Mülheim. Er war voll Angst, wenn Interessenten an seinem Zwinger standen: Und so saß Rüde Gimli lange im Mülheimer Tierheim. Bis endlich die Richtige kam.

Als wäre es schon immer so gewesen, läuft Gimli inmitten seiner drei vierbeinigen Kumpels. Am anderen Ende der Leine: sein Frauchen Susanne Thelen, die dem kurzbeinigen Mischling vor knapp anderthalb Jahren ein neues Zuhause gegeben hat. Davor saß Gimli beinahe genauso lange im Mülheimer Tierheim. Er war einer von den Hunden, die sich verkriechen, sobald Interessenten vor dem Zwinger stehen. Und so musste der Rüde lange warten, bis die Richtige für ihn kam.

Zufrieden und entspannt sieht der kleine Mischling aus, wie er da an lockerer Leine durch die Felder in Raadt läuft. Wer ganz genau hinsieht, könnte meinen: Gimli lächelt. Überhaupt ist die Mimik des Rüden ausdrucksstark, beobachtet man seine Regungen, kann man beinahe in seine Seele blicken. Was er wohl mitgemacht hat in seinen ersten Lebensjahren in Rumänien, bevor er nach Deutschland kam? Er wird es nie erzählen können, sein Verhalten indes spricht Bände. Von Angst aber ist kaum noch etwas zu spüren – hin und wieder bleibt Gimli stehen und beäugt die Reporterin, die mit Block und Stift neben seinem Frauchen herläuft, etwas skeptisch. Dann aber lässt er sich gleich wieder streicheln, die Scheu ist überwunden – und weiter geht’s.

Gimli aus dem Mülheimer Tierheim stammte ursprünglich aus Rumänien

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Kein Wunder, dass Gimli sich erstmal mit einem normalen Hundeleben in Deutschland anfreunden musste, war der siebenjährige Rüde doch längere Zeit in einem privaten Tierheim in Rumänien untergebracht – kennengelernt hat der Hund dort nicht viel, Gassigehen etwa oder normale Geräusche eines Haushalts gab es da nicht. Entsprechend unsicher reagierte Gimli, der damals noch Kurty hieß, als er in Deutschland landete.

Eine gewisse Skepsis bleibt, wenn Gimli sich in ungewohnten Situationen wiederfindet. Die Angst, mit der er bei seiner neuen Halterin Susanne Thelen angekommen war, hat sich aber nahezu gelegt. Was dazu geführt hat, sagt die ehemalige Mülheimer Hundetrainerin, sei ein liebevoller und konsequenter Umgang mit ihm.
Eine gewisse Skepsis bleibt, wenn Gimli sich in ungewohnten Situationen wiederfindet. Die Angst, mit der er bei seiner neuen Halterin Susanne Thelen angekommen war, hat sich aber nahezu gelegt. Was dazu geführt hat, sagt die ehemalige Mülheimer Hundetrainerin, sei ein liebevoller und konsequenter Umgang mit ihm. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Über einen Verein war er aus Rumänien eingeführt worden, sollte zunächst bis zur endgültigen Vermittlung auf einer Pflegestelle leben, doch dann gab es Widersprüchlichkeiten in seinen Papieren, erinnert sich Marion Niederdorf, die bis vor Kurzem die Leiterin des Mülheimer Tierheims war: „Da es Probleme mit dem Chip gab – Kurty hatte zwei statt einem Transponder – kam er erst einmal ins Tierheim. Auf der Pflegestelle klappte es auch nicht ganz so gut, deshalb blieb er im Tierheim.“ Und so wurde aus dem Angsthund aus dem Ausland ein Langzeitinsasse in den Zwingern an der Horbeckstraße.

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„Er war sehr ängstlich und vertraute anfangs nur sehr wenigen Menschen, ist aber nie aggressiv geworden“, blickt Marion Niederdorf zurück. Auch einige Interessenten für den kurzbeinigen kleinen Kerl mit dem treuen Blick hätten sich gemeldet. „Aber es klappte nicht“, bedauert die ehemalige Tierheim-Leiterin. Es sollte anderthalb Jahre dauern, bis sich für Kurty eine Perspektive abzeichnete.

Übers Internet war Susanne Thelen auf die Beschreibung von Kurty gestoßen und hat ihre alten Kontakte zum Mülheimer Tierheim aufleben lassen. Die 53-Jährige, die heute in Bochum lebt, hatte lange eine Hundeschule in Mülheim und betreute auch Hunde aus dem Mülheimer Tierheim. „Ich war sehr erfreut, als sich Susanne gemeldet hat“, sagt die damalige Tierheim-Chefin Niederdorf, denn: „Sie hat als ehemalige Hundetrainerin die Erfahrung gehabt, mit dem Kurty zu arbeiten und ihn zu einem fröhlichen Hund zu machen.“

Mit Geduld und Konsequenz wird der ängstliche Mischling zum umgänglichen Hund

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Heute, rund anderthalb Jahre nach dem ersten Kontakt zu dem Vierbeiner, steht wohl fest: Das ist geglückt. Kurty, den Thelen Gimli getauft hat, ist ein unternehmungslustiger, aufgeweckter Hund, der sich der großen, weiten Welt nicht mehr verschließt. „Sein größtes Problem war, zu vertrauen“, blickt Thelen zurück. „Daher habe ich ihn am Anfang überall mit hingenommen und ihm gezeigt: Du kannst das, ich bin doch dabei.“ Liebevoller Umgang und Konsequenz seien der Schlüssel zum Hundeglück gewesen, sagt die Fachfrau.

Bis Gimli aber so lebensfroh wurde, wie er heute ist, brauchte es Geduld. „Wir haben zu Hause zwei wirklich harte Monate durchgestanden.“ Es habe gedauert, bis sich der Rüde in ihre Hundegruppe mit drei weiteren Hunden eingefügt habe und von den anderen Vierbeinern akzeptiert worden sei. „Ich wollte diesen Hund aber nicht aufgeben, denn er hat es echt verdient – ich bereue nicht, dass ich die Zeit in ihn investiert habe.“

Zusammen mit Easy, Anjo und Miron bildet Gimli (3.v.l.) das kleine Hunderudel von Susanne Thelen. Die Bochumerin hatte den rumänischen Mischling aus dem Mülheimer Tierheim adoptiert.
Zusammen mit Easy, Anjo und Miron bildet Gimli (3.v.l.) das kleine Hunderudel von Susanne Thelen. Die Bochumerin hatte den rumänischen Mischling aus dem Mülheimer Tierheim adoptiert. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zu Anfang habe sie den kleinen Mischling zehn Mal im Mülheimer Tierheim besucht, um eine Bindung zu ihm aufzubauen. „Beim dritten Mal hat er mich schon begrüßt“, erinnert sich die Hunde-Trainerin an erste Erfolge. Später dann nimmt sie ihn mit in den Biergarten – ein Territorium voller Männern und damit ein Schreckensszenario für den Hund, der sich vor fremden Männern fürchtet. „Da hab ich Leckerchen an die Nachbartische verteilt, so hat er seine Furcht überwunden.“ Denn mit einer Verhaltensweise tue man gerade unsicheren Hunden keinen Gefallen: „Man darf einen Angsthund nicht in Watte packen und nicht in seiner Angst bestätigen“, betont die Hundetrainerin.

Konsequent und liebevoll ist es Susanne Thelen gelungen, aus dem verängstigten Kurty den lebenslustigen Gimli zu machen. Und die 565 Tage im Mülheimer Tierheim gehören längst in ein anderes Hundeleben.