Mülheim. Mit einem Projekt will eine Flugschule den Flughafen Essen-Mülheim als Ort der Forschung herausputzen. Was das Projekt auch Anwohnern verspricht.

Wenn es nach den Initiatoren geht, soll ein ehrgeiziges Bundesforschungsprojekt den Flughafen Essen-Mülheim nicht nur als wichtigen Forschungsstandort der Luftfahrtentwicklung in NRW herausputzen. Auch lärmgeplagte Anwohner sollen am Ende ihren Benefit haben.

Stolz präsentierte die Flugschule TFC Käufer jetzt, was ihre Tochter TFC Flugbetrieb und Technik Beratungsgesellschaft gemeinsam mit dem renommierten Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus Braunschweig und dem Luftfahrttechnik-Hersteller „f.u.n.k.e. Avionics“ aus Ulm in den kommenden zwei Jahren auf den Raadter Höhen erproben will. Kurz zusammengefasst: Es soll ein System entwickelt werden, das es auch kleinen (Regional-)Flughäfen möglich macht, auf satellitengestützte Navigation bei An- und Abflug der Maschinen umzustellen.

Satellitenbasierte Systeme sind für kleine Flughäfen aktuell unbezahlbar

Auch interessant

Bislang sei das für kleine Flughäfen, deren Betreiber entweder chronisch klamm sind und/oder über wenig Fläche am Boden verfügen, nicht möglich, so DLR-Projektmanager Thomas Dautermann dieser Tage bei einer Präsentation des Forschungsvorhabens, bei der diese Redaktion exklusiv dabei sein durfte. So habe der Großflughafen Frankfurt etwa rund fünf Millionen Euro in die Hand nehmen müssen für eine GBAS-Bodenstation (BGAS = Ground Based Augmentation System), die im Wirrwarr von Fliegern im Luftraum rund um den Flughafen GPS-gestützte Präzisionsanflüge ermöglicht.

Vorteil solcher Systeme: Flugzeuge können insbesondere im Anflug viel genauer geleitet werden. Das erhöhe nicht nur die Sicherheit, verspreche mehr Pünktlichkeit und Genauigkeit. Es könne auch helfen, CO2-Emissionen zu reduzieren und lärmgeplagte Anwohner im Flughafen-Umfeld zu entlasten, heißt es. Etwa in der Form, dass Flieger im Anflug über siedlungsarme Gebiete gelenkt werden oder über ohnehin lärmende Autobahnen.

Keine Platzrunden mehr mit Lärm für die Anwohner in Essen und Mülheim?

Auch interessant

Auch die für Flughafen-Anrainer lästigen Platzrunden, die Flugzeuge zur Orientierung im Anflug drehen, könnten sich womöglich ganz in Luft auflösen, hofft Wolfgang Sauerland als einer der Geschäftsführer des Flughafens Essen-Mülheim. Bürgerinnen und Bürger zwischen dem Wasserturm an der Heimaterde und Haarzopf, auch zwischen Kasernen-Siedlung in Holthausen und Flughafen-Siedlung in Raadt könnten von moderner Navigationstechnik profitieren.

Fünf Millionen Euro wie der Frankfurter Flughafen aber wird die Flughafen-Gesellschaft der Städte Mülheim und Essen nicht berappen können. So blickt deren Geschäftsführung ganz gespannt auf das aktuelle Forschungsprojekt von TFC, DLR und „f.u.n.k.e Avionics“: Diese drei Partner wollen in einem vom Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms geförderten Projekt einen von der DLR entwickelten neuen Protypen zur satellitengestützten Navigation zur Marktreife bringen. Dieser soll auch für kleinere Flughäfen erschwinglich sein, weil es womöglich einer nur fünfstelligen Investition bedürfte.

Flugsimulator: Pilot muss erst Sekunden vor der Landung wieder eingreifen

Bei einer Präsentation im TFC-Schulungszentrum in Essen-Dilldorf zeigten die Projektpartner der Flughafen-Geschäftsführung sowie Vertretern anderer am Flughafen ansässiger Firmen (Barbara Majerus und Frank Peylo von der WDL sowie Ulrich Langenecker von der Flugschule FFL), dass in einer Kombination der Anflugsysteme GBAS und SBAS die gesamte Bodentechnik für die satellitengestützte Navigation der Zukunft Platz findet in einem kleinen Koffer.

Die Technik des Prototypen für die neue Navigationstechnik namens „Glass“ passt in einen nicht allzu großen Koffer.
Die Technik des Prototypen für die neue Navigationstechnik namens „Glass“ passt in einen nicht allzu großen Koffer. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Dazu durften Teilnehmer im Cockpit eines Airbus-Flugsimulators Platz nehmen und miterleben, was die satellitengestützte Navigation im Anflug auf den heimischen Flughafen möglich machen kann. So soll die Technik den Flugkapitänen im Luftraum zwischen 600 und 80 Metern Höhe das bislang manuelle Navigieren komplett abnehmen. Gerade einmal fünf Sekunden vor Aufsetzen der Räder auf der Landebahn wäre noch einmal der Pilot gefragt.

Flughafen-Unternehmer stolz: Mülheim als Ort der Luftfahrtforschung

Auch interessant

Auf der griechischen Insel Korfu wird getestet, auch der unter beengten Verhältnissen operierende Flughafen Innsbruck zeigt großes Interesse. Nun soll das Projekt, das laut Initiatoren mindestens von europäischer Bedeutung ist, auch am Flughafen Essen-Mülheim vorangetrieben werden. Das neue Navigationssystem soll mit Fliegern der Flugschule TFC getestet werden. Zwei Jahre Erprobung sind geplant. Die DLR rechnet mit weiteren zwei bis drei Jahren, die es im Anschluss dauern dürfte, das System zertifiziert zu bekommen.

TFC-Geschäftsführer Christian Käufer wie WDL-Geschäftsführer Frank Peylo brachten ihren Stolz und ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass das Projekt den Flughafen Essen-Mülheim neben dem Flugplatz Aachen-Merzbrück zu einem wichtigen Ort der Luftfahrtforschung mache. Peylo versuchte gleich, mögliche Kritik der Flughafengegner zu zerstreuen: „Es ist in erster Linie ein Forschungsprojekt, nicht ein Signal für eine Kapazitätserweiterung“, sagte er mit Blick darauf, dass das in Mülheim zu erprobende Navi-System später auch geeignet sein soll, größere Flieger sicher und umweltfreundlicher zu steuern.

Für die Flugschule TFC erfüllt das Projekt dazu einen gewichtigen Selbstzweck. TFC bildet als eine der größten deutschen Flugschulen Piloten für die großen Airlines aus. Da sei es natürlich angebracht, im eigenen Flugsimulator die neueste Navigationstechnik vorhalten zu können, so deren Chef Christian Käufer.