Mülheim. Bei einer Bürgerversammlung stießen die Ideen für ein Gewerbegebiet am Flughafen Essen-Mülheim auf wenig Begeisterung. Was Anwohner fordern.
„Flughafen ja, Gewerbe nein“ – mit der klaren Vorstellung für die Zukunft zitierte diese Zeitung zu Monatsbeginn die Siedlervereinigung am Mülheimer Flughafen. Eine Bürgerversammlung mit Anwohnerinnen und Anwohnern aus Raadt hat diese Ansicht nun klar unterstrichen. Vor allem der möglicherweise zunehmende Verkehr bleibt die Sorge Nummer eins.
Felix Blasch war nicht zu beneiden. Fast zwei Stunden lang stand der Bau- und Planungsdezernent den Siedlerinnen und Siedlern in der „Vereinbar“ des SV Raadt Rede und Antwort. Seine Vorstellung der beiden Siegerentwürfe eines Wettbewerbsverfahrens für ein 12,2 (mit Flugbetrieb nach 2034) oder gar 27,7 Hektar (ohne künftiges Fliegen) großes Gewerbegebiet entlang der Brunshofstraße stieß aber insgesamt auf wenig Begeisterung.
Mülheimer Anwohner zum Gewerbe am Flughafen: „Lassen Sie es sein!"
„Das Beste, was uns passieren kann, ist der Flughafen in seinem jetzigen Bestand“, machte Rüdiger Barkat die Meinung Vieler am deutlichsten. Stattdessen werde nun, möglicherweise „um Geld zu generieren, zugebaut und zugeklotzt ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen, die hier in der Nähe wohnen. Wenn Sie meine Meinung hören wollen“, sagte der Raadter an die Adresse von Blasch, „lassen Sie es sein!“
In einer Umfrage unter den Flughafen-Nachbarn sprachen sich später eine große Mehrheit gegen ein künftiges Gewerbe aus, fast alle votierten aber für eine Flughafen-Zukunft über 2034 hinaus.
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Anwohner Christoph Weber stellte in Anbetracht der zum Beispiel auf dem Vallourec-Gelände freiwerdenden Flächen grundsätzlich die Notwendigkeit infrage, das Areal am Flughafen gewerblich zu erschließen. Allerdings existiert bei der städtischen Wirtschaftsförderung ein errechneter Gewerbeflächenbedarf. „Außerdem haben wir bei Vallourec nicht übermorgen eine Fläche zur Verfügung“, gab Blasch zu bedenken.
„Höchst interessiert“ an den weiteren Entwicklungen sind auch die Naturschutzverbände. Dietrich Rohde, Flughafen-Anrainer und Mitglied im Naturschutzbeirat der Stadt, nahm vor allem die Vogelpopulation ins Visier. „Die hat hier bisher sehr einvernehmlich mit dem Flugverkehr gelebt, was ja erstaunlich ist. Das ist bei den vorgesehenen Baumaßnahmen größerer Art aber nicht mehr gesichert“, so Rohde.
Welche Sorgen die Naturschützer auf den Raadter Höhen haben
Für Sabine Arzberger vom Verein Naturgarten steht die Flächenversiegelung zudem im starken Widerspruch zu anderen Aussagen der Verwaltung. Felix Blasch konnte aber insofern beruhigen, als dass nur Flächen bebaut werden sollen, die zum überwiegenden Teil schon vorher versiegelt waren.
Auch die Sorgen vor neuen Lärm- und Geruchsbelästigungen versuchte der Beigeordnete zu mindern. „Geplant ist auf den Raadter Höhen ein technologie-orientierter Standort. Es kann schon sein, dass im Kleinen produziert wird, aber nicht mehr jede Produktion heutzutage stinkt und lärmt“, meinte Blasch. „Manches passiert in Hallen, da bekommen Sie gar nichts von mit.“ Stattdessen könne eine neue Bebauung zwischen Siedlung und Flughafen sogar den Fluglärm abdämpfen.
Verschlechterung als Wohnstandort? Anwohner fürchten um ihre Altersvorsorge
Dennoch gibt es Befürchtungen, dass ein Gewerbegebiet den Wohnstandort Raadt verschlechtern könnte. „Ich selbst würde hier nicht mehr hinziehen, wenn es ein Gewerbegebiet gibt“, sieht eine Anwohnerin Schwierigkeiten auf diejenigen zukommen, die irgendwann ihr Haus verkaufen wollen.
Größtes Sorgenkind unter den Siedlerinnen und Siedlern bleibt aber der Verkehr. Schließlich sei die Brunshofstraße schon heute eine „mittlere Katastrophe“. Ein Lkw-Fahrer, der dort seit elf Jahren wohnt, sieht große Schwierigkeiten bei größeren An- oder Abtransporten. „Sie haben dort keine Möglichkeit, mit einem 40-Tonner zu wenden.“
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Stadt will Schleichverkehre durch den Stadtteil Raadt möglichst vermeiden
„Wir brauchen eine ordentliche Verkehrserschließung, die auch leistungsfähig ist“, meinte Blasch. Schleichverkehre durch den Stadtteil sollen vermieden werden. Konkret geht der Stadtplaner von einem überarbeiteten Kreuzungspunkt an der Zeppelin-/Lilienthalstraße aus.
Die steigende Zahl an notwendigen Stellplätzen wollen Blasch & Co. in mindestens einem zentralen Parkhaus unterbringen. Hier entsteht bereits die Sorge über Geschosshöhen. Konkret festlegen wollte sich der Dezernent bei diesem Thema freilich nicht, eine Maximalhöhe werde aber in der Bauleitplanung festgeschrieben.
Bürgerradweg und Busanbindung? Raadter können darüber nur lachen
An andere Verkehrsmittel zur Anbindung des Quartiers glauben die Raadterinnen und Raadter offenbar nicht mehr. Als die neue Anbindung an die Stadtmitte über die Buslinie 130 und erst recht der Bürgerradweg erwähnt wurden, brach Gelächter aus.
Die Sorgen und Anregungen sollen nun in den weiteren Planungsprozess einfließen, denn zwei weitere Termine zur Bürgerbeteiligung sind geplant. „Das war hier heute keine Showveranstaltung unter dem Motto ,friss oder stirb‘“, beruhigte Björn Maue, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen, der gemeinsam mit Bezirksbürgermeisterin Britta Stalleicken die Politik vertrat. Auch für seine Partei sei es nach wie vor „eine strittige Sache“.
>> Bürgerversammlung der Grünen am Freitag
Auch die Grünen werden sich noch einmal mit dem Thema der Entwicklung am Flughafen beschäftigen. Die Partei lädt am Freitag, 17. März von 18 bis 20 Uhr zu einer Bürgerversammlung in die Aula der Realschule Stadtmitte (Oberstraße 92-94) ein.
„Wir von Bündnis 90/ Die Grünen haben uns zum Ziel gesetzt, die Frage nun endgültig zu klären, die Perspektive aber zu weiten. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit dort ein nachhaltiger, innovativer Wirtschaftsstandort entsteht?“, erklärt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen Ratsfraktion, Björn Maue, der in diesem Prozess die Federführung übernommen hat.