Mülheim. Am Donnerstag will Mülheims Stadtrat den Rückzieher vom Flughafen-Ausstieg machen. Dabei ist völlig unklar, ob es beim Zuschussbetrieb bleibt.
Neben Klima- und Lärmargumenten waren im Jahr 2010 insbesondere die fortlaufenden Defizite im Betrieb das Hauptargument für CDU und Grüne, mit MBI und Linken den Flughafen-Ausstieg zu beschließen. An diesem Donnerstag steht nun im Mülheimer Stadtrat die Kehrtwende an: Aller Voraussicht nach mit sehr breiter Unterstützung wird Schwarz-Grün den Ausstieg vom Ausstieg vollziehen. Nur: Die Frage, wie der Flughafen in Zukunft schwarze Zahlen schreiben soll, ist weiter nicht dezidiert beantwortet.
Ganz frisch ausgewiesen im Jahresbericht der Mülheimer Beteiligungsholding ist erneut ein Minus von 548.000 Euro für die Flughafen-Gesellschaft, die von den Städten Essen und Mülheim alleine getragen wird, nachdem das Land vor Jahren mit Ach und Krach ausgestiegen war aus dem Dreierbund – und dabei entschieden die Position vertreten hatte, die Defizite nicht länger mittragen zu wollen.
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Zum Beschluss, der den Stadträten beider Betreiberstädte nun zum Absegnen durch die jeweils schwarz-grünen Mehrheiten vorliegt, ist derweil nicht konkretisiert, wann und auf welche Weise jenes Kriterium erfüllt werden soll, das CDU und Grüne bei ihrem Ausstiegsbeschluss 2010 noch als unerreichbar dargestellt hatten: Kann der Flughafenbetrieb so aufgestellt werden, dass er ohne Zuschüsse der Städte auskommt?
Mülheims OB Marc Buchholz und Wirtschaftsförderer Felix Blasch hatten in der Vergangenheit immer wieder ein Wirtschaftlichkeitsgutachten für den Flughafen in Aussicht gestellt. Die Ankündigungen suggerierten, dass es Aussagen dazu geben würde, mit welchen konkreten Maßnahmen und Investitionen welche Euro-Effekte ausgelöst werden könnten.
„Ein gut angebundener Flughafen stimuliert die Wirtschaftsentwicklung in der gesamten Region“
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Ein Wirtschaftlichkeitsgutachten in dieser Form liegt aber nicht vor – und doch soll der Stadtrat jetzt den unbefristeten Fortbestand des Flughafens beschließen. In Auftrag gegeben hatte die Flughafengesellschaft lediglich eine Potenzialanalyse beim Unternehmen amd.sigma, das sich auf die Entwicklung von Flughäfen spezialisiert hat.
Es sieht, wenig überraschend, viel Potenzial für den Flughafenbetrieb, nennt aber tatsächlich nur einmal eine Zahl zur Wirtschaftlichkeit. Die Berliner Analysten konstatieren da, dass dem jährlichen Defizit Steuer- und wirtschaftliche Effekte in einer Größenordnung von 730.000 Euro per anno gegenüberstünden, die das Defizit der Gesellschaft überkompensierten und die man nicht ausblenden solle. „Ein gut angebundener Flughafen stimuliert die Wirtschaftsentwicklung in der gesamten Region, indem er Investitionen anzieht, Geschäftskontakte erleichtert und allgemein die Attraktivität für Unternehmen erhöht“, heißt es dazu ganz allgemein. Man sehe zudem Möglichkeiten zur „Optimierung der Einnahmeseite“.
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Weitere Zahlen finden sich in dem 116 Seiten starken Werk nicht. Etwa auch nicht zu den Investitionen, die die Städte aufzubringen haben, um den gewaltigen Investitionsstau aufzulösen oder neue Geschäftsfelder wie die CO2-freie Fliegerei auf den Raadter Höhen zu ermöglichen.
