Duisburg-Marxloh. Das Pollmann-Eck in Marxloh ist ein Kriminalitätsschwerpunkt. Kameras sollen Verbrechen eindämmen. Momentan gibt es eine Diskussion um sie.
Den meisten Passanten fallen die Polizeikameras gar nicht mehr auf. Wenn insbesondere an Samstagen so viele Menschen die lebhafte Weseler Straße in Marxloh entlangdrängen, dass man nicht mehr gemütlich zu zweit nebeneinanderher schlendern kann, achten kaum mehr jemand auf die Kameras oder die Hinweisschilder. Die Anwohner ebenso wenig wie junge Bräute auf vergnügter Kleiderjagd. Seit 2016 hängen 19 Videokameras der Polizei Duisburg am Pollmann-Eck. Aktuell werden Forderungen laut, die Maßnahme auszuweiten.
Die Kreuzung im Zentrum des Stadtteils ist ein Kriminalitätsschwerpunkt und die hochauflösenden Kameras, die an Masten in viereinhalb Metern Höhe hängen, sind eine Reaktion darauf. Gewalttätige Übergriffe, Raub, Diebstahl oder Sachbeschädigung seien dort immer wieder vorgekommen, begründete die Polizei damals, warum die Videokameras notwendig seien. Ihre Live-Aufnahmen werden bis heute in die nahe gelegene Hamborner Wache übertragen, wo sie auf Monitoren von Polizisten oder anderen Regierungsmitarbeitern von morgens bis in die Nacht beobachtet werden.
Polizei Duisburg setzt die Videokameras am Pollmann-Eck nicht nur bei Verbrechen ein
Ist eine Straftat zu sehen, schicken die Beobachter vorm Monitor umgehend einen Streifenwagen. Bei einem Verkehrsunfall oder bei medizinischen Notfällen können sie ebenfalls schnell für Hilfe sorgen. „Uns ist klar, dass wir dadurch nicht alles verhindern können. Selbst dann nicht, wenn unsere Streifenwagen mit Lichtgeschwindigkeit fahren würden“, sagt Polizeisprecher Stefan Hausch. Eine Prügelei oder ein Diebstahl gehen dafür einfach zu schnell. Doch mithilfe der Kamerabilder finde man die Täterinnen und Täter oft recht zügig.
Auch interessant
Die Videobeobachtung hat sich laut der Polizei seit ihrer Einführung im Dezember 2016 bewährt und zeige weiterhin Wirkung. Das belege auch deutlich die Kriminalitätsstatistik für das Pollmannkreuz, wo die Weseler Straße auf die Fußgängerzone an der Kaiser-Wilhelm-Straße und Kaiser-Friedrich-Straße trifft. Darin erfasst werden alle Straftaten, die zu Anzeigen geführt haben, darunter Beleidigungen, Körperverletzungen, Diebstahl und Raub.
„Am Pollmannkreuz passiert nichts mehr, seit die Kameras dort sind“, findet der Marxloher CDU-Vorsitzende Deniz Güner. Seither würden sich kaum noch junge Leute an der Kreuzung versammeln, um Verbrechen zu begehen, und auch Drogendealer machen im Blickwinkel der Kameras keine illegalen Geschäfte mehr mit Junkies.
Der Christdemokrat wohnt in der Nähe des Pollmann-Ecks und führt dort auch einen Laden für Herrenmode. Abseits der Kriminalitätsstatistik sieht er in den Polizeikameras weitere positive Effekte für die berühmte Brautmodenmeile. So steige nicht nur das Sicherheitsempfinden, nachgelassen hätten auch wilde Müllkippen, und deutlich weniger Bettler hofften im Fokus der Polizei auf barmherzige Passanten.
CDU in Marxloh fordert mehr Polizeikameras an der Brautmodenmeile
„Die Videobeobachtung muss ausgeweitet werden, das ist elementar“, fordert Deniz Güner. Am liebsten auf die gesamte Weseler Straße. Neben der Sicherheit, so seine Erwartung, werde sich gleichzeitig die Sauberkeit der Brautmodenmeile erhöhen, wodurch „eine gewisse Ordnung“ entstehe, von der die Einkaufsstraße nur profitieren könne. „Niemand geht gerne umgeben von Müll einkaufen oder essen“, sagt der Geschäftsmann. Die übrigen Kaufleute wisse er bei der CDU-Forderung nach mehr Kameras auf seiner Seite. „Alle sind dafür, ich kenne niemanden, der dagegen ist“. Sein Ortsverband wolle demnächst einen entsprechenden Antrag in die Bezirksvertretung einbringen.
[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]
Tatsächlich gibt es aber auch Kritiker. So fremdelt Claus Lindner von der Marxloher SPD grundsätzlich mit den Polizeikameras. Die Videobeobachtung hält er nur für effektiv, wenn sie flächendeckend geschieht und nicht nur punktuell wie am Pollmann-Eck. Denn er erlebe, dass die Kriminalität nicht abnimmt, sondern sich nur verlagert. Dass die Rauschgifthändler ihre Drogen jetzt eben abseits der Kameras verticken.
