Essen/Mülheim. Am Entwurf für ein Gewerbegebiet am Flughafen Essen/Mülheim entzündet sich Kritik. Die Schutzgemeinschaft Fluglärm nutzt ihn als Steilvorlage.
Die seit Jahren schwelende Debatte um die Zukunft des Flughafens Essen/Mülheim erhält neuen Auftrieb. Anlass ist das Ergebnis eines städtebaulichen Wettbewerbes der Nachbarstadt Mülheim für einen Gewerbepark, der auf dem Flughafengelände entstehen soll. Ob mit oder ohne Flughafen und letzteres womöglich über das Jahr 2034 hinaus, daran scheiden sich die Geister. Vonseiten der Fluglärmgegner wird der Ruf nach Einstellung des Flugbetriebes jedenfalls wieder lauter.
So könnte er also aussehen, der Gewerbepark südlich der Brunshoffstraße: ein doppeltes Band aus Gewerbebauten, durchzogen von einer Grünfläche. Die Jury belohnte das Planungsbüro Rheinflügel Severin dafür mit dem 1. Platz. Eckige Kästchen deuten Gewerbeimmobilien, Läden und Hochgaragen an. Was davon übrig bleibt, wird man sehen.
Philipp Rosenau hätte nach eigenen Worten einen der anderen Entwürfe bevorzugt. Dieser entsprach seiner Meinung nach mehr den Anforderungen, die an einen „innovativen und modernen“ Gewerbepark gestellt werden. Mit den beiden Vertretern von CDU und Grünen aus Essen sei er sich darin einig gewesen, berichtet der SPD-Ratsherr aus Haarzopf.
Alle drei nahmen beratend an der Sitzung des Preisgerichtes teil. In der Jury war die Stadt Essen nicht vertreten, was im Planungsausschuss des Stadtrates für Stirnrunzeln sorgte. Auch nachdem nun ein Sieger gekürt ist, besteht offensichtlich Redebedarf. „Ich wünsche mir, dass die Stadt Essen das Heft des Handelns nicht aus der Hand gibt“, sagt der Vorsitzende des Ausschusses, CDU-Ratsherr Guntmar Kipphardt.
Die Stadt Essen ist Mitgesellschafter des Flughafens. Ein Drittel des Geländes liegt auf Essener Stadtgebiet. Das geplante Gewerbegebiet zählt allerdings nicht dazu, weshalb die Gewerbesteuer im Mülheimer Stadtsäckel landen würde.
Der Entwurf für einen Gewerbepark am Flughafen muss nachgebessert werden
Ungeachtet dessen steht fest, dass der Siegerentwurf noch einmal überarbeitet wird. Die Bedürfnisse des Flughafens seien nur rudimentär berücksichtigt worden. Der Verein „Wir sind Flughafen“, der sich für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebes einsetzt, wird deutlicher: Thema verfehlt.
Hintergrund: Den Planungsbüros war die Aufgabe gestellt worden, einen Gewerbepark in zwei Stufen zu entwickeln, im ersten Schritt unter Beibehaltung des Flugbetriebes, im zweiten Schritt unter der Prämisse, dass der Flugbetrieb eingestellt wird. Eben dafür macht sich die Schutzgemeinschaft Fluglärm stark. „Das geplante Gewerbegebiet ist nicht so groß, als dass man es nicht vertreten kann“, sagt Vorstandsmitglied Thomas Haffner. 27,7 Hektar soll der geplante Gewerbepark in seiner maximalen Ausdehnung einnehmen. Nur 12,2 Hektar groß wäre er, sollte weiter geflogen werden.
Aus Sicht der Schutzgemeinschaft wäre ein Gewerbepark das kleinere Übel im Vergleich zum Fluglärm, dem Anwohner in Haarzopf ausgesetzt seien. Verantwortlich dafür seien vor allem Flugschulen, deren veraltete Maschinen Platzrunde um Platzrunde über dem Flughafen und den benachbarten Wohngebieten drehen, so Haffner.
53 Prozent der Flugbewegungen in Essen/Mülheim entfallen auf gewerbliche Schulflüge
Während der Coronapandemie hat der Flugbetrieb deutlich zugenommen. 66.300 Flugbewegungen wurden im vergangenen Jahr gezählt. Nach Angaben der Flughafengesellschaft entfielen davon 53 Prozent auf gewerbliche Schulflüge sowie weitere 9 Prozent auf Vereine, die ebenfalls Piloten schulen.
Besonders stark war der Anstieg 2021. In den für eine offizielle Lärmberechnung entscheidenden sechs verkehrsreichsten Monaten des Jahres lag die Zahl der Flugbewegungen um 5000 höher als in den fünf Jahren zuvor mit jeweils 33.000 bis 35.000 Flugbewegungen. Mehr Flüge bedeuten mehr Lärm. Aber wie laut ist es? Die Schutzgemeinschaft fordert einmal mehr ein Lärmgutachten ein, um die Debatte auf der Grundlage belastbarer Daten zu führen.
Konsterniert müssen die Fluglärmgegner feststellen, dass es Befürwortern es Flughafens offensichtlich gelungen ist, in der Politik einen Stimmungswechsel herbeizuführen, allen voran durch die intensive Öffentlichkeitsarbeit des Luftschiffbetreibers WDL. Dass der Ausstiegsbeschluss, den Essen und Mülheim Mitte der 1990er Jahre gefasst haben, kippen könnte und über das Jahr 2034 hinaus geflogen wird, wenn die verbrieften Rechte der Sportflieger des Aero Club enden, scheint nicht ausgeschlossen.
Auch die Essener CDU hat die Wende pro Flughafen längst eingeleitet. Essen/Mülheim sei bundesweit bedeutend für die Ausbildung von Berufspiloten, betont Guntmar Kipphardt. Dennoch schreibt der Flughafen Jahr für Jahr rote Zahlen. Insgesamt 575.000 Euro müssen Essen und Mülheim jedes Jahr zuschießen. Die Schutzgemeinschaft Fluglärm spricht von einem Subventionsgrab.
Haarzopfer Ratsherr sieht die Flugschulen in der Pflicht, mehr gegen Lärm zu tun
In Sachen Fluglärm verweist Kipphardt nach Freiburg. Der Flughafen im Breisgau hat Platzrunden an Wochenenden und an Feiertagen untersagt. Wäre das ein Modell für Essen/Mülheim? Kipphardt regt zudem an, die Bürger zu fragen, wie es mit dem Flughafen weitergehen soll, allen voran die Haarzopfer.
SPD-Ratsherr Philipp Rosenau schätzt die Stimmung vor Ort so ein, dass eine Mehrheit weiter mit dem Flughafen leben würde. Nicht, weil sie den knatternden Büchsen am Himmel etwas abgewinnen könne, sondern aus Sorge und Unsicherheit, was da auf sie zukommt, sollte das Flughafengelände zu einem Gewerbegebiet ausgebaut werden. Mehr Verkehr wäre wohl die Folge.
Rosenau sieht deshalb die Flugschulen in der Pflicht, die Lärmbelästigung zu reduzieren; indem sie mit modernen und leisere Maschinen fliegen, statt mit jahrzehntealten Flugzeugen, weil die längst abgeschrieben sind. Neue Flugzeuge kaufen für weniger Flugtage? Das klingt nach Überzeugungsarbeit.