Mülheim. 30 Jahre lang war Heidrun Schultchen (75) von der Heimaterde im Tierschutz aktiv - viele Schicksale gingen ihr ans Herz. Nun tritt sie kürzer.

Für diejenigen einzustehen, die keine Stimme haben, die mitunter Vernachlässigung ausgesetzt sind oder gar Quälerei erleiden müssen, das ist die Herzensangelegenheit der Mitglieder des Mülheimer Tierschutzvereins. Jetzt steht ein entscheidender Wechsel an - die langjährige Vorsitzende geht. Was Heidrun Schultchen in fast 30 Jahren als Aktive im Verein alles erlebt hat.

Da sind etwa Oskar, der Hund, den sie aus übelster Haltung befreit und in ein liebevolles Zuhause vermittelt haben, oder die beiden Pferde Feen und Flocke, die bis auf die Rippen abgemagert aufgenommen worden waren und nun ein gutes Leben auf einem Gnadenhof führen, die Heidrun Schultchen aus all ihren Jahren als aktives Mitglied - viele davon im Vorstand - direkt in den Sinn kommen, wenn sie an ihre lange Zeit im Tierschutzverein zurückdenkt. Diese drei stehen mit ihren schlimmen Schicksalen stellvertretend für eine ganze Herde Vierbeiner, denen die inzwischen 75-Jährige zu einem besseren Leben verholfen hat.

Mülheims Tierschutzvereins-Vorsitzende bringt dutzende kranke Igel über den Winter

Sich einzusetzen für Haustiere, sie etwa aus schlechten Bedingungen herauszuholen, oder Wildtiere zu retten, das war lange ihre Lebensaufgabe. Fast 30 Jahre lang ist Heidrun Schultchen im Tierschutzverein. Damals trat sie ein, weil sie unterernährte oder kranke Igel aufpäppelte und Kontakt zu anderen Tierschützern suchte. „Zeitweise war bei uns der Keller und der Boden von Ende September an voller Igel“, erinnert sich die Heimaterdlerin an die intensive Aufgabe, die geschwächten Wildtiere über den Winter zu bringen.

Aus dieser ersten Hilfe wurde ein Engagement, in der Meilensteine für den Tierschutz in Mülheim zementiert worden sind. Und nicht zuletzt das Tierheim, das zwar von der Stadt betrieben wird, aber zusätzlich in nicht unerheblichem Umfang von den ehrenamtlichen Tierschützern unterstützt wird, wurde zu einem Eckpfeiler ihrer Arbeit, nachdem sie 2008 den Vorsitz des Vereins übernommen hatte. „2012 haben wir einen Vertrag mit der Stadt geschlossen, damit das Tierheim noch mindestens zehn Jahre als städtische Einrichtung erhalten bleibt“, blickt die 75-Jährige zurück.

Weil die Kassen der Stadt klamm sind, steuert der Mülheimer Tierschutzverein Geld bei

Schon damals waren die Kassen der Stadtverwaltung klamm, schoss der Tierschutzverein eine hohe Summe zu, um die Gebäude und somit das Zuhause der Tiere zu ertüchtigen. Insgesamt 200.000 Euro flossen seinerzeit für die Sanierung des Tierheims - allen voran wurde ein Teil der Hundezwinger auf einen dem Tierschutz entsprechenden Stand gebracht. „Zusätzlich haben wir damals weitere 50.000 Euro für sonstige Leistungen gegeben.“ Geld war also immer ein Thema, wenn es um den Schutz und ein besseres Leben für ausgegrenzte Tiere ging.

Die artgerechte Unterbringung von Tieren, die im Tierheim landen, ist eines der Anliegen des Mülheimer Tierschutzvereins. Seit Jahren setzt sich der Vereinsvorstand dafür ein, dass das Tierheim saniert wird, um gesetzlichen Vorgaben im Sinne des Tierwohls zu entsprechen.
Die artgerechte Unterbringung von Tieren, die im Tierheim landen, ist eines der Anliegen des Mülheimer Tierschutzvereins. Seit Jahren setzt sich der Vereinsvorstand dafür ein, dass das Tierheim saniert wird, um gesetzlichen Vorgaben im Sinne des Tierwohls zu entsprechen. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Um informiert zu sein und mitsprechen zu können, initiierte Heidrun Schultchen vor über zehn Jahren den Austausch, den sie „Tierheim-Runde“ nennt. Einmal im Monat lässt sich der Tierschutzverein von der Tierheimleitung und der Amtstierärztin auf den aktuellen Stand bringen. Schließlich unterstützt der Tierschutzverein auch die Hundeschule, durch deren Einsatz zunächst schwer zu führende Vierbeiner eine Chance auf ein Leben in einem neuen Zuhause bekommen. Auch für die Kastration der Kaninchen und das Einfangen und Kastrieren freilaufender Katzen steht der Verein zum Schutz der Tiere finanziell gerade.

