Duisburg. Vandalismus, Brandstiftung, Diebstahl und Bedrohung: Fremde Jugendliche wüten an einem Meidericher Gymnasium. Die Schulleiterin schlägt Alarm.
Der Tisch auf dem Schulhof ist verkohlt und durch die Hitze verbogen. In einem Fenster neben dem Haupteingang ersetzt Holz das zerstörte Glas. Von der Basarstraße aus sind es nur wenige Schritte bis zum „Problemtor“ genannten Schulhofeingang. Schilder hängen daran: „Unbefugten ist der Zutritt verboten“.
Anwohner und Geschäftsleute in Meiderich klagen schon länger über jugendliche Banden, die ihnen das Leben schwer und die Von-der-Mark-Straße unsicher machen. Betroffen ist aber auch das direkt angrenzende Max-Planck-Gymnasium. Seit zwei Jahren kämpft die Schule deshalb für eine Videoüberwachung.
Meidericher Schulleiterin berichtet: „Ich schreibe monatlich gefühlt mindestens zwei Anzeigen“
Das Schultor ist aus Sicherheitsgründen offen, aber wegen der Bauweise wäre es auch geschlossen ein Kinderspiel, darüber zu kommen. 900 Schülerinnen und Schüler besuchen das MPG an zwei Standorten, 65 Lehrerinnen und Lehrer gehören zum Kollegium.
„Ich schreibe monatlich gefühlt mindestens zwei Anzeigen“, sagt Schulleiterin Gabriele Rüken. Schulfremde werden von den Lehrern angesprochen und des Geländes verwiesen. Bevor Schilder am Tor mahnten, hätten viele Meidericher den Schulhof als Abkürzung benutzt und auf dem Weg gern auch die Toiletten mit benutzt. Zumindest tagsüber gibt es nun weniger Störungen.
Kein Unterricht wegen der Schäden nach einem Einbruch
Nachts ist das Gelände aber verlassen. Erst vor wenigen Wochen nutzten das Unbekannte, sie stiegen in die Schule ein, verwüsteten das Lehrerzimmer, machten viele Schlösser kaputt, „sie hinterließen solch ein Durcheinander, dass die Schule für einen Tag ausfallen musste“, berichtet Rüken.
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Die Schul-iPads ließen sie unangetastet, weil man deren Aufenthalt tracken könnte, aber der Tresor wurde aufgebrochen, Privatgegenstände von Lehrern gestohlen. Ob eine Versicherung den Beamer ersetzt, sei noch offen. Wenige Tage später wurde die Dependance heimgesucht. „Die haben sie auch total verwüstet“, erzählt die Lehrerin und staunt ein bisschen über die Hartnäckigkeit der Aggressoren. Ein bisschen sei das „wie in der Bronx“.
Die Polizei Duisburg bestätigt, dass im laufenden Jahr bislang 22 Straftaten angezeigt wurden, nicht in jedem Monat, aber immer wieder. Darunter seien zahlreiche Sachbeschädigungen, erklärt Sprecherin Julia Tekock, aber auch Brandstiftungen oder der Einsatz von Pyrotechnik. Das Kommissariat Prävention und Opferschutz war deshalb auch schon an der Schule tätig, bestätigt die Schulleiterin.
Während der Pausen sorgt sie aber auch selbst für die Sicherheit der Kinder, zu viert stehen sie in der Kälte und halten Wache. Fiona Downy etwa hat sich mitten im Schultor aufgestellt. Die Lehrerin achtet darauf, dass die Jahrgänge 5 bis 8 nicht entwischen, um den Bäcker oder den Kiosk gegenüber zu besuchen, „aber das ist ja ein schönes Problem“, findet sie. Nebeneffekt: An ihr kommt auch keiner von außen vorbei, so breitbeinig wie sie da steht.
