Gladbeck. Innenminister Herbert Reul spricht in Gladbeck über Grenzen, an die Ermittler stoßen und Gesetze, die seiner Meinung angepasst werden sollten.

Um wirksam gegen Terror oder auch Clan-Kriminalität vorgehen zu können, braucht es moderne Fahndungsmethoden und entsprechende Gesetzesänderungen. Davon ist NRW-Innenminister Herbert Reul überzeugt. Mit seinen Thesen stieß er bei der CDU und ihren Gästen in Gladbeck auf Zustimmung. Rund zwei Stunden lang berichtete der Minister am Montagabend über aktuelle Entwicklungen rund um das Attentat von Solingen, aber auch über den Kampf gegen Clan-Kriminalität.

Herbert Reul in Gladbeck
Das Interesse war groß, viele Gladbeckerinnen und Gladbecker wollten hören, was der Innenminister zu sagen hatte. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Im Moment gebe es viel Aufmerksamkeit, viel Nachdenklichkeit und Anteilnahme, so Reuls Beobachtung. Er wünsche sich nur, dass das diesmal länger anhalte, als nur ein paar Tage. Und dass aus dem Anschlag in Solingen auch Lehren gezogen würden. „Die Situation verlangt Taten, nicht nur Sprüche“, machte Reul deutlich. Im Berufskolleg Gladbeck nutzte er seinen Auftritt für ein kämpferisches Plädoyer für den Rechtsstaat. Den gelte es nun fit und wehrhaft zu machen.

Reul fordert im Gladbecker Berufskolleg einen stärkeren Rechtsstaat

Reul zählte Mittel auf, die aus Sicht seiner Sicht im Kampf gegen Terror und Kriminalität helfen könnten, und für die nun entsprechende Rechtsnormen, sprich Gesetze, erlassen werden sollten. Viel zu lange schon diskutiere man über die Vorratsdatenspeicherung. Aus Sicht von Reul ein wichtiges Instrument, um auch Clan-Kriminalität und sexuellen Missbrauch effektiv zu bekämpfen. Ja, die Polizei schaffe es vielfach auch so, lobte der Innenminister, doch sei die Belastung der Beamtinnen und Beamten enorm.

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Und gerade wenn es um den Kampf gegen Kinderpornografie gehe, rede man über eine unvorstellbar hohe Zahl an Daten, die gesichtet werden müssten. Hier könne Technik helfen, sagt Reul mit Blick auf Künstliche Intelligenz (KI) oder Gesichtserkennung. Wichtig sei es nun, Normen zu schaffen und den Einsatz dieser Mittel zu regeln. Wenn es um die Abwägung gehe, dürfe nicht immer der Datenschutz höher gewertet werden, so die Reul-Forderung. Unterstützung erhielt er in dem Punkt von einem Mitglied der Gewerkschaft der Polizei aus dem Publikum. Der Innenminister wünscht sich, dass die Menschen auch für solche Anliegen des Rechtsstaats auf die Straße gingen und demonstrierten.

Im Zweifel kleinen Schritte und realistische Versprechen

Gleichzeitig warnte Reul auch davor, zu hohe Erwartungen zu wecken. Man dürfe keine Versprechen machen, die man am Ende nicht halten könne. Das führe lediglich dazu, dass Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in Politik oder gar den Staat verlieren. Besser sei es, im Zweifel kleine Schritte zu machen und realistische Versprechen abzugeben.

Herbert Reul in Gladbeck
Die Zuhörerinnen und Zuhörer in Gladbeck freuten sich über Klartext vom NRW-Innenminister. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Zunächst brauche es, wie beim Thema Clan-Kriminalität, eine Beschreibung der Situation. Das hätten er und die Landesregierung angepackt, schreibt sich Reul auf die Fahnen. Allein daran habe es über viele Jahre gefehlt. Ja, er könne nicht ausschließen, dass er durch seine Beschreibung bestimmte Leute, die einen dieser Familiennamen tragen, stigmatisiere. „Aber ich habe immer versucht, deutlich zu machen, dass nicht jeder, der diesen Namen trägt, kriminell ist.“ Nur brauche es eben eine solche Zustandsbeschreibung.