Reiner Verdrängungseffekt der Kriminalität?
Dem widerspricht die Polizei. Einen reinen Verdrängungseffekt habe sie nicht festgestellt; dann wäre auch das Konzept der Kameras nicht aufgegangen. Selbstverständlich sei die Videobeobachtung aber „keine Allzweckwaffe“, sondern „nur eine Facette der Sicherheitsarchitektur“. Sie kann demnach nur sinnvoll sein, wenn sie in ein Begleitkonzept eingebettet ist. Dazu zählt die Hundertschaft für Marxloh ebenso wie Großrazzien gegen Clankriminalität.
Obwohl die Polizeikameras weiterhin beim Kampf gegen Verbrechen effektiv seien, sieht die Behörde eine Ausweitung skeptisch – und möchte schon gar keine britischen Verhältnisse wie in London. „Den Vorschlag halte ich nicht für zielführend“, sagt Polizeisprecher Stefan Hausch.
Einerseits bräuchte man dafür nicht nur viel mehr Geräte, sondern auch viel mehr Personal vor den Monitoren. Zusätzliche Polizistinnen und Polizisten sind dafür aber derzeit nicht vorgesehen und sollen dafür auch nicht von Streifendiensten abgezogen werden.
Andererseits ist das Pollmannkreuz trotz Beobachtung weiterhin ein Kriminalitätsschwerpunkt. Je größer das überwachte Gebiet wird, desto schwerer ist es, die gesetzlichen Voraussetzungen für stationäre Kameras zu erfüllen (§15a des Polizeigesetzes NRW). Sie dürfen nämlich nur an Kriminalitätsschwerpunkten montiert werden – und diese werden anhand von dokumentierten Straftaten und der Einwohnerzahl mathematisch errechnet. Mobile Anlagen wie jene nach der Massenschlägerei mit Schüssen auf dem Hamborner Altmarkt müssen niedrigere Hürden nehmen, weil sie nur zeitweilig eingesetzt werden.
Trotz Videokameras: Mehr Polizeipräsenz gefordert
Hilfreicher als die Videokameras finden sowohl Deniz Güner (CDU) als auch Claus Lindner (SPD) mehr Polizeipräsenz durch örtliche Beamte auf Streife – und nicht bloß, so der Vorsitzende der CDU Marxloh, eine auswärtige „Hundertschaft, die reinfährt und nach dem Einsatz wieder rausfährt“. Diese Forderung unterstützt auch der SPD-Landtagsabgeordnete Benedikt Falszewski: „Wir brauchen deutlich mehr Polizistinnen und Polizisten auf den Straßen, die ihren Kiez kennen.“ Die Videobeobachtung könne dies nur unterstützen, aber niemals ersetzen.
Die Forderung nach mehr Polizisten, ordnet Polizeisprecher Stefan Hausch ein, gebe es immer mal wieder, unabhängig davon, welche Partei gerade den NRW-Innenminister stellt. „Natürlich ist mehr Polizei immer gut“, betont er. Doch auf personelle Verstärkung baut das Duisburger Präsidium nicht. Daher hält es bis auf Weiteres an den 19 Videokameras am Pollmannkreuz fest.
>> Kriminalitätsstatistik zeigt den Effekt der Kameras
● Bei den festinstallierten Kameras handelt es sich nicht um ein System zur Videoüberwachung, betont die Polizei, sondern um Videobeobachtung. Die Bilder werden live gesichtet und nicht erst nachträglich ausgewertet.
● Die Kameras sind gesetzlich möglich, weil das Pollmann-Eck weiterhin ein Kriminalitätsschwerpunkt ist. Dennoch sei ihr Effekt in der Statistik nachweisbar. So gab es im Jahr 2016, also vor der Videobeobachtung, an der Kreuzung 161 dokumentierte Straftaten. Dann waren es nur noch 115 (2017), 104 (2018), 105 (2019) und 111 (2020). Danach zeigt sich 2021 laut Polizei der Corona-Effekt durch Lockdowns und Homeoffice. In dem Jahr gibt es an der Kreuzung nur 80 Straftaten. Danach sind die Zahlen wieder deutlich gestiegen; 2022 sind 123 Verbrechen dokumentiert, der Höchstwert seit Installation der Videokameras. Die Polizei Duisburg führt das aber auf einen starken, landesweiten Kriminalitätsanstieg nach Corona zurück.
● Claus Lindner (SPD) bleibt wegen der Videokameras weiterhin skeptisch. Denn sie zeigen nicht nur Verbrechen, sondern auch Falschparker oder Müllsünder, die wie alle anderen Gefilmten darauf vertrauen müssen, dass die Kamerabilder nur so verwendet werden, wie das Gesetz es vorsieht.