Duisburg. Überfälle und Gewalt: „Wir können nicht mehr in Frieden einkaufen gehen“, klagen die Meidericher. Vertreiben diese Maßnahmen endlich die Angst?
Aus Angst vor Überfallen schließen inhabergeführte Geschäfte neuerdings, bevor es dunkel wird auf der Meidericher Einkaufsstraße. Die ständig eingeschlagenen Fenster des Edeka-Markts bleiben so lange verbrettert, bis Sicherheitsgitter eintreffen. Im Kampf gegen Gewalt, Vandalismus, Drogenhandel, Diebstähle, Überfälle und illegale Prostitution soll es jetzt drastische Maßnahmen geben. Ein umfangreiches Handlungskonzept für mehr Sicherheit hat die Bezirksvertretung Meiderich/Beeck nach emotionaler Debatte am Donnerstagabend einstimmig beschlossen.
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„In Meiderich ist unsere Dorf-Idylle in Gefahr. Wir können nicht mehr in Frieden einkaufen gehen“, beklagt Udo Winkler (SPD) und macht dafür etwa Drogen, Raufereien und Übergriffe am Busbahnhof und an der Von-der-Mark-Straße verantwortlich. Helfen sollen in Zukunft mobile Polizeikameras und Messerverbotszonen. Aber am wichtigsten sei: mehr Präsenz von Polizei und Ordnungsamt. „Diese Präsenz macht weitere Maßnahmen vielleicht überflüssig“, hofft Winkler, „aber erstmal brauchen wir hier Ruhe.“
Der Beschluss richtet sich rechtlich jedoch nur an den Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung. Der Polizei Duisburg kann die Bezirksvertretung nicht in die Verbrechensbekämpfung reinreden. Allerdings gibt gelungene Beispiele von gelungener Zusammenarbeit vom Ordnungsamt mit der Polizei an Kriminalitätsschwerpunkten.
Hilfeschrei aus Meiderich an Polizei und Stadtverwaltung
Das Handlungskonzept, ergänzt Christof Eickhoff (CDU), biete dem Ordnungsamt und der Polizei „ausreichend Spielraum“, um auf die schlimmen Zustände zu reagieren. Doch reagieren müssten sie dringend. „Das ist ein Hilfeschrei aus Meiderich an die Verwaltung, endlich mal tätig zu werden“, so der Christdemokrat. Seit vielen Jahren gebe es Hinweise und Beschlüsse, um die Situation auf der Von-der-Mark-Straße zu verbessern, die im Rathaus ignoriert würden. Nun sei ein „nahezu rechtsfreier Raum“ entstanden.
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Im Polizeipräsidium seien die Probleme ebenfalls seit vielen Jahren bekannt, betont CDU-Ratsfrau Gertrud Bettges, „aber getan hat sich nichts.“ Im Gegenteil, es werde immer schlimmer, und „die Zustände sind eine Katastrophe“. Dieser Einschätzung stimmt auch Sabine Dehnen (AfD) zu und begrüßt grundsätzlich den gemeinsamen Antrag von SPD, CDU und dem Wählerbündnis „Solidarität für Duisburg“.
Allerdings bezweifelt sie, dass messerfreie Zonen wirklich etwas ausrichten können. Wichtiger ist ihr, dass Polizisten und andere Ordnungskräfte den Busbahnhof und die U-Bahnstation während der Schulzeiten im Blick haben. Sie fordert: „Schulkinder müssen sicher zu den Schulen kommen können.“
Derweil kritisiert Dr. Detlef Feldmann (Linke), dass im Handlungskonzept und in der emotionalen Diskussion „alles in einen Topf geworfen“ werde. Selbstverständlich müsse etwas gegen Kriminelle getan werden. Aber in einer Debatte über Gewalttäter, Drogendealer und Räuber auch Radfahrer oder Falschparker aufzuführen, die eine Fußgängerzone missachten, hält er für „maßlos übertrieben“. Er mahnt die übrigen Lokalpolitiker, dass sie Radfahrer von Kriminellen sauber unterscheiden müssen und enthält sich bei der Abstimmung.