In Mülheim herrscht seit einigen Jahren eine Katzenkastrationspflicht

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Dass sie 2018 „endlich nach Jahren des zähen Ringens“ die Katzenkastrationspflicht in Mülheim durchgesetzt haben, verbucht Heidrun Schultchen ganz oben auf der Liste der wichtigen Errungenschaften, die effektiv dazu beitragen, weiteres Elend von ungeplant geborenen und schließlich verwilderten Katzen zu begrenzen.

Darauf zahlt auch die Tiersprechstunde ein, die die Vereinsvorsitzende vor rund 15 Jahren ins Leben gerufen hat. Bedürftige Mülheimer, die auf Sozialleistungen angewiesen sind und denen es an finanziellen Mitteln für einen Tierarztbesuch fehlt, können ihr Tier einmal monatlich gegen einen kleinen Beitrag medizinisch versorgen lassen.

Das Magazin des Mülheimer Tierschutzvereins erscheint zweimal im Jahr.
Das Magazin des Mülheimer Tierschutzvereins erscheint zweimal im Jahr. © FUNKE Foto Services | Dirk Bauer

Über all das, was der Tierschutzverein ohne großes Aufhebens leistet, informiert er zweimal jährlich in seinem Magazin mit dem treffenden Titel „tierisch“ - auch das ist einer Idee Heidrun Schultchens entsprungen. Nicht nur diese Publikation zu betreuen - „das ist meine Profession“ -, sondern den knapp 300 Mitglieder starken Mülheimer Tierschutzverein in die Zukunft zu führen, ist nun die Herzensangelegenheit von Dr. Sigrid Krosse, die den Vereinsvorsitz von Heidrun Schultchen übernimmt. „Meine Töchter haben vor mehr als zehn Jahren schon die Jugendgruppe des Tierschutzvereins gegründet“, blickt die Mülheimerin zurück, die einen eigenen Verlag hatte. „Seit ich mehr Zeit habe, engagiere ich mich auch im Tierschutzverein.“ Ihr Zuhause teilt sie stets mit Vierbeinern, aktuell ist es Nackthund-Mischling „Skinny“ - „der ist 16 Jahre alt und hat schon ein paar Baustellen“.

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Auch schon Kindern und Jugendlichen nahezubringen, dass Tiere fühlende Wesen mit eigenen Bedürfnissen sind, ist ein Anliegen von Heidrun Schultchen, die lange Zeit Vorsitzende Mülheimer Tierschutzvereins war.
Auch schon Kindern und Jugendlichen nahezubringen, dass Tiere fühlende Wesen mit eigenen Bedürfnissen sind, ist ein Anliegen von Heidrun Schultchen, die lange Zeit Vorsitzende Mülheimer Tierschutzvereins war. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Apropos Baustelle: Das Ringen um den Fortbestand des Tierheims, das Sigrid Krosse als zweite Vorsitzende schon lange begleitet, habe sich zu einer unendlichen Geschichte entwickelt, so sagt Heidrun Schultchen. Eigentlich wollte sie mit dem Abschluss der entsprechenden Verträge auch ihre langjährige Vorstandsarbeit beenden. Doch nun gibt sie früher ab, noch bevor die Verträge unterschrieben und die dringend notwendige Sanierung begonnen hat: „Schon vor zwei Jahren wollte ich mich zurückziehen, jetzt ist es wirklich an der Zeit.“

Und nun zu Hause die Beine hochlegen, gemütlich zusammen mit Hund und Katze auf dem Sofa? Das ist nicht unbedingt das Richtige für Heidrun Schultchen: „Einen Hund hatten wir nie, da bindet man sich zu sehr. Und die Katze lebt bei meinem Sohn.“ Wenn ihr aber später im Jahr mal wieder ein hilfsbedürftiger Igel vor die Füße laufen sollte, dann hat die 75-Jährige sicherlich ein Plätzchen frei für das kleine Stachelwesen.

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