Für eine schnelle Verlagerung der Bankenaufsicht sieht Angela Merkel keine Chancen. Die Einrichtung müsse auch die geforderte Qualität haben.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel bremst beim Aufbau einer neuen europäischen Bankenaufsicht und fordert von den Euro-Partnern eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung und Verbindlichkeit. „Wenn Europa seine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen will, geht es darum, dass wir unsere Versprechen auch einhalten und umsetzen“, mahnte sie am Montag in Berlin. Merkel wandte sich dabei auch gegen die etwa von Frankreich und Spanien forcierte schnelle Einführung einer Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Beide Länder erhoffen sich danach eine direkte Rekapitalisierung ihrer Banken durch den Europäischen Rettungsfonds ESM.

„Jetzt geht es nicht darum, möglichst schnell etwas hinzulegen..., was am Schluss wieder nicht funktioniert“, betonte die Kanzlerin. Glaubwürdigkeit könnten die Europäer nur zurückgewinnen, wenn sie die sehr schwierige Aufgabe meisterten, eine neue Behörde mit mehreren hundert neuen Mitarbeitern aufzubauen, die am Ende eben nicht die Schwächen der bisherigen Bankenaufsicht haben dürfe. Merkel warnte angesichts einer gerade erst einsetzenden Diskussion davor, dass „es relativ unwahrscheinlich ist, dass zum 1. Januar eine funktionsfähige Behörde dasteht, von der wir heute nicht einmal den Beschluss über den Bauplan haben.“

Die Bankenaufsicht soll bei der EZB angesiedelt sein. Bisher ist aber völlig unklar, wie das Verhältnis zur Europäischen Bankenaufsicht (EBA) in London sein und innerhalb der EZB die Geldpolitik von der Bankenaufsicht getrennt werden soll. Merkel wies zudem die Pläne der EU-Kommission zurück, der EZB die Aufsicht über alle Geldinstitute zu übergeben, sondern sprach nur von den großen „systemischen Banken“.

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Die Kanzlerin stellt sich damit ausdrücklich hinter Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der Zweifel am Inkrafttreten der Bankenaufsicht am 1. Januar 2013 geäußert hatte. Frankreich und einige andere Euro-Staaten drängen dagegen auf eine schnelle Aufsicht durch die EZB, weil Banken dann direkt beim künftigen Euro-Rettungsschirm ESM rekapitalisiert werden könnten. „Es muss erst die Aufsicht da sein, erst die Durchgriffsmöglichkeit und dann die Kapitalisierung durch den ESM“, betonte Merkel dagegen. „Das ist die Reihenfolge, und die muss unabdingbar eingehalten werden.“

Zudem wehrte die Kanzlerin Pläne für eine gemeinsame Haftung europäischer Sparer durch einen europäischen Bankeneinlagensicherungsfonds ab. „Die Frage einer gemeinsamen Einlagensicherung stellt sich für mich nicht“, sagte Merkel. Deshalb müsse man darüber derzeit nicht diskutieren.

Bis Ende des Jahres müsste die Euro-Zone aber etliche politische Reformen beschließen, sagte Merkel. So reichten die bisherigen Regeln nicht aus, um die wirtschaftspolitische Koordinierung verbindlich genug zu machen. Zudem stelle sich zunehmend die Frage demokratischer Kontrollen. Ausdrücklich nannte die Kanzlerin dabei als Alternativen die Bildung einer Euro-Gruppe innerhalb des Europäischen Parlaments oder aber eine stärkere Zusammenarbeit der nationalen Parlamente der Euro-Zone. „Auf jeden Fall ist die demokratische Legitimation außerordentlich wichtig“, sagte Merkel und verwies auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM. Zudem müsse auf dem geplanten EU-Sondergipfel im November über den EU-Finanzrahmen von 2014 bis 2020 mit immerhin einem Volumen von einer Billion Euro entschieden werden.

Merkel verteidigte zugleich den Kurs der EZB im Kampf gegen die Euro-Krise. Die EZB habe der Politik mit ihrer Ankündigung neuer Aufkaufprogramme für Staatsanleihen nur weitere Zeit gekauft. EZB-Präsident Mario Draghi habe dabei in seinem Verantwortungsbereich und autark gehandelt. Sie gehe davon aus, dass die EZB im Rahmen ihres Mandats bleibe und ihren Auftrag zur Geldwertstabilität nicht mit einer Staatsfinanzierung vermische. „Davon bin ich zutiefst überzeugt“, sagte Merkel. Zugleich nahm sie aber auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann in Schutz, der seine Ablehnung des Anleihen-Aufkaufprogramms im EZB-Rat öffentlich gemacht hatte. Dies war zuvor von Schäuble kritisiert worden. Merkel wollte nicht ins Detail gehen, betonte aber, es sei schon immer so gewesen und „richtig“, dass sich ein Bundesbank-Chef in eine öffentlichen Debatte einmische.

Sie warnte zudem davor, zu schnell zu vergessen, was die Ursache der Schuldenkrise sei. „Wegen der sehr hohen Verschuldung sind die Finanzmärkte in Sorge, ob wir die Schulden jemals zurückzahlen können.“ Deshalb müssten die Ausgaben für den öffentlichen Sektor in vielen Euro-Staaten zurückgeschnitten werden, auch wenn dies in einer Übergangsphase sicher zu „negativen Wachstumsimpulsen“ führe, sagte Merkel. Dafür zeige sich etwa in Spanien und Portugal aber bereits, dass durch den eingeschlagenen Reform-Kurs wieder Arbeitsplätze in der Industrie- und Exportwirtschaft entstünden.

Mit Material von rtr