Gladbeck. Das Gladbecker Modelabel Grubenhelden hat Großes vor – mit einer aufgegebenen Kirche. Was es noch Neues gibt, verrät Label-Gründer Matthias Bohm.
Vier Jahre lang ging es immer nur mit Vollgas voran. In einem Tempo, weitaus rasanter als jede Grubenfahrt. Doch dann bremste die Corona-Pandemie auch das Gladbecker Modelabel Grubenhelden aus. Und Gründer Matthias Bohm machte die für ihn ungewohnte Erfahrung, dass auch entschleunigtes Arbeiten Vorteile haben kann.
Das Gladbecker Modelabel feiert seinen fünften Geburtstag
Jetzt, wiederum ein Jahr später, feiert das junge Unternehmen mit der Bergbau-DNA seinen fünften Geburtstag. Über die vergangenen Monate sagt Label-Gründer Bohm: „Wir haben uns einige blaue Flecken geholt in der Pandemie, aber wir kommen durch!“ Die drei Stores in Gladbeck, Essen und Oberhausen sind – mal wieder – coronabedingt geschlossen. Aber online, so Bohm, läuft der Verkauf der Klamotten gut. Und Zeit, Neues in Ruhe zu planen und auch einmal langfristig und perspektivisch zu denken, ist zum ersten Mal auch vorhanden. „Eine ganz neue Erfahrung“, wie der 38-Jährige zugeben muss.
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Ende 2019 hat Bohm die aufgegebene St. Elisabeth-Kirche in Ellinghorst gekauft, genau gegenüber vom „Freiraum“-Store der Grubenhelden gelegen. Als riesiger Lagerraum dient das Gebäude im Moment. Doch natürlich hat Matthias Bohm weitaus mehr vor mit der alten Kirche, die im Innern wie ein Bergbaustollen gestaltet ist. Dass die Neunutzung näher rücken könnte, fällt wahrscheinlich allein schon auf, wenn man auf das schaut, was seit einiger Zeit auf dem Außengelände der Kirche gelagert wird. Dort liegen nämlich rostige Schienen, riesige Transportbehälter und noch so manches mehr, was bis vor kurzem noch an schweren Gerätschaften im Bergbau zum Einsatz gekommen ist. Matthias Bohm hat einen Großeinkauf getätigt und der RAG gleich 30 Tonnen davon abgekauft.
Unternehmer Bohm hat der RAG Arbeitsgeräte abgekauft, die früher im Bergwerk Ibbenbüren im Einsatz waren
Das Material stammt vom Bergwerk Ibbenbüren. Die Zeche dort wurde zeitgleich mit Prosper-Haniel in Bottrop geschlossen. Es war das Ende des deutschen Steinkohlebergbaus. In Ellinghorst werden die rostigen Relikte wahrscheinlich schon bald eine neue Nutzung erfahren. Bohm will sowohl die Kirche als auch das Außengelände zu einer modernen und stylischen Bergbauwelt umgestalten. Genaueres will der 38-Jährige noch nicht verraten. Das Genehmigungsverfahren läuft noch. Aber an den Plänen, so der Grubenhelden-Chef, ist in den vergangenen Wochen ordentlich gearbeitet worden.
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„Die ersten Jahre der Grubenhelden sind wie im Flug vergangenen“, sagt Matthias Bohm. Die Ereignisse haben sich fast überschlagen, so schnell ging alles. Angefangen mit der Tacken-Verleihung an das Gladbecker Start-up 2017 bis zur eigenen Show auf der Fashion Week in New York 2019 und natürlich den zahlreichen Kooperationen, die das Label eingegangen ist. Natürlich wurde parallel auch immer weiter an der Kollektion gearbeitet. Die Streetwear seines Labels ist für Matthias Bohm nach wie vor das beste Vehikel, um auf coole Art und Weise die Geschichte seiner Heimat Ruhrgebiet zu erzählen. „Das hat uns die ganzen Jahre über angetrieben. Aber wir hatten nie wirklich die Chance, etwas vernünftig zu entwickeln“, sagt der Unternehmern. Das hat sich nun – auch coronabedingt – geändert.
Die neue Kollektion der Grubenhelden soll im Herbst präsentiert werden
Kohle und Stahl
Kohle und Stahl – das ist einfach nicht zu trennen in der Reviergeschichte: Ende 2020 ist Matthias Bohm eine Kooperation mit Thyssenkrupp eingegangen. So produzieren die Grubenhelden nun mit dem sozialen Modelabel „august & alfred“ auch Kleidungsstücke, in denen Teile von Schmelzermänteln verarbeitet werden. Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf der Produkte geht an gemeinnützige Projekte.
Der Name der Modelinie „august & alfred“ geht auf die Gründerväter des Konzerns, August Thyssen und Alfred Krupp, zurück. Er soll etwa auch an die soziale Verantwortung erinnern, die sie im 19. Jahrhundert übernommen haben, etwa durch den Bau der Zechenkolonien, die für Menschen im Ruhrgebiet noch heute Heimat sind.
Die Entwicklung seines jungen Unternehmens vergleicht Bohm mit der eines Babys, das nun laufen gelernt hat. „Wir haben uns noch stärkere Standbeine zugelegt.“ Die braucht der Gladbecker aber auch, denn das Kirchen-Projekt ist noch einmal von einer anderen Dimension als alles, was sein Team und er sich bislang so vorgenommen haben.
Doch auch die „normale“ Arbeit geht weiter an der Maria-Theresien-Straße in Ellinghorst. In den Räumen über dem „Freiraum“ entsteht aktuell die neue Kollektion, die im Herbst präsentiert werden soll. Dabei sollen diesmal die Sachen für Kinder – die Kohlenknirpse-Kollektion – eine besondere Rolle spielen.
Im Juni oder Juli, hofft Matthias Bohm, sind hoffentlich genügend Menschen gegen Corona geimpft. „Ist die Herdenimmunität erreicht, kann die Welt zumindest zu ein wenig mehr Normalität zurückkehren.“ Bis dahin liegt aber noch einiges an Arbeit vor dem Grubenhelden-Team. Denn Matthias Bohm nimmt gedanklich schon wieder Tempo auf: „Wenn’s wieder losgeht, dann wollen wir dem Ganzen mindestens drei Schritte voraus sein.“