Mülheim. Am letzten Schultag stand wieder eine ausgesetzte Katze vor dem Mülheimer Tierheim. Dabei ist es längst komplett voll. Das hat Konsequenzen.
Das Mülheimer Tierheim platzt aus allen Nähten. Zu allem Überfluss stand am letzten Schultag frühmorgens auch noch ein Katzenkorb vor dem Tor – darin ein stattlicher Maine-Coon-Kater, Samtpfote Nummer 49 in dem Asyl an der Horbeckstraße. Weil dort derzeit so viele Tiere zu versorgen sind, muss das Tierheim seine Besuchszeiten komplett streichen. Interessenten können nur noch mit Termin vorbeikommen.
Verstört guckt er in die Kamera, die Öhrchen hängen, er kauert sich auf den Fliesenboden. Der Maine-Coon-Kater, der in der Nacht zu Mittwoch, 21. Juni, dem letzten Schultag in NRW, vor dem Mülheimer Tierheim ausgesetzt wurde, scheint die Welt nicht mehr zu verstehen. In einer blau-grauen Transportbox stand er auf dem Asphalt. „Wenn die Leute ihre Tiere schon aussetzen, dann ist es mir lieber, sie tun das hier bei uns als irgendwo im Wald“, sagt Tierheimleiterin Gaby Lanfers nach der Erstversorgung des Fundtieres.
Kommen in der Ferienzeit mehr Vierbeiner im Mülheimer Tierheim an?
Dem Kater mit dem orange-weißen langen Fell und dem buschigen Schwanz scheint es einigermaßen gut zu gehen. „Er ist nicht unterernährt, wirkt nicht verwahrlost und scheint nicht extrem schlecht gehalten worden“, ordnet die Tierheimleiterin ein. Ihre Vermutung: „Der war wohl schlicht irgendwo über.“ Wie so viele Tiere, die in letzter Zeit im Mülheimer Tierheim gelandet sind.
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Direkt mit dem Start der Ferien will Gaby Lanfers es nicht in Verbindung bringen, dass der Kater in seiner Transportkiste am Mittwochmorgen vor dem Tierheim stand, wie mancher auf Facebook mutmaßte, nachdem das Tierheim ein Foto des Fundtieres geteilt hatte: „Mit ausgesetzten Tieren speziell zur Ferienzeit sind wir hier in Mülheim bisher zum Glück nie überschwemmt worden.“ Voll ist es dennoch bereits: Beinahe 50 Katzen sitzen mit dem Maine-Coon-Kater derzeit in den Räumen im Tierheim an der Horbeckstraße. Nicht nur die Katzenabteilung ist damit am Limit, macht Tierheimleiterin Lanfers deutlich.
Über 200 Tiere müssen derzeit im Mülheimer Tierheim versorgt werden
Insgesamt zählt ihre Liste am Donnerstag 201 Tiere, darunter neben den 49 Katzen auch 42 Hunde. Teils sind Hunde aus Platzmangel bereits in Hundepensionen untergebracht worden, sagt Lanfers. Den Bärenanteil aber machen derzeit die Kleintiere aus: 110. „Das sind vor allem Kaninchen und Meerschweinchen, die wir aus einer großen Haltung übernommen haben“, erklärt die Tierheimleiterin. Aus einer großen Haltung übernommen – das meint durch Sicherstellung, dann, wenn Menschen mit der Menge an Tieren, die sie halten, nicht mehr zurechtkommen, überfordert sind – zum Leidwesen der Tiere.
Kein Einzelfall, wie Lanfers sagt. „Die Leute scheinen immer unvernünftiger zu werden, schaffen sich nicht nur ein Tier an, sondern gleich mehrere, denen sie dann aber nicht mehr Herr werden.“ Das sei nicht erst ein Phänomen, seit die Corona-Pandemie etwa durch Homeoffice manchen zum Tierhalter gemacht hat, der längst in seine alte Routine zurückgekehrt ist und dort den Vierbeiner an seiner Seite integrieren muss. „Tiere gelten vielen nicht mehr als Familienmitglied. Zieht man etwa um, muss der Hund oder die Katze einfach weg“, hat Lanfers die Erfahrung gemacht.
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So viele Tiere sind im Mülheimer Tierheim derzeit zu versorgen, tagtäglich zig Gehege und Ställe zu reinigen, dass das Personal, das ohnehin knapp ist, keine Zeit mehr hat, die Besuchszeiten abzudecken. „Unsere Öffnungszeiten müssen wir streichen, weil wir gar nicht mit dem Saubermachen fertig werden.“ Wer einem Tier aus dem Tierheim an der Horbeckstraße ein neues Zuhause geben will, muss für einen Besuch telefonisch einen Termin vereinbaren. Anders sei es derzeit nicht zu handhaben. Die Überfüllung inzwischen beinahe ein Dauerzustand, bedauert Lanfers. Viele Tierheime hätten seit längerer Zeit darunter zu leiden, weiß die Mülheimer Leiterin von ihren Kollegen.
Ausgesetzter Maine-Coon-Kater muss im Mülheimer Tierheim in Quarantäne bleiben
Dass in den kommenden Wochen eher Flaute bei der Vermittlung sein wird, befürchtet Gaby Lanfers. Denn: „Jetzt sind Ferien, die Familien fahren erstmal in den Urlaub.“ Bis sie sich für ein Tier interessierten, vergingen nun sicher erstmal drei Wochen. Eine Besserung der Situation im Mülheimer Tierheim sei vorerst also nicht in Sicht – weder fürs Personal noch für die Tiere.
Auch der ausgesetzte Maine-Coon-Kater wird wohl erstmal bleiben müssen, obwohl es bereits nicht nur auf Facebook, sondern auch an der Tierheimtür Interessenten für ihn gab. „Er muss vier Wochen in Quarantäne, weil wir keinen Impfpass von ihm haben.“ Zwar ist das Tier gechipt, der Chip aber ist nirgends registriert, der Besitzer also nicht auffindbar, der Impfstatus des Katers – gerade was die Tollwut angeht – damit unklar und das Tier muss isoliert bleiben. Zur Vermittlung steht die Maine-Coon-Schönheit also vorerst nicht. Wohl aber die 48 anderen Katzen, die derzeit im Tierheim auf ein neues Zuhause warten. „Die sind zwar teils älter oder etwas eigen im Verhalten, aber eine Chance haben auch sie verdient“, wirbt Tierheim-Leiterin Gaby Lanfers.
Kontakt zum Tierheim Mülheim: 0208/37 2211.