Bottrop. Im Interview spricht Oberbürgermeister Bernd Tischler über Sicherheit, Innenstadt und die Hoffnung, nach der Amtszeit nicht in ein Loch zu fallen.
Für Bernd Tischler brechen die letzten Monate als Oberbürgermeister von Bottrop an. Seit 2009 hat er das Amt inne, zur nächsten Kommunalwahl im September 2025 tritt der 65-Jährige nicht mehr an. SPD-Kandidat für das höchste Amt der Stadt wird dann Matthias Buschfeld sein.
Wir haben mit dem OB über die Entwicklung und die Sicherheit in der Innenstadt, seine persönliche Perspektive und die Frage gesprochen, warum sich der Bottroper Süden immer noch abgehängt fühlt.
Herr Tischler, vor einem Jahr sprachen wir hier über Merhaba und die „ganz neue Entwicklung“, die Bottrop nehmen kann. Welche Entwicklung sehen Sie jetzt auf die Bottroper Innenstadt zukommen?
Viele haben mich gefragt, warum ich das Merhaba-Thema immer unterstützt habe, obwohl doch alle dagegen waren. Es wäre falsch gewesen, wenn wir die Investoren vom Hof gejagt hätten. Wir haben sie beraten, mit ihnen neue Sachen entwickelt – das war der richtige Weg. Und der Stand ist jetzt, dass sie das Konzept mit deutlichen Veränderungen mit mehr Grün und Wohnen, aber weniger Einzelhandel umsetzen.
Warum sind Sie optimistisch, dass diese Entwicklung nun klappt?
Ich kann auch heute nicht sagen: Das klappt so. Aber ich kann sagen: Bei all den Konzepten – und wir haben schon viele gesehen – ist das, was sie uns jetzt gezeigt haben, das aus meiner Sicht erfolgversprechendste. Man muss sehen, dass man die Mieter findet, die man für den Start braucht. Aber die Chancen stehen nicht schlecht.
Auch interessant
„Es wäre furchtbar, wenn der Karstadt-Deal nicht klappt“
Direkt gegenüber liegt der andere große Leerstand der Innenstadt: das Karstadt-Gebäude. Die Übernahme des Gebäudes durch Oliver Helmke ist noch nicht unter Dach und Fach. Was passiert, wenn der Deal nicht klappt?
Das wäre furchtbar. Nach meinen Informationen wird es aber klappen. Deswegen bin ich ganz sicher, dass sich im Karstadt-Gebäude im übertragenen Sinne die Kräne drehen, bevor ich aus dem Amt scheide.
Welche Strahlkraft kann die Belebung dieses Gebäudes für die gebeutelte Innenstadt haben?
Das wird eine große Strahlkraft haben, auch in Richtung Hansa-Center und auf die Hansastraße. Wir wollen dort das Straßenbild verbessern, mehr Grün in die Stadt bringen, den Belag erneuern. Ich bin zuversichtlich, dass wir in Bottrop mit einem reduzierten Angebot unsere Nische in den Ruhrgebietsstädten gut finden werden.
Sind Sie etwas traurig, dass Sie das nicht mehr aktiv mitgestalten können?
Unbedingt, das räume ich gerne ein. Ich habe gerade so viele Projekte angestoßen, die ich nicht mehr begleiten kann. Das fällt mir schwer. Ich hoffe, dass ich einen guten Ausstieg schaffe und nicht in ein Loch falle.
Zum Thema Innenstadtentwicklung gehört auch die Sicherheit. Warum fühlen sich die Menschen, vor allem rund um den ZOB, immer noch nicht sicher?
Mit dem Zusammenspiel KOD und Polizei haben wir sehr viel gemacht. Wir sind in dem Bereich gut vertreten. Gleichwohl fühlen sich viele nicht sicher. Ich kann als Stadt aber nur mit Sicherheitspersonal und Aktionen, Stichwort Berliner Platz bespielen, dagegenhalten. Wenn das Hansa-Center eine Außengastronomie bekommt, wird das auch noch mal eine ganz andere Belebung. Mehr können wir als Stadt nicht tun.
Doch, den Berliner Platz heller machen. Die Beleuchtung ist zu schwach.
Das nehme ich noch mal mit.
Wie passt es zusammen, wenn Sie für mehr Sicherheit sorgen wollen und gleichzeitig laut Haushaltssicherungskonzept (HSK) am Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) gespart werden soll?
Wir haben beim HSK die Sparmaßnahmen gerecht verteilt. Beim KOD kann ich insofern Entwarnung geben, als die Sparmaßnahme für 2030 vorgesehen ist. Bis dahin fließt noch so viel Wasser die Emscher runter. Da werden Nachfolger und Nachfolgerinnen entscheiden, ob man das verändert. Bei dem Stellenpotenzial im HSK ist es überhaupt kein Problem, zwei Stellen hin und her zu schieben. Will sagen: Wenn der Rat der Stadt 2029 zu der Auffassung kommt, dass er den KOD in der Stärke oder sogar erhöht haben will, dann kann er das durchaus entscheiden. Er muss nur einen Gegenvorschlag zur Finanzierung mitbringen.
Und wenn morgen jemand beim KOD kündigt: Wird die Stelle dann nachbesetzt?
Ja.