Bekämpfung der Clan-Kriminalität geht vor allem über Nadelstiche

Klar sei aber auch, dass das Problem damit nicht gelöst sei, denn fast überall in der Politik gelte: „Es geht nicht, Probleme von heute auf morgen zu lösen, wir haben keine Wunderwaffe und sind auch keine Zauberer.“ Entsprechend dürfe man auch keine solchen Erwartungen wecken. Wer Schritt für Schritt vorgehe, das offen kommuniziere, der gewinne auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, so Reuls Hinweis an die Kommunalpolitiker im Saal.

Bei den Clans setze man eben auf Nadelstiche. Man stehe ihnen ständig auf den Füßen, bei jedem kleinen Verstoß gegen den Rechtsstaat sollten sie merken, dass der Staat sich wehrt, erläutert Reul das Vorgehen. Das sei: „Learning by Erleben“, so der Minister. Und das funktioniere, weil viele staatlichen Ebenen und Organisationen da an einem Strang ziehen.

Immer wieder warnte Reul davor, zu hohe Erwartungen zu wecken. Das gelte auch beim Thema Abschiebungen. Man dürfe nicht den Eindruck erwecken, wenn man besser abschiebe, sei das Problem gelöst. Man sei in NRW bei den Abschiebungen durchaus erfolgreich, aber: „Wir schieben in einem Jahr so viele ab, wie in einem Monat neu kommen.“ Schon nach dem Anschlag von Mannheim seien mehr Abschiebungen versprochen worden. Vielmehr sprach Reul sich für Kontrollen an den Grenzen aus. Während der EM habe man gemerkt, wie effektiv das gewesen sei.

„Learning by Erleben“

Innenminister Herbert Reul
beschreibt die Politik der Nadelstiche gegen Clans

Skeptisch zeigte er sich auch bei einem generellen Messerverbot. Aus Reuls Sicht seien Verbotszonen, die dann auch kontrolliert werden könnten, effektiver. Das sei gangbar und als Versprechen einzuhalten. Er glaube auch nicht, dass sich Kriminelle von einem Verbot abschrecken ließen. Der Täter in Solingen habe ein Messer mit einer 15-Zentimeter-Klinge verwendet. „So ein Messer ist heute schon verboten.“

Gladbeck-Souvenirs als Dankeschön für den NRW-Innenminister

Die rund 200 Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal lauschten Reuls Ausführungen interessiert, am Ende gab es viel Dank für die klaren Worte. Gleichzeitig wurde bei der abschließenden Fragerunde an einigen Stellen auch deutlich, dass der Minister den Wählerinnen und Wählern nicht nach dem Mund redet. Dem Wunsch nach einer rund um die Uhr besetzten Polizeiwache in Gladbeck erteilte er nämlich – charmant, aber deutlich – eine Absage.

Als in seinem Heimatort die Wache dichtgemacht wurde, habe er noch protestiert und eine Petition zu deren Erhalt unterschrieben. Heute würde er das nicht mehr tun, macht Reul klar, denn: Es komme nicht darauf an, wo die Polizei stationiert sei, sondern wie schnell sie bei Gefahr vor Ort sei. Das habe er inzwischen gelernt. Die Technik helfe auch da. Durch GPS etwa sei jederzeit sichtbar, wo die Einsatzwagen sich bewegen und am schnellsten am Einsatzort sein können. Gleichzeitig lobte er die Arbeit des Präsidiums und der Polizeipräsidentin, die machten das hier schon gut, so die Einschätzung des Ministers.

Am Ende gab es viel Applaus für Reuls Ausführungen, von den Gladbecker Parteifreunden gab’s als Dankeschön echte Gladbeck-Souvenirs, Gewürze vom Kleinen Bergmann und eine Grubenhelden-Kulturtasche.

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