Bochum-Wattenscheid. Vor einem halben Jahrhundert wurde Wattenscheid ein Teil von Bochum. Das soll groß gefeiert werden. Doch wie? Die Meinungen gehen auseinander.

Am 1. Januar 2025 jährt sich ein Ereignis, an das viele Wattenscheider noch immer ungern erinnert werden: der Zusammenschluss ihrer bis zum 31. Dezember 1974 noch eigenständigen Stadt mit dem großen Nachbarn Bochum. Im Rathaus weiß man natürlich um die nach wie vor empfindliche Seele. Und so geht man zu Beginn des Jahres zunächst in einer Veranstaltungsreihe auf die Bezirksvertretungen ein, die im Zuge der Gemeindereform entstanden sind. Nach WAZ-Informationen soll es später aber auch eine Extra-Veranstaltung zur großen Gemeindereform geben.

Stadtverwaltung plant Veranstaltungsreihe: „Sechs Bezirke – eine Stadt“

„Sechs Bezirke – eine Stadt“: So soll die Veranstaltungsreihe heißen, teilt die Stadt Bochum auf Anfrage dieser Redaktion mit. „Die Gemeindereform veränderte damals vieles grundlegend. Sie vereinte Städte wie unter anderem Bochum und Wattenscheid, schuf in den großen Städten Bezirke und führte Bezirksvertretungen ein“, so Stadtsprecher Peter van Dyk. Letztere hätten sich als wichtige Organe der direkten Demokratie „vor Ort“ bewährt und spielten daher eine zentrale Rolle in der lokalen Selbstverwaltung, heißt es weiter.

Mehr zum Thema – 50 Jahre Eingemeindung

In der Veranstaltungsreihe wolle man beide Aspekte beleuchten. „Dabei liegt der Schwerpunkt einerseits auf den positiven Auswirkungen, die durch die Einführung von Bezirksvertretungen zur Stärkung der lokalen Demokratie entstanden sind, und andererseits auf den Herausforderungen für die Stadtentwicklung, die sich aus der Gebietsreform ergaben“, erklärt Peter van Dyk.

Bezirksvertretung Bochum-Wattenscheid: Unklare Mehrheitsverhältnisse haben schon in der ersten Sitzung nach dem Polit-Beben Auswirkungen: Keine Einigung bei der Diskussion
Vor 50 Jahren wurden Wattenscheid und Bochum zusammengeschlossen. Wie man dieses Jubiläum passend würdigt, wird derzeit unter den Wattenscheider Lokalpolitikern diskutiert. Dieses Foto entstand im August 2024 in der Bezirksvertretung. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Zusammenschluss von Bochum und Wattenscheid jährt sich zum 50. Mal

Am 5. Februar 2025 soll die Auftaktveranstaltung in einer besonderen Variante der städtischen Vortragsreihe „Bochumer Stadtgespräche“ im Kunstmuseum stattfinden. Oberbürgermeister Thomas Eiskirch werde zur politischen Dimension der Reform sprechen. Heike Möller, die Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Wohnen, werde Aspekte der Stadtentwicklung beleuchten, wobei ein Blick auf die wesentlichen städtebaulichen Entwicklungen in den jeweiligen Bezirken in den letzten 50 Jahren geworfen werden soll. Anschließend sei eine Podiumsdiskussion geplant.

Diese Texte haben viele Menschen interessiert

Im Zuge der Veranstaltungsreihe werde es zudem in den sechs Stadtbezirken Vorträge in vergleichbarer Form geben, so van Dyk. Vor Ort würden die Bezirksbürgermeisterin bzw. die Bezirksbürgermeister den Part des Oberbürgermeisters übernehmen.

Marc Westerhoff, CDU, Bezirksbürgermeister von Bochum-Wattenscheid.

„Kraft meines Amtes als Bezirksbürgermeister sehe ich mich in der Pflicht, an einer Veranstaltung teilzunehmen.“

Marc Westerhoff, CDU

In Wattenscheid fällt die Gastgeberrolle damit Marc Westerhoff von der CDU zu. Dieser sieht sich kraft seines Amtes in der Pflicht, diese auch anzunehmen. Wichtig ist ihm, der Veranstaltung in Wattenscheid einen passenden Namen zu geben. „An der Formulierung feilen wir noch, die ist am schwierigsten.“

50 Jahre Gemeindereform: Zum Feiern ist in Wattenscheid niemandem zumute

Der Begriff „Feiern“ wird dabei wohl keine Verwendung finden. „Denn der eigentliche Grund der Veranstaltung ist ja aus Wattenscheider Sicht kein Grund zum Feiern“, stellt Westerhoff fest. Er selbst wurde wenige Monate vor der Eingemeindung geboren, bezeichnet sich als echter Wattenscheider Junge und „kann den Ärger, der noch immer in vielen schwelt, gut nachvollziehen“.

+++ Lesen Sie mehr Nachrichten aus Bochum! +++

Dennoch sei man ein Teil dieser Stadt und komme nicht drumherum, sich diesem Jubiläum zu stellen. Für Wattenscheid sei eine Veranstaltung im März geplant. „Mit Feierabendmarkt, einem Wattenscheid-Film, Podiumsdiskussion und gemütlichem Beisammensein“, verrät Westerhoff.

