Duisburg. Ex-NRW-Innenminister Ralf Jäger hat sein Amt als Chef der SPD Duisburg niedergelegt. Er will mehr Zeit für seine schwer erkrankte Ehefrau haben.

Die Duisburger SPD muss überraschend ohne ihren langjährigen Parteichef ins schwere Jahr der Kommunalwahlen ziehen: Ralf Jäger hat sein Amt als Vorsitzender des Unterbezirks am Freitag nach 14 Jahren niedergelegt. Der ehemalige Landesinnenminister informierte seine Vorstandskolleginnen und -kollegen am Morgen in der Geschäftsstelle der Duisburger SPD. An deren knapp 4000 Mitglieder verschickte Jäger nach dem Treffen eine E-Mail, in der das wohl bekannteste Duisburger SPD-Mitglied seinen Genossinnen und Genossen die privaten Gründe für seine Entscheidung erläutert.

Auch interessant

„Wenige wissen es, meine Frau Marion ist schwer und dauerhaft erkrankt“, schreibt der 58-Jährige darin. „Jetzt braucht sie meine Unterstützung.“ Er habe als Vorsitzender der Duisburger SPD „gerade in den sieben intensiven Jahren als Minister“ eine „großartige Unterstützung“ durch seine Familie erfahren, „insbesondere durch meine Frau“.

Ralf Jäger betont: Rücktritt aus „ausschließlich familiären Gründen“

Auch interessant

Ihr Gesundheitszustand, sagt Jäger im Gespräch mit unserer Redaktion, habe sich in den vergangenen vier Monaten „dramatisch verschlechtert“. Um die 48-Jährige könne er sich jedoch in der Doppelfunktion als SPD-Chef im Wahlkampf und Landtagsabgeordneter nicht so kümmern, wie es ihm nun wichtig sei. „Und den zeitintensiven Job als Vorsitzender kann man nicht halb machen.“ Sein Mandat als Abgeordneter in Düsseldorf möchte der Vater dreier studierender Kinder vorerst nicht aufgeben.

Ralf Jäger 2017 als Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen im Landtag mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.
Ralf Jäger 2017 als Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen im Landtag mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. © dpa | Federico Gambarini

Jäger betont, er habe „ausschließlich familiäre Gründe“ für den Rückzug. Der erfahrene und durchsetzungsfähige Stratege, der als Innenminister bis zur Abwahl der rot-grünen Regierung Kraft 2017 häufig in der Schusslinie stand, hatte den Unterbezirk mit der Parteispitze zuletzt entschieden umgekrempelt und schrumpfende Ortsvereine auch gegen Bedenken der Basis zusammengelegt – „modernisiert“, wie er selbst sagt. Dass er nun weniger in der Partei mitarbeiten könne, so Jäger in seiner Rundmail, „mögen manche bedauern, andere vielleicht nicht. Aber ich bitte darum, diese Entscheidung zu respektieren.“

Sein Rückzug falle ihm „persönlich sehr schwer“, noch dazu zehn Monate vor der Kommunalwahl am 13. September 2020, vor der die Duisburger Sozialdemokraten seit dem Spätsommer schon auf der Straße und im Internet um Stimmen kämpfen. „Aber ich hinterlasse alles andere als einen Trümmerhaufen, und jeder ist ersetzbar.“

Jäger-Nachfolge: Abgeordnete Philipp und Özdemir Top-Kandidaten

In seiner E-Mail wirbt der scheidende Parteichef so für seine Arbeit und den Nachwuchs: „Ich bin überzeugt, dass wir inhaltlich, organisatorisch und finanziell solide aufgestellt sind und wir viele, gerade junge engagierte Genossinnen und Genossen haben, die mehr Verantwortung tragen können und werden.“ Vornweg seine Stellvertreterin Sarah Philipp (36), die Landtagsabgeordnete für den Duisburger Süden. Und Mahmut Özdemir (32) aus Homberg freilich, 2013 als jüngster Abgeordneter in den Bundestag gewählt. Sie beide zählen qua Werdegang zu den Top-Kandidaten für die Jäger-Nachfolge.

Ex-NRW-Innenminister Ralf Jäger

Ralf Jäger (58) war von 1996 bis 2005 Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Meiderich, von 1989 bis 2000 Ratsherr. Dann kam er in den Landtag. Zehn Jahre später ernannte ihn Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zum Minister für Inneres und Kommunales.

Als solcher erfand Jäger den viel kritisierten „Blitzmarathon“. Seinen Rücktritt forderte die Opposition häufig, etwa nach den Hogesa-Krawallen 2014, der Kölner Silvesternacht 2015, den Folter-Skandalen in Asylbewerberheimen und zuletzt 2017, weil Anis Amri, der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, als Gefährder lange in NRW lebte.

Als Minister auch für kommunale Finanzen brachte Jäger den NRW-Stärkungspakt mit auf den Weg, der auch der Stadt Duisburg etwa 250 Millionen Euro zur Etatsanierung bescherte. In seiner Geburtsstadt forcierte er nach der Loveparade die Abwahl des CDU-Oberbürgermeisters Adolf Sauerand.

Der Unterbezirk wollte seine Mitglieder eigentlich erst nach den Kommunalwahlen, bei einem Parteitag im Oktober über die Besetzung der Vorstandsposten abstimmen lassen. Bis dahin könnte die Partei kommissarisch geführt werden, etwa von Jägers Stellvertreterinnen Sarah Philipp und der Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken (61).

Zieht die SPD Duisburg die Vorstandswahl vor?

„Wir haben zumindest mit der Kandidatenaufstellung erstmal genug zu tun“, sagt Jäger. Er möchte nach seinem Rücktritt öffentlich keine Empfehlung abgeben: „Die Gremien entscheiden, ob die Wahl vorgezogen wird.“ So oder so: Die SPD Duisburg, glaubt er, werde die Mehrheit im Stadtrat am 13. September trotz des Sinkflugs der Bundespartei erneut gewinnen – notfalls auch ohne neue(n) Vorsitzende(n).

Auch interessant

Jägers bisherige Stellvertreterin Sarah Philipp sagte auf Nachfrage am Freitag, sie müsse „das alles erstmal sacken lassen. Diese Nachricht hat uns alle überrascht, bewegt und nachdenklich gemacht.“ Sie und Walsken aber seien als Stellvertreterinnen ein „arbeitsfähiges Team. Wir sorgen dafür, dass der Laden weiterläuft.“ Über Vorstandswahlen und Jägers Nachfolge sei am Freitag „noch gar nicht gesprochen“ worden.

Sören Link: „Von Herzen alles Gute, Gottes Segen und viel Kraft“

Auch interessant

Oberbürgermeister Sören Link verbreitete die Nachricht über den Rücktritt seines Freundes über sein Facebook-Profil: „Ich wünsche ihm und seiner Frau Marion von Herzen alles Gute, Gottes Segen und viel Kraft, um diese schwierige und belastende Zeit gut und gemeinsam zu meistern.“ Er respektiere die Entscheidung „zutiefst und ohne Wenn und Aber“.

Link betonte, es sei maßgeblich Jägers „persönlichem Einsatz und seiner Durchsetzungsfähigkeit“ als Minister zu verdanken, „dass das Land NRW sich endlich wieder stärker um die Städte und Gemeinden gekümmert hat. Der von ihm entworfene und geprägte ‚Stärkungsparkt Stadtfinanzen’ hat entscheidend dazu beigetragen, dass Duisburg nach vielen Jahren der sinnfreien und kontraproduktiven Sparrunden endlich wieder eine Perspektive erhalten hat.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Facebook, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung