Bottrop. Die Bottroper Hansastraße war einst eine Top-Adresse. Seit Monaten verlässt ein Geschäft nach dem nächsten den Standort. Was sich ändern kann.
„Geisterstadt“, „Katastrophe", „Trauerspiel“ – die Liste der negativen Begriffe, die Bottroper für ihre Hansastraße finden, ist lang. Beginnt man am Kirchplatz, reiht sich in der früheren Top-Geschäftslage ein Leerstand an den nächsten: kein Christ, kein Douglas, kein Schlecker, kein Café und längst kein Kaufhaus mehr. Letzteres ist sicherlich ein Kern-Faktor für den Niedergang der Hansastraße. Doch gibt es gar keine Hoffnung mehr für diesen so wichtigen Bereich der Innenstadt?
Dieser Artikel erschien erstmals am 4. Mai 2023
„Es muss einen Vorreiter geben“, sagt Miguel Farinha. „Aber es ist schwierig, jemanden zu finden.“ Der Bottroper ist Chef der Immostaff Immobilien, er vermakelt viele Privat- und Geschäftshäuser in der Stadt, unter anderem die Gebäude an der Hansastraße 6-8, in denen früher Christ und Douglas Filialen betrieben haben. Der Juwelier und die Parfümerie schlossen im Januar 2021. Die Begründung beider Unternehmen: Der Standort ist nicht wirtschaftlich.
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Hansastraße: „Wenn die Gebäude nicht weiterentwickelt werden, wird es nicht besser“
Seitdem stehen die Ladenflächen leer. Die Besitzer haben dort kürzlich umfangreich saniert – ein Schritt, der zumindest ein positiver Fingerzeig ist. „Wenn die Gebäude nicht weiterentwickelt werden, wird es nicht besser“, so die Einschätzung von Farinha. Mieter für die Ladenlokale hat er allerdings noch nicht gefunden. Das Gegenargument der Interessenten ist der riesige Leerstand gegenüber: das Karstadt-Gebäude, in dem zuletzt Moses 2019 kurz nach der Eröffnung Insolvenz anmelden musste.
Kaum jemand glaubt noch daran, dass sich der umstrittene Netto an dieser Stelle ansiedelt. Es ist zu hören, der Lebensmittel-Discounter besichtige bereits andere Flächen in der Innenstadt, habe aber durch die vielen zeitlichen Verschiebungen auch seine Miet-Konditionen im ehemaligen Karstadt-Gebäude verbessern können.
Christian Zöll, Geschäftsführer von Devello, ist nicht zu erreichen, Netto äußert sich wegen des vermeintlichen „frühen Planungsstatus“ nicht mehr zu einer möglichen Ansiedlung auf der Hansastraße. Viele Termine für die Eröffnung wurden schon genannt, zuletzt hieß es, der Supermarkt eröffne in diesem Frühjahr, doch die Baustelle ruht immer noch still. Es heißt, Devello sei das Geld ausgegangen für die Sanierung.
Karstadt und Hansacenter bilden Leerstandsklammer um die Hansastraße
„Wir können diese Parameter nicht beeinflussen“, sagt Miguel Farinha. „Die Vermietfähigkeit auf der Hansastraße hängt von den beiden großen Objekten davor und im Rücken ab.“ Denn auch das Hansa-Center legt sich zusammen mit dem Karstadt-Gebäude als Leerstandsklammer um die ehemalige A-Lage in der Innenstadt.
Natürlich seien das die Hauptgründe, nicht mehr durch die Hansastraße zu gehen, sagt auch Oliver Helmke. Dem Investor gehören mehrere Immobilien auf der Straße sowie das ehemalige Mensing-Gebäude, in dem Sinn Mode verkauft. „Es macht keinen Spaß, durch die Hansastraße zu laufen, es ist unangenehm.“ Die Hoffnung aufgegeben hat er aber noch nicht: „Die Hansastraße könnte wieder zur A-Lage werden, wenn die beiden Großen wiederkommen.“
Ein Schlüsselbegriff für ihn ist „Shared Space“, der derzeit viel diskutiert wird. Um die positive Entwicklung vom Rathaus- ins Marktviertel überschwappen zu lassen, müsse die Osterfelder Straße zur „Brücke“ werden; mit Aufenthaltsqualität durch Begrünung und Sitzplätze sowie Stellplätzen für kurzes Parken, um die Innenstadt besser erreichbar zu machen, und einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 20 km/h. „Das wäre ein elementar wichtiger Schritt für die Entwicklung der Innenstadt“, sagt Oliver Helmke.
„Die Zeiten der großen Einkaufsstraßen sind vorbei“
Architekt Norbert Verfürth, dem ebenfalls mehrere Immobilien auf der Hansastraße gehören, will noch einen Schritt weitergehen: Auch die Hansastraße müsse für langsam fahrenden Verkehr durchlässig werden. „Die Zeiten der großen Einkaufsstraßen sind vorbei.“
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Sowohl auf der Osterfelder Straße als auch auf der Hansastraße sieht er eine Chance in „Shared Spaces“, auf denen alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind. „Wir müssen es den Menschen so bequem wie möglich machen“, sagt Norbert Verfürth. Deswegen funktionierten auch die Poststraße und die Hauptstraße in Kirchhellen so gut, weil man dort kurz halten kann, auch die Hochstraße sei besser zu erreichen wegen des Parkplatzes dahinter. „Gerade für kleinere Städte ist es so essenziell, dass man mit dem Auto an die Bereiche herankommt, wo zum Beispiel Ärzte, Anwälte und Dienstleister sind.“
Hansaviertel in Bottrop: „Es ist ein Bergauf-Kampf“
Ähnlich sieht es David Schraven, Geschäftsführer der Marktviertel IG. Einen „Shared Space“ einzurichten sei die „am besten und schnellsten umzusetzende Lösung“. Allerdings sieht er das nur für die Osterfelder Straße; die Hansastraße sei schlicht zu schmal, die Anbindung am Kirchplatz auch nicht fürs Durchfahren geeignet.
Grundsätzlich sei es wichtig, dass sich überhaupt etwas tut. Die Diskussion um den Netto habe die Entwicklung bestimmt, mögliche Investoren und Mieter wollten erst einmal abwarten, was sich dort tut. Durch den Stillstand sei das Kind immer tiefer in den Brunnen gefallen. „Es ist ein Bergauf-Kampf“, so David Schravens Einschätzung zum Hansaviertel. „Man muss mit viel Energie rein für einen kleinen Erfolg.“