Bochum-Langendreer. Viele Bochumer haben - teils wehmütig - einem Museum in Bochum Erinnerungsstücke gespendet. Nun steht das Museum vor dem Aus. „Es tut weh.“
Alte Grubenlampen, historische Fahnen längst aufgelöster Vereine, Bergmann-Uniformen und Fossilien aus der Steinzeit: Eine zumindest für einen Bochumer Stadtteil bedeutende Ausstellung wird aufgelöst. Das kleine Heimatmuseum im Kellergewölbe des Amtshauses in Langendreer am Carl-von-Ossietzky-Platz muss geräumt werden. Das hat die Stadt Bochum dem ehrenamtlichen Betreuer der Sammlung bereits im Februar 2024 mitgeteilt. Bis Ende März 2025 muss das Untergeschoss leer sein. Was mit den unzähligen Ausstellungsstücken passiert, ist noch unklar. Viele historische Erinnerungen drohen auf dem Müll zu landen.
Landet Historisches auf dem Müll? Bochumer Stadtteilmuseum muss geräumt werden
Das Ende sei zwar absehbar gewesen, sagt Gordon Willma, „und trotzdem tut es weh“. Zusammen mit seinem 2021 verstorbenen Vater Reinhold hatte der 48-Jährige das kleine Stadtteilmuseum zuletzt geleitet, ehe es 2018 wegen Brandschutzmängeln und feuchter Kellerwände geschlossen werden musste. Seither war es nie wieder geöffnet. Die Summe für eine Sanierung sei immer weiter gestiegen und habe zuletzt bei gut einer Million Euro gelegen, berichtet Willma. Da auch die Suche nach anderen Räumen erfolglos blieb, ist das Aus nun besiegelt.
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Die Stadtverwaltung bedauert den Schritt sehr. „Uns ist bewusst, dass Themen der Stadtgeschichte betroffen sind“, teilt Stadtsprecher Peter van Dyk auf Anfrage dieser Redaktion mit. Doch es sei „seit vielen Jahren bekannt, dass eine dauerhafte Nutzung der Räumlichkeiten für den genannten Zweck nicht genehmigt werden kann. Im Februar 2024 wurde dem Heimatmuseum letztmalig mitgeteilt, dass eine Nutzung der Räume als Museum leider bauordnungsrechtlich nicht zulässig ist.“
Die Stadt wolle nun bei der Auflösung der Sammlung helfen, habe die Frist für die Räumung bis Ende März verlängert. Und auch das Stadtarchiv sei mit in die Angelegenheit einbezogen worden, so van Dyk. Weitere Unterstützung sei „grundsätzlich denkbar und wird geprüft“. Mit einem alternativen Standort hingegen könne die Stadt nicht dienen. Eine Adresse, die „mit einem vertretbaren Aufwand für den genannten Zweck nutzbar gemacht werden könnte“, befinde sich derzeit nicht im „stadteigenen Portfolio“.
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Um möglichst viel der über Jahrzehnte angesammelten Exponate zu retten, bat Gordon Willma den Langendreerer Hobby-Historiker Clemens Kreuzer um Hilfe. Hatte dieser anfangs noch die Hoffnung, das Museum zu erhalten oder einen Neustart an anderer Stelle hinzubekommen, geht es ihm jetzt nur noch um den Erhalt möglichst vieler Ausstellungsstücke.
„Ist ein Stadtteilmuseum nichts wert, weil es nicht den Ehrgeiz hatte, Formalien der historischen Forschung zu berücksichtigen?“
Gleich zu Beginn des neuen Jahres könnte sich dahingehend etwas tun. „Zunächst haben der Kulturdezernent der Stadt und der Leiter des Stadtarchivs ihr Kommen zugesagt. Ein paar Tage später ist ein Treffen mit einem Vertreter des Bergbaumuseums vereinbart“, berichtet Kreuzer. Um einen passenden Ort für die Fossilien zu finden, habe er den Tierpark kontaktiert, aber noch keine Antwort erhalten.
Doch schon jetzt sei klar, dass nur ein Bruchteil der Sammlung übernommen werden dürfte. Als Problem stelle sich nun heraus, dass die Herkunft jedes einzelnen Ausstellungsstücks nicht detailliert festgehalten wurde. Kreuzer findet das bedauerlich und fragt: „Ist ein Stadtteilmuseum nichts wert, weil es nicht den Ehrgeiz hatte, Formalien der historischen Forschung zu berücksichtigen, sondern ,nur‘ geschichtlich interessierten Bürgern, Gruppen und Vereinen, insbesondere auch Kindern und ihren Schulklassen, ein wenig Ortsgeschichte vermitteln wollte?“
Aus für Bochumer Stadtteilmuseum wirft Frage auf: Wer ist für die Ausstellung verantwortlich?
Kreuzer hält die Sammlung für sehr bedeutend, etwas Vergleichbares in dieser Größenordnung gebe es in Bochum nicht. Schon das Schulmuseum in Riemke sei in eine andere Stadt verlagert worden. Jetzt das Aus für das Heimatmuseum Langendreer. Von daher stellt er fest: „Bochum tut viel für seine Hochkultur, aber wenig für die des Stadtteils.“ Kreuzer fände es tragisch, wenn ein Teil der Ausstellung auf dem Müll landete. „Darf vernichtet oder verramscht werden, was Langendreer-Werner Bürger als Erinnerungstücke ihrer Familie – manchmal nicht ohne Wehmut – im Glauben hergegeben haben, dass diese in ortshistorischen Zusammenhängen sichtbar und nützlich bleiben?“
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Für Gordon Willma wirft sich zudem die Frage auf, ob er überhaupt für die Räumung des Kellergeschosses verantwortlich gemacht werden kann. „Sämtliche Exponate sind ja Stiftungen und Spenden von Bürgern, die an das Heimatmuseum gingen, nicht an mich als Privatperson.“ Er habe sich nur ehrenamtlich um die Sammlung gekümmert und im Laufe der Jahre viel Geld hineingesteckt. Auch das will er beim Treffen mit dem Kulturdezernenten ansprechen. Ende offen.
Vor 30 Jahren eröffnet
Das Heimatmuseum Langendreer, vor einem Vierteljahrhundert anlässlich des damals 20-jährigen Bestehens der Bezirksvertretung Ost unter der Leitung von Friedhelm Vielstich und Richard Gräfe eröffnet, ist neben Thorpe-Heimatmuseum in Eppendorf das einzige aus einer bürgerschaftlichen Initiative entstandene Stadtteilmuseum in Bochum.
Die umfangreichen Bestände entstammen ausschließlich aus Sachspenden der Bürger von Langendreer und Werne. Die Sammlung enthält Anschauungsmaterial zur Alltags- und Wirtschaftsgeschichte des Bochumer Ostens (Bergbau, Eisenbahn, Glasproduktion, Brauereiwesen) und zur örtlichen Vereinsgeschichte – mehr als 40 originale Vereinsfahnen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sowie stapelweise Protokollbücher aus derselben Zeit, aber auch Pokale, Medaillen und andere Exponate.
Die Kellerräume sollen laut Stadt zukünftig höchstens als Lagerfläche genutzt werden, „sofern das zu lagernde Gut nicht schimmelanfällig ist“, teilt Stadtsprecher Peter van Dyk mit. Eine Sanierung sei aktuell nicht geplant.