Morgens vor Schulbeginn habe der Hausmeister viel zu tun, um die nächtlichen Hinterlassenschaften wegzuräumen, beschreibt Gabriele Rüken. Auch der Schüler-Ordnungsdienst packt mit an. Immerhin finden sie im achtlos weggeworfenen Müll nur Cannabistütchen, keine gebrauchten Spritzen oder andere Zeichen von Drogenkonsum.
Feuer mit Brandbeschleuniger, Schusslöcher in den Scheiben
Vor anderthalb Jahren brannte der Fahrradhof ab, gezündelt wurde zudem an der alten Hausmeisterwohnung. Die mit Fördergeldern der Volksbank finanzierten Sitzbänke waren nach wenigen Wochen abgefackelt, sogar Brandbeschleuniger sei dafür eingesetzt worden, sagt Rüken, „das ist doch furchtbar“. Der Schulhof bietet kaum Sitzgelegenheiten, eine Sitzecke hat die Stadt deshalb ersetzt, was mit dem zweiten Brandmahnmal passiert, ist noch offen.
Wie oft sie schon den Glaser rufen musste, hat sie nicht gezählt. Regelmäßig werden Scheiben eingetreten. Einmal habe die Polizei sogar ein Schussloch festgestellt. „Das kostet doch alles ein Vermögen“, sagt die Schulleiterin, „davon könnte man sich auch eine Überwachungskamera leisten“, findet sie.
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Vandalismus sogar während des Unterrichts
Rüken geht davon aus, dass die Jugendlichen ihre Ziele wechseln, denn phasenweise passiert auch mal nichts am MPG. Wenn sie wieder da sind, scheuen sie sich nicht, während des Unterrichts durch das Gebäude zu streifen und mit Edding Spuren im Treppenhaus zu hinterlassen.
Vor zwei Jahren sei es besonders schlimm gewesen, weil da ein jugendlicher Intensivtäter die Schule auf dem Kieker hatte. „Er hat Angst und Schrecken verbreitet. Unsere Schüler wussten, wo er wohnt, wie er heißt, haben sich aber lange nicht getraut, ihn zu verraten“, sagt Rüken. Es dauerte, bis der Junge von der Polizei dingfest gemacht werden konnte und es ruhiger wurde.
Bis die nächste Clique über die Schule herfiel. Die Schulleiterin glaubt, dass strafmündig werdende Jugendliche gezielt jüngere anheuern, um Unfrieden zu stiften. Schulverweigerer, die Langeweile haben, Frust schieben, eine Verlierermentalität haben. „Sie sind so jung und haben schon so viel kriminelle Energie“, analysiert die Pädagogin.
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Schulleiterin in Meiderich fordert „eine Wende für den Stadtteil“
Für ihren Job als Schulleiterin zog sie 2017 von Essen nach Meiderich, seither seien die „sozialen Problemlagen größer geworden“, findet sie. Damals gab es „Boutiquen, ein kleines Fischgeschäft, heute trauen sich Ältere nicht mehr abends auf die Straße, tun sie es doch, werden sie trotz Rollerverbot umgefahren“, hat sie beobachtet. Die Neu-Meidericherin wünscht sich deshalb „eine Wende für den Stadtteil“. Schon lange ist sie deshalb in vielen Arbeitskreisen und Foren, „aber es passiert nichts“.
Die Schülerinnen und Schüler haben keine Scheu vor ihrer Schulleiterin, sie sprechen sie an, stellen Fragen. „Das sind meine ungeschliffenen Diamanten, wir können ihnen viel beibringen. Es lohnt sich, für sie zu strampeln.“
In der Schülerschaft gebe es aber immer mehr, die von Armut betroffen sind, die für Klassenfahrten Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz benötigen. Auch Fälle von Kindeswohlgefährdung seien darunter. Entsprechend gebe es auch keinen finanzkräftigen Förderverein, der mal eben eine Überwachungsanlage zahlen könnte, sagt Rüken. „Aber die Eltern geben uns volle Rückendeckung für unseren Kampf.“