Immenser Investitionsstau am Flughafen Essen-Mülheim ist aufzulösen
Start- und Landebahn sind zu modernisieren, ebenso Rollwege und das Vorfeld. Weiteren Investitionsbedarf sehen die Berliner Gutachter bei Dächern, Fassaden und Markierungen, in Sachen Brandschutz und gegebenenfalls für die Entwässerung. Überdies wird für zwingend erforderlich gehalten, den Flughafen-Tower aufzustocken. Neue Hangars sollen entstehen, um mehr Flieger stationieren zu können. Empfohlen ist auch der Bau eines „Vertiports“ – das ist ein Start- und Landeplatz für senkrecht startende Elektroflieger, die derzeit noch in der Entwicklung sind. Zu all dem Genannten ist nicht eine Kostenschätzung veröffentlicht.
Proaktives Handeln sei erforderlich, um den Fortbestand des Flughafens zu sichern und ansässigen Unternehmen attraktive Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen, heißt es in der Potenzialanalyse. „Die bestehenden Projekte wie das E-Flugzeug von TFC und das Satellitenanflug-Projekt der Flugschule sind vielversprechende Ansätze, aber es besteht die Notwendigkeit, diese Initiativen zu stärken.“ Zusätzliche Hangarflächen seien gut für Firmen, die sich künftig mit Forschung und Entwicklung am Flughafen ansiedeln könnten.
Analysten sehen Flughafen Essen-Mülheim als regionalen Stützpunkt für Lufttaxis
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„Sehr interessant“ laut Analysten, aber eben auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht in seinen wirtschaftlichen Potenzialen zu bemessen: die Entwicklung des Flughafens zu einem regionalen Stützpunkt für Lufttaxis, die in Zukunft Stadt- und Regionalstrecken bedienen können sollen. Dazu laufen Forschungsprojekte, die unter anderem vom Land NRW finanziell gestützt werden. Aber auch das ist, wenn auch ein nicht abwegiges Szenario, noch nichts Handfestes, mit dem die Betreiberstädte in eine Wirtschaftlichkeitsplanung gehen könnten.
So wird am Donnerstag im Stadtrat mehr das Hoffen auf als das Wissen um eine wirtschaftlich tragfähige Zukunft des Flughafens Grundlage sein für die weitreichende Entscheidung der Politik. Zur Wirtschaftlichkeitsfrage verwies Mülheims oberster Wirtschaftsförderer, Dezernent Blasch, die Redaktion zuletzt an Beteiligungsholding und Flughafengesellschaft. Die Beteiligungsholding wiederum spielte den Ball noch am Tag vor der Ratsentscheidung zurück an Blasch. Ergo: Vor Donnerstag will von den Verantwortlichen bei der Stadt niemand Stellung beziehen zur Wirtschaftlichkeit der erwartbaren Entscheidung.
CDU und Grüne fordern: Zuschüsse sollen „schnellstmöglich“ überflüssig werden
Wesentliche Fragen sollen erst im Anschluss beantwortet werden, wie auch der Begleitantrag von CDU und Grünen für die Ratssitzung offenbart. Zur Wirtschaftlichkeit des Unternehmens heißt es dort nur vage, dass der Flughafenbetrieb „zum schnellstmöglichen Zeitpunkt ohne Verlustausgleich darzustellen“ sei.
In vier Unterpunkten halten CDU und Grüne fest, wie sie das erreichen wollen: 1. mit einer kontinuierlichen, aber maßvollen Erhöhung der Landeentgelte, 2. eventuell durch eine finanzielle Beteiligung der Flughafen-Nutzer an der Flugleitung sowie der Pflege von Start- und Landebahn (Prüfauftrag), 3. durch eine Ausweitung der Aktivitäten der Flughafen-Gesellschaft abseits des Kerngeschäftes (Stichwort Oktoberfest) und 4. durch Effizienzsteigerungen im Flugbetrieb, für den es eine Organisationsuntersuchung geben soll.
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