Duisburg. Ladeninhaber haben Angst, Anwohner schildern schlimme Zustände im Stadtteil: In Meiderich verspricht die Stadt jetzt neue Lösungen für die Einkaufsstraße.

Im Kampf um ihre Einkaufsstraße bekommen die Menschen aus Meiderich jetzt Hilfe von der Stadt Duisburg. Aus Angst vor Überfällen schließen einige Geschäfte vor Einbruch der Dunkelheit. Randalierende Jugendbanden, Gewalt, Vandalismus, Drogenhandel, Diebstähle, und illegale Prostitution sind weitere Probleme im Stadtteil. Wie schlimm die Lage wirklich ist, wie groß die Furcht tatsächlich ist, haben jetzt gut hundert Betroffene dem Ordnungsamt auf einer Versammlung mitgeteilt – und Lösungen präsentiert bekommen.

„Wir haben hier ein Problem“, bestätigt Michael Rüscher auf einer Bürgerversammlung der SPD Meiderich. Der städtische Dezernent für Sicherheit, Ordnung, Wirtschaft und Integration spricht offen und will „nichts schönreden“. So gehöre das Umfeld des Meidericher Bahnhofs, einschließlich der Einkaufsstraße, zum „Dauerauftrag“ des Ordnungsamtes, dessen städtischer Außendienst dort täglich sei.

Bereits 14.000 Bußgelder rund um den Meidericher Bahnhof: Duisburger Ordnungsamt will durchgreifen

Zudem gebe es auch Schwerpunktkontrollen, teils mit der Polizei. In diesem Jahr sind dort bereits 14.000 Verwarngelder und Bußgelder verhängt worden, etwa für Verstöße gegen Jugendschutz, für unerlaubten Alkoholkonsum oder für Lärmbelästigung. Die Jugendbanden sieht Michael Rüscher als „schwieriges Klientel“, zu dem auch Intensivtäter gehören. Um neben der Justiz die Jugendkriminalität anzugehen, setzt die Stadtverwaltung in Meiderich auf Streetworker.

Duisburgs Sicherheitsdezernent Michael Rüscher (links) verspricht den Menschen in Meiderich Lösungen gegen die schlimmen Zustände auf der Einkaufsstraße und rund um den Bahnhof.
Duisburgs Sicherheitsdezernent Michael Rüscher (links) verspricht den Menschen in Meiderich Lösungen gegen die schlimmen Zustände auf der Einkaufsstraße und rund um den Bahnhof. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Deutlich verbessern sollen die Situation auf und um die Von-der-Mark-Straße demnächst der neue Bezirksdienst des Ordnungsamtes. Für alle sieben Stadtbezirke hat der rot-schwarz geführte Rat der Stadt im Herbst insgesamt 15 zusätzliche Stellen für den städtischen Außendienst beschlossen. Auschlaggebend dafür waren gute Erfahrungen, die die Stadt mit mehr Präsenz in Brennpunkten wie dem Pollmannkreuz in Marxloh oder am Kometenplatz in Walsum gemacht hat.

„Das ist unser Pendant zum Dorfsheriff der Polizei“, erläutert Michael Rüscher. Dieses Modell stamme aus Rotterdam, und die Außendienstler sollen in Duisburg ab Frühjahr 2025 als „Sicherheitsbotschafter“ auftreten zwischen Anwohner und Geschäftsleuten, Verwaltung und Stadttöchtern.

Eskorte für Ladenbesitzer nach Einbruch der Dunkelheit

Ganz konkret sollen diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich auch mit Ladeninhabern und Verkäufern absprechen, damit keine Geschäfte mehr aus Angst vor Überfällen früher schließen. Der neue Bezirksdienst will die Betroffenen nach regulärem Geschäftsschluss als Sicherheitseskorte zur Sparkasse oder zu ihren Autos begleiten. Anders als die Polizei haben diese Außendienstler natürlich keine Pistolen oder Maschinenpistolen, ebenso wenig Schlagstöcke wie der städtische Sicherheitsdienst Octeo. Aber sie können Selbstverteidigung, haben Pfefferspray und Bodycams.

