Duisburg. Gewalt, Drogen, Messerattacke – die Videoüberwachung soll die Lage in Meiderich verbessern. Was die Polizei beobachtet hat und was Passanten berichten.

Die Polizeikamera soll Verbrechen verhindern und das Sicherheitsgefühl erhöhen. Seit gut zwei Wochen steht sie auf der Von-der-Mark-Straße, nah am Bezirksamt und der Rolltreppe zur U-Bahn. Sie ist eine Reaktion auf viele Verbrechen. Das Gebiet rund um den Bahnhof Meiderich und die Einkaufsstraße ist einer von neun Kriminalitätsschwerpunkten in Duisburg. Ladenbesitzer und Anwohner beklagen dort seit langem schlimme Zustände. Es gibt Diskussionen über randalierende Jugendbanden, Überfälle, Bedrohungen, Pöbeleien und illegale Prostitution.

Zuletzt soll es besser geworden sein, doch eine Messerattacke hat diese positive Trendwende brutal beendet. Zunächst.

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Welchen Effekt hat die mobile Polizeikamera? Fühlen sich die Menschen in Meiderich jetzt sicherer? Geht die Trendwende weiter? Ja, findet Augenoptiker Marvin Willems: „Seitdem die Kamera hier steht, ist es besser geworden.“ Längst verschwunden ist der Zettel an dem Brillenfachgeschäft, der die Kundschaft vor der verschlossenen Eingangstür gebeten hatte, nach Einbruch der Dunkelheit zu klopfen. Doch auch schon vorher habe sich die Situation verbessert.

Ladeninhaber und Anwohner schilderten schlimme Zustände: Die Situation in Meiderich ist besser geworden

So sind der Kripo bereits im Herbst 2024 und jetzt erneut im Februar Schläge gegen eine große Jugendbande gelungen, die bei ihren Einbrüchen auch Geschäfte auf der Von-der-Mark-Straße heimsuchte. „Wir haben alle die Nase voll“, sagt Marvin Willems, der die Probleme mit Halbstarken und jungen Erwachsenen schon seit sechs Jahren allzu gut kennt. Die Täter seien aber inzwischen nicht mehr auf der Einkaufsstraße gesehen worden.

Angst vor Überfällen? Viele Ladenbesitzer, Verkäufer, Kunden und Anwohner berichten übereinstimmend, dass sich die Situation auf der Meidericher Einkaufsstraße merklich verbessert hat.
Angst vor Überfällen? Viele Ladenbesitzer, Verkäufer, Kunden und Anwohner berichten übereinstimmend, dass sich die Situation auf der Meidericher Einkaufsstraße merklich verbessert hat. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Das bestätigen der Redaktion auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Geschäften. Zwar sei es besser geworden, aber noch nicht zufriedenstellend. Sie berichten, dass immer noch viel gestohlen wird, sobald Waren draußen auf der Fußgängerzone präsentiert werden. Dass es auch in den Läden weiterhin viele Diebstähle gibt. Zusätzlich sollen in der Tiefgarage von Edeka immer noch Drogendeals laufen. Eine Mitarbeiterin erzählt sogar, dass sie zur Selbstverteidigung Pfefferspray in der Tasche hat. Der Auslöser war jedoch eine unschöne Begegnung in Meiderich-Berg – nicht im Umkreis des Busbahnhofs.

Polizei Duisburg: „Unsere Kamera hat den gewünschten Effekt erzielt“

„Es ist bisher wirklich ruhig, unsere Kamera hat den gewünschten Effekt erzielt“, sagt Polizeisprecherin Ronja Baerecke auf Nachfrage. So seien die Jugendbanden tatsächlich derzeit „nicht mehr auffällig“. Seitdem die Kameras der Videoanlage am 5. Februar live geschaltet wurden, sind demnach keine zehn Vorfälle beobachtet worden (Stand: 18. Februar). Dabei handele es sich jeweils um kleinere Delikte. Schon in den Tagen bevor die Live-Bilder übertragen wurden, seien allerdings nur noch wenige Polizeieinsätze im Bereich der Einkaufsstraße notwendig gewesen. Ronja Baerecke spricht von einer „niedrigen zweistelligen Anzahl“ und macht dafür auch verantwortlich, dass mehr Polizistinnen und Polizisten auf Streife unterwegs sind.

Dass die Videoüberwachung sinnvoll ist, davon ist auch Ahmed Mustafa überzeugt. Zwar haben der 55-Jährige und seine beiden Bekannten beim Einkaufen in der Abenddämmerung kein mulmiges Gefühl und beantworten die Frage mit einem herzhaften Lachen. Aber sie kennen Meidericher, die sich jetzt sicherer fühlen als noch vor wenigen Wochen. Daher wären die Männer offen für mehr Polizeikameras. Lieber für festinstallierte wie am Pollmannkreuz in Marxloh. Manche Meidericher wünschen sich sogar eine flächendeckende Videoüberwachung wie im englischen London.