Verkehrsbelastung im Bottroper Süden: „Wir müssen Lösungen für die Anwohner entwickeln“
Ein weiteres Problemfeld ist der Bottroper Süden. Keine weiterführende Schule mehr, fehlende Infrastruktur, starke Verkehrsbelastung: Warum ist es Ihnen nicht gelungen, den Süden so in die Stadt zu integrieren, dass sich die Menschen dort nicht mehr abgehängt fühlen?
Es gibt auch viele, die sagen: Wir erkennen auch an, welche positive Entwicklung es im Bottroper Süden gibt. Zum Beispiel der Emscher-Umbau, die Entwicklung in Ebel. Es ist noch nie so viel Geld in die Infrastruktur im Bottroper Süden investiert worden wie in den letzten zehn Jahren. Wir haben die komplette Entwässerung auf links gedreht. Wir haben die Straßen in der Welheimer Mark und in Ebel neu gemacht. Es ist bemerkenswert, was der Stadtrat an Investitionsentscheidungen getroffen hat. Die Horrormeldung der A42 hat natürlich Auswirkungen auf die Verkehrssituation im Süden. Da habe ich ehrlich gesagt auch für die nächsten drei Jahre, bis die Brücke wieder fertig gebaut ist, keine andere Perspektive.
Da sind Sie aber zeitlich optimistisch.
Bis die Brücke gebaut ist, wird es eine Zeit dauern. Bis dahin müssen wir mit einer erhöhten Verkehrsbelastung leben. Wir werden uns aber die Straßen noch mal genau anschauen und Lösungen für die Anwohner entwickeln.
Verkehr ist aber nicht das einzige Thema, das die Menschen im Süden umtreibt. Sie haben generell das Gefühl, dass Infrastruktur und Treffpunkte fehlen, und fühlen sich abgehängt.
Es sind neue Treffpunkte entstanden, zum Beispiel im Bernepark. Wir haben viel in die Parkanlagen investiert.
Aber schauen Sie sich die Ergebnisse der Europawahl an. Die SPD hat den Bezirk Süd nur noch knapp vor der AfD gewonnen. Das zeigt, dass die Leute sehr unzufrieden sind.
Das macht mir große Sorgen, auch mit Blick auf die nächsten Wahlen.
Welche Schuld trägt die SPD daran, diese Stadtteile an die AfD verloren zu haben?
Es ging nicht allein um die SPD, sondern um die Ampel-Bundesregierung. Es ist nur in Bottrop eher ein SPD-Thema, weil wir im Süden in den Hochburgen sind. Da habe ich ja immer 80 Prozent oder mehr geholt. Aber es gibt eine hohe Unzufriedenheit mit der bundespolitischen, aber auch gesellschaftspolitischen Situation. Für die demokratischen Parteien muss es mit Blick auf die kommenden Wahlen ein Ansporn sein. Sie müssen sich noch mehr anstrengen.
Sie sind dann nicht mehr dabei, im kommunalpolitischen Wahlkampf 2025. Wie fühlt sich das an nach dann 16 Jahren im Amt des Oberbürgermeisters?
Es fällt mir schwer. Aber ich habe noch viele schöne Erlebnisse. Ich war letztens mit meiner 87-jährigen Mutter auf dem Weihnachtsmarkt der Freiwilligen Feuerwehr Eigen. Da haben mich so viele Leute angesprochen und gesagt: Sie können doch jetzt nicht aufhören. Meine Mutter war völlig geflasht, dass mich so viele Leute angesprochen haben. Es ist der richtige Zeitpunkt, wenn der Großteil der Leute sagt: Schade, dass Sie gehen. Auf der anderen Seite bin ich noch voller Energien, bei den vielen Themen, die auf die Stadt zukommen. Aber das müssen dann die anderen mal machen.
Jetzt gibt es einen Generationswechsel bei der SPD. Der neue OB-Kandidat Matthias Buschfeld ist 30 Jahre jünger als Sie. Wie hoch stehen die Chancen, dass ihm auch ein Rekordergebnis wie Ihnen bei der letzten Kommunalwahl mit mehr als 73 Prozent gelingt?
Das ist eine gefährliche Frage (lacht). Wenn man so ein Wahlergebnis erreicht, ist das etwas Einmaliges. Ich glaube nicht, dass man das wiederholen kann. Muss man aber ja auch nicht. Man muss die Wahl gewinnen und darauf muss er sich konzentrieren.
Bottroper OB nach der letzten Amtszeit: „Ich will mal was für mich machen“
Wie geht es für Sie persönlich weiter?
Ich habe noch keine Pläne. Ich will weiter bei der Awo arbeiten, das gibt mir sehr viel und da kann ich viel bewegen. Ansonsten gucke ich, ob ich nicht ein neues Kapitel aufmache. Im Moment ist das für mich noch eine Überraschung.
Was für ein Kapitel könnte das sein? Viele glauben, dass Sie sich vor allem durch Innovation City den Weg geebnet haben für einen hoch dotierten Wirtschaftsposten ...
Es gab immer Anfragen loser Art. Ich kann mir nicht vorstellen, einen neuen Job zu machen, einfach weiterzuarbeiten. Ich will wirklich etwas anderes machen, mal etwas für mich machen.