Der städtische Außendienst des Duisburger Ordnungsamtes patrouilliert derzeit täglich auf der Einkaufsstraße und im Umfeld des Bahnhofs. Demnächst soll es einen Bezirksdienst als „Sicherheitsbotschafter“ geben. (Archivbild)
Der städtische Außendienst des Duisburger Ordnungsamtes patrouilliert derzeit täglich auf der Einkaufsstraße und im Umfeld des Bahnhofs. Demnächst soll es einen Bezirksdienst als „Sicherheitsbotschafter“ geben. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Bezirksbürgermeister Peter Hoppe (SPD) fordert, dass diese Mitarbeiter in freie Räume an der Weißenburger Straße einziehen. Möglich sei das sofort. „Senioren aus Meiderich fahren nicht nach Ruhrort zur Polizeiwache, um eine Anzeige zu erstatten.“ Das sei nicht vorgesehen, entgegnet Michael Rüscher und verweist auf Streifen auf der Straße, auf geplante Sprechstunden und Infostände auf dem Wochenmarkt. Doch bei vielen der circa hundert Menschen im Gemeindesaal der Evangelischen Kirche Meiderich kommt die Idee eines festen Anlaufpunktes wie im Averdunk-Centrum sehr gut an.

Abwärtsspirale in Duisburg-Meiderich wegen geschlossener Polizeiwache?

Bestärkt werden die Befürworter durch Duisburgs SPD-Vorsitzenden Mahmut Özdemir, für den die Situation in Meiderich eine klare Ursache hat: „Polizeiwachen wurden unter größtem Protest der Bürgerinnen und Bürger geschlossen.“ Der Rechtfertigung der Polizei, „Steine geben keine Sicherheit“ und Stadtteilwachen seien zu personalintensiv, folgt der Bundesstaatssekretär nicht. Die Menschen „haben einen Anspruch, sich sicher zu fühlen“ und „wir brauchen eine Wache in Meiderich“. Ebenso in Homberg, was die Zustände rund um die Weißen Riesen belegen würden.

Was ist los in Meiderich? Fast hundert Gäste diskutieren die schlimmen Zustände in ihrem Stadtteil bei der Bürgerversammlung im Saal der Ev. Kirchengemeinde Meiderich.
Was ist los in Meiderich? Fast hundert Gäste diskutieren die schlimmen Zustände in ihrem Stadtteil bei der Bürgerversammlung im Saal der Ev. Kirchengemeinde Meiderich. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Dagegen möchte die Ratsfrau Pelin Osman (Grüne) nicht auf neue Polizeiwachen setzen. Die ordnungspolitische Sprecherin der Duisburger Grünen möchte die 15 Polizistinnen und Polizisten, die man Dreischichtbetrieb für eine Wache braucht, lieber auf Streife in Meiderich haben. Polizeikameras, wie sie derzeit geprüft werden, sieht sie ebenfalls kritisch, da dort auch Menschen rund um die Uhr vor den Bildschirmen sitzen müssen.

Ruhige und konstruktive Diskussion statt Gewaltfantasien gegen Kinder und Jugendliche

Die Lokalpolitikerin lobt die größtenteils ruhige und konstruktive Diskussion, die anders als in anderen Bürgerversammlungen ohne Gewaltfantasien und Bewaffnungspläne gegen Kinder und Jugendliche auskomme. „Wir reden immer noch von Kindern“, betont sie und unterstreicht, dass sie „ganz fest an Prävention“ glaube. Daran, Jugendliche „mit guten Maßnahmen abzuholen“ statt sie aufzugeben oder wegzusperren. Sie habe sich in Meiderich „noch nie unsicher gefühlt“, weiß aber aber auch um die „große Herausforderung“, die die aktuelle Situation rund um die Von-der-Mark-Straße mit sich bringt.

Viele Meidericherinnen und Meidericher schätzen die Situation dagegen anders ein als Pelin Osman, fühlen sich unsicher und haben Angst. Doch der Abend offenbart, dass gefühlte Sicherheit sehr unterschiedlich ist. So wünschen sich fast alle mehr Polizei und mehr Mitarbeiter des Ordnungsamts.

