Bochum. Jeder zweite Beschäftige verliert in seinen Job. Was für großen Ärger sorgt: Vorher sollen die Betroffenen noch ihre Nachfolger einarbeiten.
In Bochum wurde vor vielen Jahren ein wichtiges Kapitel in der 500-jährigen Geschichte von Deutschlands ältestem Familienunternehmen geschrieben. Daher ist es ein besonderer Standort für The Coatinc Company (TCC). Das schützt ihn aktuell aber nicht vor drastischen Maßnahmen. Ein Teil der Belegschaft muss gehen – und wird offenbar von Beschäftigten einer oder mehrerer anderer Firmen ersetzt.
Verzinkerei in Bochum hat Personalabbau angekündigt
Die Hälfte der etwa 120-köpfigen Belegschaft der Verzinkerei an der Carolinenglückstraße in Hamme verliert nach Angaben der Industriegewerkschaft (IG) Metall zum Jahresende ihren Arbeitsplatz. Das Unternehmen habe vor einigen Monaten dem Betriebsrat mitgeteilt, dass es Personal abbauen möchte.
+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bochum verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Newsletter! +++
Der Betriebsrat hatte sich zuvor gemeinsam mit der IG Metall u.a. für höhere Löhne und den Abschluss eines Tarifvertrags stark gemacht. „Arbeiter bekommen etwas mehr als den Mindestlohn“, sagt das bisherige Betriebsratsmitglied Dominik Fehrenkemper. „Für die Arbeit, die sie erledigen müssen, bei der sie an den Säuredämpfen und an einem 450 Grad heißen Kessel stehen“ sei das nicht üppig.
Geringe Effizienz und hoher Krankenstand
„Das Unternehmensergebnis konnte aufgrund einer geringen Effizienz, Führungsschwäche und einem hohen Krankenstand die Kundenbedürfnisse nicht wirtschaftlich tragbar erfüllen“, begründet Felix Schaumberg, neuer Geschäftsführer der Coatinc Company Bochum, die Entlassungen. 50 Beschäftigte werde nach seinen Angaben das Unternehmen verlassen, etwa 70 am Standort bleiben; einige von ihnen aber nicht mehr als TCC-Mitarbeiter, sondern als Beschäftigte einer Werkvertragsfirma.
Diese sollen künftig die Arbeit der bisherigen Stammbelegschaft übernehmen. Nur eben zu veränderten Konditionen. „Bei einem Werkvertrag wird nach Arbeitsleistungen und nicht nach Stunden abgerechnet“, so der Geschäftsführer. Nach seiner Kenntnis würden Beschäftigte, die wechseln, mehr Lohn erhalten als bei ihrem bisherigen Arbeitgeber. „Aber das ist eben leistungsbezogen.“
Gewerkschaft und Betriebsrat legen eigenes Konzept vor
Auch IG Metall und Betriebsrat haben, so Gewerkschaftssekretär Yunus Emre Yildirim, Vorschläge unterbreitet, „wie man Einsparmaßnahmen und Verbesserungen vornehmen könnte, ohne dass eine Werkvertragsfirma oder eine Leiharbeitsfirma diese Arbeiten dann übernehmen kann. Dies hat der Arbeitgeber abgelehnt.“ Er habe auf steigende Zink- und Energiepreise verwiesen und sei nicht gewillt gewesen, „mit der jetzigen Belegschaft das Unternehmen fortzuführen“. Ohnehin hätte die IG Metall trotz ihres hohen Organisationsgrads einen schweren Stand. Versuche, im vergangenen Jahr mit der damals neuen Geschäftsbereichsleitung einen Termin zum Kennenlernen zu vereinbaren, seien abgeprallt.
+++ Folgen Sie der WAZ-Lokalredaktion Bochum auf Instagram! +++
In Sachen Konzept dementiert der TCC-Geschäftsführer. Die Vorschläge der Arbeitnehmerseite hätten durchaus Gehör gefunden „und wurden gemeinsam, sogar unter Beteiligung eines Schlichters über mehrere Tage analysiert und diskutiert“. Der Betriebsrat habe sich dann aber von den Vorschlägen distanziert und keine verpflichtende Vereinbarung darüber abschließen wollen.
Im Rahmen des Interessensausgleichs sind den Betroffen dann Abfindungszahlungen angeboten worden. Die seien für einige der langjährigen Beschäftigten aber weniger hoch ausgefallen, als das zu erwarten war, so Ex-Betriebsrat Fehrenkemper. Zwar hätten einige 35 bis 40 Jahre am Standort gearbeitet, erhielten aber ihre Abfindung nur für maximal 13 Jahre, weil es zwischenzeitlichen einen Betriebswechsel gegeben habe. Kopfschütteln rufe bei ihm hervor, dass die künftigen Arbeitnehmer zum Teil von Beschäftigten angelernt werden, die danach ihren Arbeitsplatz übernehmen, während sie selbst gehen müssten.
- 200 Mitarbeiter gehen - Standort Bochum steht zur Debatte
- Bochum: Unternehmen halten sich bei Neueinstellungen zurück
- New Yorker Taxischilder veredelt in Riemke
Auch das bisherige Betriebsratsratsmitglied verliert nach sechs Jahren an der Carolinenglückstraße seinen Job und wird es nach eigener Einschätzung nicht leicht haben, eine neue Stelle zu finden. „Ich bin freigestellt und bekomme noch mein Geld bis Ende Januar“. Der Geschäftsführer habe ihm zu verstehen gegeben, „dass er künftig keine Arbeit mehr für mich hat.“ Dabei hätte der frühere Vertriebsleiter, wie er sagt, auch eine Sacharbeiterstelle angetreten. „Aber auch die gebe es nicht, hieß es“, so Fehrenkemper. Dabei sei aktuell eine Sachbearbeiterstelle ausgeschrieben.
„Zukünftig konzentrieren wir uns ausschließlich darauf, die Kundenanforderungen in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen. Die reine Fertigung wird von den Partnerfirmen organisiert, die sich darauf konzentrieren können“, sagt derweil Geschäftsführer Schaumberg. Die Abläufe in der Verzinkerei bleiben dabei nahezu gleich, nur sei jetzt dafür eine Werkvertragsfirma zuständig.
Wichtiges Bochumer Kapitel
Das wichtigste Bochumer Kapitel in der Geschichte der Coatinc Company Holding spielte sich im vergangenen Jahrhundert ab. Der langjährige Firmenlenker Werner Alfred Niederstein wurde 1901 in Altenbochum geboren – als Sohn von Luise Niederstein, die aus der siegerländischen Gründerfamilie des Traditionsunternehmens stammt, und des evangelischen Pfarrers und späteren Bochumer Superintendenten Alfred Niederstein.
Mithilfe von Luise Niederstein wurden 1906 die evangelischen Frauenvereine zur Frauenhilfe zusammengeschlossen, sie selbst war Vorsitzende des Bezirksverbandes Bochum, so die Angaben in der Familienchronik. Ihr Urenkel Paul Niederstein ist heute geschäftsführender Gesellschaft der Holding.