Nicht im Fokus der Polizeikamera: Diebstähle und Ladendiebstähle sollen weiterhin an der Tagesordnung sein.
Nicht im Fokus der Polizeikamera: Diebstähle und Ladendiebstähle sollen weiterhin an der Tagesordnung sein. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Für Görkem Yilmaz macht die Kameraanlage „keinen Riesenunterschied“; die vielen Streifenpolizisten und den neuen Bezirkspolizisten hält er für wirksamer. Die aktuell ruhige Situation empfindet der 20-Jährige allerdings als trügerisch. Daher würde er weder seine Freundin, seine Schwester noch seine Cousinen, „niemanden aus meiner Familie“, alleine im Dunkeln über die Einkaufsstraße laufen lassen. Ohnehin sieht er Mädchen und Frauen durch randalierende oder pöbelnde Jugendliche einer größeren Gefahr ausgesetzt als sie jungen Männern wie ihm droht. Trotzdem, ergänzt er, sorgen sich Mütter auch um ihre Söhne.

Stimmung in Meiderich bleibt weiterhin aufgeheizt

Deutlich lockerer sieht Ayşe die Lage. Sie ist gebürtige Meidericherin, lebt seit mehr als 50 Jahren im Stadtteil und kommt gerade mit ihrer 20 Jahre alten Tochter Yasemin von einem schnellen Einkauf. „Wir haben hier noch nie etwas Schlimmes erlebt“, sagt die Mutter und findet, dass man eigentlich auf der Von-der-Mark-Straße problemlos und „ganz friedlich“ shoppen kann. Es gebe „viel schlimmere Ecken“ in Meiderich.

Das angstvolle Gerede über Überfälle und über Jugendbanden jedoch haben die beiden Meidericherinnen durchaus mitbekommen. Auch, dass Passanten bepöbelt und beschimpft wurden. Allerdings merke Ayşe deutlich, dass nun vor der Bundestagswahl plötzlich nur noch über Flüchtlinge und Migranten gesprochen wird. Dass sie für viele keine echte Meidericherin ist, obwohl sie schon ihr Leben lang hier wohnt.

In der Tiefgarage, so berichten ihre Kunden, laufen immer noch Drogengeschäfte.
In der Tiefgarage, so berichten ihre Kunden, laufen immer noch Drogengeschäfte. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Meiderich hat sich definitiv verändert“, ergänzt Heike vom Ende. Viele Alteingesessene seien längst weggezogen, das schüre bei einigen Zurückgelassenen durchaus die Angst vor Überfremdung. Zudem sei das marode Taubenhaus ein starkes Symbol für eine Negativentwicklung. Die 58-Jährige schaut aber differenziert auf ihre Heimat, denn „in Meiderich haben wir ein nettes Miteinander“, und der Stadtteil habe weiterhin „viel Charme“.

Als Polizistentochter begrüßt sie, dass inzwischen mehr Beamten patrouillieren. Allerdings sei „Sicherheit jetzt überall ein Thema“. Nicht alle auffälligen Jugendlichen sieht die Meidericherin als Verbrecher. Viele wüssten einfach nicht, wohin mit ihrer Energie oder sie legten idiotische Mutproben ab. Trotzdem gebe es schockierenden Vandalismus. „Die Probleme dürfen wir nicht ignorieren oder kleinreden, aber sie dürfen nicht das Bild von unserem Meiderich bestimmen“, fordert Heike vom Ende. Leider seien die Zustände rund um den Bahnhof und die Einkaufsstraße deutlich schlimmer beschrieben worden, als sie tatsächlich seien. Das hatte zuletzt auch Bezirkspolizist Julian Korf so vertreten – kurz vor der Messerattacke vom 1. Februar.

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Tatsächlich ist auch für Ali Oruk das derzeitige Image von Meiderich unverdient schlecht. Von der Polizeikamera ist der Gastronom allerdings nicht überzeugt. „Die bringt nichts, die hat keinen Effekt.“ Die Anlage steht direkt vor dem „Bazar Streetfood“, wo er Döner und türkische Pizza verkauft.

Seine Kundschaft hinterfrage den Nutzen der Video-Anlage ebenfalls, sehe darin ein Placebo für die Wahlberechtigten, damit diese sich und ihre Sorgen noch rechtzeitig vor dem Urnengang ernst genommen fühlen. Geändert habe sich die Lage für Ali Oruk und sein Team im Imbiss hingegen durch die Kamera-Anlage nicht. Allerdings, so räumt er ein, war die Dönerbude nie das Ziel von Einbrechern oder Ladendieben wie nebenan der Edeka, der Lottoladen oder das Brillenfachgeschäft. „Was sollen sie hier bei mir auch klauen? Limodosen und Salat?“