis 2025.
Die Duisburger stimmen am 13. September also über die Zusammensetzung von Stadtrat und Bezirksvertretungen ab.
Was ansonsten für Duisburg wichtig ist: Ich würde mir wünschen, dass wir weiterhin sinkende Arbeitslosenzahlen und steigende Beschäftigtenzahlen haben und die Verschuldung weiter abnimmt, damit wir Spielraum für die Bürger in Duisburg zurückerkämpfen. Dafür muss es im Mercatorviertel vorwärts geht, im Angerboden, bei Wedau-Nord und -Süd. Und ich wünsche mir, dass wir die tollen Bildungsprojekte im Norden mit Leben füllen, den „Campus Marxloh“ und das 50-Millionen-Projekt für Marxloh/Hamborn. Da haben Schulen und Kindergärten tolle Konzepte erarbeitet. Die Kombination von Familienzentren, Kindergärten und Schulen könnte was sein, wo auch andere Städte draufschauen.
Was haben Sie sich für 2020 vorgenommen? Worauf freuen Sie sich?
Ich brenne für diese Stadt, ich will nicht nachlassen, aber ich persönlich habe mir fest vorgenommen, mir 2020 mehr Zeit für meine Familie, meine Freundin, meine Freunde zu nehmen und diese Ungeduld, die mich ausmacht, ein bisschen zu zügeln. Ich freue mich natürlich auf den Kommunalwahlkampf, auf Gespräche und Diskussionen mit den Bürgern.