Sicherheitsgefühl ist sehr subjektiv: Von Messerstechern bis zu Elektrorollern auf Fahrradwegen

Doch es geht dabei nicht nur um Angst vor Messerstechern, Räubern, Junkies, Drogendealern oder randalierenden Jugendlichen. Vielen sind vor allem die Autofahrer ein Dorn im Auge, die unerlaubt in die Fußgängerzone fahren oder auf der Biesenstraße Rennen veranstalten. Andere stören sich an betrunkenen Obdachlosen rund um den Busbahnhof oder an Menschentrauben spätnachts vor Imbissen oder Trinkhallen.

Duisburg-Meiderich: Mehr Artikel zur Abwärtsspirale im Stadtteil

Es gibt Berichte, dass Anwohner, Ladenbesitzer, Verkäufer oder Kunden bedroht werden, wenn man gegen Fahrverbote oder Lärm den Mund aufmacht. Dass skrupellose Vermieter ihre Wohnungen völlig überbelegen. Beschwerden über wilde Müllkippen, Prostitution in Tiefgaragen oder im Stadtpark und dortige verbotene Grillpartys hört sich Michael Rüscher ebenfalls an. Angesprochen werden auch wilde Müllkippen oder achtlos umgestoßene Elektroroller auf Fahrradwegen. Die Missstände sind also vielfältig, und die Problemlage ist sehr komplex.

„Wenn wir alle unseren Frust ablassen, dann reicht der Abend nicht“, stellt ein Senior fest, der auf der Von-der-Mark-Straße aufgewachsen ist und dort noch immer wohnt. Er empfindet die Negativentwicklung seines Stadtteils und der Einkaufsstraße „als Behördenversagen auf ganzer Linie“. Ein Großteil seiner Freunde und Bekannten sei wegen der Zustände bereits weggezogen. Der angekündigte Vorstoß des Ordnungsamtes sei allerdings „lobenswert“ und gebe den Betroffenen Hoffnung.

Runder Tisch wird gegründet mit Behörden, Anwohnern und Geschäftsleuten

„Wir tun unser Bestes“, verspricht der Dezernent und bekräftigt: „Sie haben Anspruch auf Sicherheit.“ So nimmt er später noch viele Hinweise entgegen, wo die Stadt Duisburg rund um die Von-der-Mark-Straße Missstände kontrollieren und abstellen soll. Als im Saal der Vorschlag aufkommt, einen Runden Tisch zu gründen mit dem Ordnungsamt, Jugendamt, der Polizei, mit Anwohnern, Hauseigentümern, Ladenbesitzern, Gastronomen und Lokalpolitkern, sagt Michael Rüscher sofort zu. Ein erstes Treffen ist im neuen Jahr geplant – und dann soll die Stadtverwaltung über Erfolge sprechen, die der Abwärtsspirale von Meiderich entgegenwirken.

Bei künftigen Bürgerversammlungen wünscht sich die SPD außerdem mehr Meidericher mit Migrationshintergrund; diese waren diesmal kaum vertreten.

>> Vorfälle und Missstände an Stadt und Polizei melden

  • Der Meidericher SPD-Vorsitzende Udo Winkler und die Ratsfrau Pelin Osman appellieren an die Menschen in Meiderich, Vorfälle beim Ordnungsamt und Verbrechen bei der Polizei zu melden. Denn nur erfasste Missstände und angezeigte Straftaten haben Einfluss auf zukünftige Maßnahmen. Das bestätigt auch Thorsten Bleckmann, der Chef des städtischen Außendienstes und der geplanten Bezirksbeamten. Erreichbar ist der städtische Außendienst unter 0203 283-3900 oder per Mail an sad@stadt-duisburg.de
  • Die Bezirksvertretung Meiderich/Beeck hat im Oktober einstimmig einen umfangreichen Maßnahmenkatalog für die Einkaufsstraße und den Bahnhof beschlossen. Die Messerverbotszone, die darin auch die SPD gefordert hat, wurde jedoch bei der Bürgerversammlung nicht mit einer Silbe erwähnt.