Die Menschen und Geschichten haben Bochum 2024 berührt

Von einer zusätzlichen Feier der Eingemeindung Wattenscheids will der Bezirksbürgermeister nichts wissen. Von Amts wegen würde er auch daran teilnehmen „und mich einbringen, um diese wattenscheidverträglich zu gestalten“.

Oliver Buschmann, Mitglied der Bezirksvertretung Wattenscheid für die Grünen.

„Sollte uns das gar nicht gefallen, kann ich mir gut vorstellen, dass wir da nicht hingehen.“

Oliver Buschmann, Grüne, zu einer möglichen Feier der Eingemeindung Wattenscheids

Oliver Buschmann von den Grünen hingegen habe schon läuten gehört, „dass da etwas geplant ist“. Konkretes wisse aber auch er noch nicht. Eine Teilnahme der Grünen macht er vom Format abhängig. „Sollte uns das gar nicht gefallen, kann ich mir gut vorstellen, dass wir da nicht hingehen.“ Aber er gehe davon aus, dass man sich im Rathaus entsprechend Mühe geben werde, etwas Passendes auf die Beine zu stellen.

So wie bei der Veranstaltungsreihe zu 50 Jahre Bezirksvertretung. „Da werden wir sicher dabei sein.“ Und wahrscheinlich auch Kritik üben. „Wir als Bezirk müssen dafür kämpfen, mehr eigene Entscheidungsbefugnisse zu bekommen – und das entsprechende Geld dafür. Es kann nicht sein, dass wir mit Almosen abgespeist werden.“

+++Was macht die WAZ Bochum eigentlich bei Instagram? Die Redakteurinnen Inga Bartsch und Carolin Muhlberg geben im Video einen Einblick.+++

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Instagram, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Auch Buschmann findet die Eingemeindung Wattenscheid noch heute falsch. Er nennt sie „Zwangsheirat“, denn „kein Wattenscheider wollte das“. Die Stadt Bochum habe es in 50 Jahren nicht geschafft, den Zusammenschluss der beiden Städte so zu gestalten, dass sich die Wattenscheider Bürger darin auch wiederfänden. „Bochum würde gut damit fahren, das Heimatgefühl in Stadtbezirken wie Wattenscheid oder Langendreer zu fördern und zu integrieren.“

Hans-Josef Winkler, Mitglied der Bezirksvertretung Wattenscheid für die UWG:Freie Wähler.

„Ich werde erst das Format abwarten und dann entscheiden, tendiere aber zu einer Teilnahme.“

Hans-Josef Winkler, UWG:Freie Wähler

Hans-Josef Winkler von der Fraktion „UWG:Freie Bürger“ zeigt sich noch unschlüssig, ob er einer Veranstaltung zur Gemeindereform oder zur Eingemeindung Wattenscheids beiwohnen werde. Er wolle erst das Format abwarten und dann entscheiden, tendiere aber zu einer Teilnahme „mit kritischen Augen“.

+++ Folgen Sie der WAZ Bochum auf Facebook! +++

„Ich kann mir die Welt ja nicht malen, wie ich sie haben möchte und muss mit der Realität umgehen“, so Winkler. Ein Jubelfest lehne er kategorisch ab. Erst recht vor dem Eindruck der jüngsten Entwicklungen zur Stadthalle, die zu einer Schulaula werden soll. Die Bezirksvertretung Wattenscheid hatte einen Umbau im größeren Stil gefordert. „Doch der Rat hat diesen Beschluss für nichtig erklärt und ignoriert. Für mich ist das kein Anlass zum Feiern.“ Man müsse langsam mal anfangen, die Bezirksvertretungen ernstzunehmen.

Wolfgang Rohmann, Mitglied der Bezirksvertretung Wattenscheid für die SPD.

„Eine Aktion zum Jubiläum der Eingemeindung Wattenscheids werden wir als Partei mittragen, aber nicht feiern.“

Wolfgang Rohmann, SPD

Als „unsägliches Thema“ bezeichnet Wolfgang Rohmann von der SPD den 50. Jahrestag der Eingemeindung Wattenscheids. Aktionen zu diesem Jubiläum werde seine Partei mittragen, „aber nicht feiern“. Immerhin habe Wattenscheid damals seine Eigenständigkeit verloren.

+++ Lesen Sie mehr Nachrichten aus Bochum! +++

Bei der Veranstaltung zu 50 Jahre Bezirksvertretung „nehmen wir als Teil Wattenscheids natürlich teil, werden uns aber moderat zurückhalten“. Von einer zusätzlichen Feier zur Eingemeindung wisse er nichts, sagt Rohmann. Ob man diese boykottieren werde, „kann ich nicht allein entscheiden“. Da wolle er vorher Rücksprache mit der Fraktion halten.

Rolf Heyer, Mitglied der Bezirksvertretung Wattenscheid für die FDP.

„Die kommunale Neugliederung war schon richtig.“

Rolf Heyer, FDP

Rolf Heyer von der FDP ist wohl der einzige Wattenscheider Bezirksvertreter, der die kommunale Neugliederung begrüßt hat. „Die war schon richtig“, sagt der Einzelkämpfer in der Bezirksvertretung. Von daher werde er „auf jeden Fall“ dabei sein, wenn an die Gemeindereform erinnert wird – in welcher Form auch immer. Aus seiner Sicht müsse permanent über eine Verwaltungsreform nachgedacht werden. So hält er dringend eine Neuaufstellung des ÖPNV für nötig. Die würde man in Wattenscheid garantiert mitfeiern.