Finanzminister Schäuble zweifelt an dem Starttermin 2013 und erntet dafür heftige Kritik. Aufsicht soll am Ende 6000 Banken kontrollieren.

Nikosia. Im Streit um die neue europäische Bankenaufsicht stößt Deutschland mit Zweifeln am Starttermin 2013 bei wichtigen Europartnern auf Kritik. „Ich wünsche, dass wir rasch vorankommen“, sagte Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici am Sonnabend in Nikosia nach Beratungen mit seinen EU-Kollegen. Er berief sich auf die Beschlüsse des EU-Gipfels Ende Juni, der einen Abschluss der Verhandlungen bis Ende 2012 vorgebe.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble interpretiert die Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs indes anders. In dem Gipfelbeschluss sei lediglich von einer Prüfung der Kommissionsvorschläge bis zum Jahresende die Rede. „Der Bitte sind wir nachgekommen, wir haben sie schon geprüft.“

Die Aufsicht soll bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt werden und in der Endstufe 6000 Geldhäuser in den 17 Euroländern kontrollieren. Sie ist auch die Voraussetzung dafür, dass klamme Institute direkt auf Kredite aus den Euro-Rettungsfonds zugreifen können. Die Pläne zu einer Bankenunion, zu der neben der Bankenaufsicht auch ein gemeinsamer Einlagensicherungsfonds gehört, waren erst am Mittwoch von der EU-Kommission präsentiert worden.

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Schäuble sieht das von Brüssel eingeschlagene Tempo kritisch. Es dürften nicht Erwartungen an den Finanzmärkten geweckt werden, „hinter denen wir dann zurückbleiben müssen“, bekräftigte er in Nikosia. Schäuble bestritt, dass es beim Zeitplan Streit mit Moscovici gebe. Man sei sich einig, für einen Beginn am 1. Januar zu werben, wenn das möglich sei – „aber es wird nicht möglich sein“, sagte Schäuble. „Es gibt da keine deutsch-französische Kontroverse.“ Moscovici sagte, es gebe zwar keine Spannungen, aber Meinungsverschiedenheiten mit Schäuble.

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier pocht auf einen schnellen Einstieg in den europäische Bankenaufsicht. Die EU will damit auch verhindern, dass weitere Milliardenhilfen für Geldhäuser ohnehin strapazierte Länder zusätzlich belasten. „Der Zeitplan ist realistisch und notwendig“, sagte Barnier und entspreche genau dem Gipfelbeschluss vom Juni.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten am 29. Juni beschlossen: „Wir bekräftigen, dass es von ausschlaggebender Bedeutung ist, den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen. Die Kommission wird in Kürze (...) Vorschläge für einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus unterbreiten. Wir ersuchen den Rat (der Finanzminister), diese Vorschläge dringlich bis Ende 2012 zu prüfen.“ Der EZB-Vizepräsident Vitor Constancio sagte, die Vorschläge der Kommission „respektieren vollständig, was der Gipfel entschieden hat“.

Im Streit um die Macht der neuen Aufsicht unterstrich Barnier, es gehe nicht darum, dass die EZB gleich vom Start weg sämtliche Banken direkt überwache. Die EZB müsse aber notfalls bei jedem Geldhaus ein Durchgriffsrecht haben. Es gilt ein Stufenplan: Zunächst soll die Notenbank Geldhäuser kontrollieren, die Hilfen bekommen, später Großbanken, und von 2014 an alle Kreditinstitute.

Barnier wies den Vorwurf zurück, er wolle deutsche Sparer für Bankenkrisen in anderen Ländern zur Kasse bitten. „Ich habe einen solchen Vorschlag niemals gemacht.“ Bereits existierende nationale Fonds zur Sicherung von Spareinlagen sollten nicht zusammengelegt werden.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kritisierte eine Anzeigenkampagne deutscher Sparkassen und Volksbanken gegen eine europäische Einlagensicherung. „Diese Ängste sind total übertrieben und haben mit unseren Vorstellungen nichts zu tun“, sagte Barroso der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Er sagte weiter: „Ich will nicht die Spareinlagen der Deutschen nehmen und damit die Spareinlagen der Spanier absichern. Das ist undenkbar.“ Es gehe ihm vielmehr um eine europäische Dimension bei der Spareinlagen-Sicherung.

Auch unter den Ländern, die bisher den Euro nicht einführten, gibt es Bedenken gegen die neue Bankenkontrolle für die Eurozone. Die Staaten befürchten, dass der gemeinsame Binnenmarkt aller 27 EU-Länder für rund 500 Millionen Menschen geteilt werden könnte.