Lob der Kaufleute an die Polizei Duisburg: „Wir fühlen uns schon sicherer“
„Wir müssen jetzt handeln, damit die Situation hier nicht noch schlimmer wird“, bestätigt Heike Wiehe vom örtlichen Werbering im Gespräch mit der Redaktion. In dem Beschluss für mehr Sicherheit sieht die Vorsitzende des Meidericher City-Managements mit ihren Mitgliedern einen wichtigen Impuls, über den sich die Geschäftsleute freuen. Dass sich die Ladeninhaber in den Geschäften sicher fühlen und die Kundschaft unbehelligt einkaufen und bummeln kann, sei für die Zukunft der Von-der-Mark-Straße entscheidend.
Allerdings hinken die Forderungen der Lokalpolitiker der aktuellen Situation hinterher. „Die Polizei hat schon viel getan, wir fühlen uns schon viel sicherer“, betont Heike Wiehe und verweist auf eine gute Zusammenarbeit mit dem neuen Bezirksbeamten und auf merklich mehr Polizistinnen und Polizisten.
Diese häufigen Streifen und verschärften Schwerpunktkontrollen sind laut Polizeisprecherin Ronja Baerecke eine Reaktion auf die steigende Anzahl an Straftaten im Bereich des Meidericher Bahnhofs, der Von-der-Mark-Straße und der Nebenstraßen.
Außerdem prüfe die Behörde bereits, ob es rechtlich möglich sei, dort mobile Polizeikameras wie am Hamborner Altmarkt aufzustellen. Videobeobachtung habe, so Baerecke weiter, aber auch Grenzen. Weil sie beispielsweise keinen Diebstahl in Ladenlokalen zeige oder nicht erkenne, ob jemand ein Messer unter der Kleidung verbirgt.
Aus Angst vor randalierenden Jugendlichen: Werbering verlegt seinen beliebten Martinsmarkt
Ob Kameras oder nicht, für die bereits geleisteten Hilfe durch die Polizei sind die Ladeninhaber dankbar. Aber sie setzten zusätzlich auf die Unterstützung durch das Ordnungsamt und durch den städtischen Sicherheitsdienst Octeo, der am Bahnhof Meiderich und in der U-Bahnstation patrouilliert.
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Dass es keine schnellen Erfolge geben wird, ist Heike Wiehe und ihrem Werbering klar. Denn das Sicherheitskonzept für den anstehenden Martinsmarkt, ein beliebtes mehrtägiges Stadtteilfest, sieht neben Polizei, Ordnungsamt und Octeo weiterhin einen privaten Sicherheitsdienst vor. Ganz bewusst liegt der Martinsmarkt diesmal nicht um Halloween herum, weil in Duisburg in der Nacht auf Allerheiligen ohnehin schon mit randalierenden Jugendlichen gerechnet werden muss.
Ob alle Maßnahmen im beschlossenen Handlungskonzept erfolgversprechend sind? Darüber spekuliert Heike Wiehe erst gar nicht: „Wir vertrauen den Fachleuten von der Polizei und der Stadtverwaltung.“
>> Weitere Maßnahmen im Meidericher Handlungskonzept
- Das Handlungskonzept aus Meiderich sieht neben Polizeikameras, Messerverbotszonen und mehr Streifen von Polizei und Ordnungsamt auch ein neues Beleuchtungskonzept vor.
- Als Ersatz für die nach Ruhrort verlegte Polizeiwache soll es künftig in Meiderich eine regelmäßige Polizeisprechstunde geben.
- Versenkbare Poller an den beiden Enden der Fußgängerzone sollen verhindern, dass Autos dort hineinfahren. Und Parkverbote außerhalb der zulässigen Ladezeiten sollen durchgesetzt werden.
- Die Polizei bezeichnet die Von-der-Mark-Straße samt Meidericher Bahnhof und die Nebenstraßen als Kriminalitätsschwerpunkt. So stellen Beamte an manchen Tagen allein 50 Straftaten fest. Von Neujahr bis Ende August gab es über 400 Straftaten, darunter circa 50 Mal Körperverletzung. Dagegen waren es 2023 im Vergleichszeitraum nur knapp 270 Straftaten.