David Kross hat in atemberaubendem Tempo die Filmwelt erobert. Wie erlebt der 18-Jährige jetzt den Rummel um seine Person?
Berlin. Bargteheider Junge oder erwachsener Mann? Nachwuchsschauspieler oder Star? Bei einer Begegnung mit David Kross ist man sich da nie ganz sicher. Mal gewinnt der Beschützerinstinkt die Oberhand, mal die Bewunderung für die Leistungen des 18-Jährigen aus Schleswig-Holstein. Heute wird er als "Shootingstar" der Berlinale präsentiert - eine Ehre, die zuvor etwa Daniel Brühl oder Hannah Herzsprung zuteil wurde.
Der Höhepunkt in Kross' noch junger Karriere ist zweifellos seine Rolle in der US-Produktion "Der Vorleser" an der Seite der Hollywoodstars Kate Winslet und Ralph Fiennes. Mit der Hauptrolle in Detlev Bucks Film "Knallhart" 2005 hatte David Kross' steiler Weg nach oben begonnen.
Freitag feierte "Der Vorleser" Deutschlandpremiere auf der Berlinale. Wenn sich Zuschauer und Kritiker in einem einig waren, dann in dem: David Kross ist die Sensation des Films, das emotionale Zentrum neben einer großartigen Kate Winslet. Das Medieninteresse an seiner Person könnte nicht größer sein dieser Tage; die Herausforderung, die ihm auferlegte Rolle als deutsche Schauspielhoffnung professionell zu meistern, auch nicht. Was also tun, wenn Journalisten ständig nach den Sexszenen mit Mrs. Winslet fragen oder danach, wie man sich fühlt, wenn man in einer Suite im First-Class-Hotel Adlon wohnt und mit der Limousine quer durch Berlin chauffiert wird? David Kross hat sich entschlossen, die Chance, die ihm die neue Rolle in Stephen Daldrys Film bietet, zu nutzen und diese leicht surrealen Berlinale-Tage als das zu nehmen, was sie sind: aufregend und anstrengend, nervenzehrend und ein bisschen neben der Spur. Wo sonst begegnet man auf Partys Menschen, die so tun, als ob sie einen schon seit Jahren kennen; wo sonst schreien sich Autogrammjäger am roten Teppich heiser und betteln um ein gemeinsames Handyfoto; wo, wenn nicht hier in Berlin?
In einem Alter, in dem andere sich aufs Abitur vorbereiten oder den Führerschein machen, feiert David Kross mit seinem Filmteam in Berliner Szene-Restaurants, gibt Interviews im Viertelstundentakt und posiert mit seinen acht Shootingstar-Kollegen für die deutsche "Vanity Fair". Nach dem Motto: Ausschlafen kann ich, wenn ich wieder in Bargteheide bin. Das Bewundernswerte: Er bleibt gelassen. "Eine ruhige Stunde ganz für mich alleine, in der ich mich zurückziehen und durchatmen kann", ist das Einzige, was ihm einfällt auf die Frage nach den Dingen, die er vermisst. Das hat Seltenheitswert - auch wenn er erst seit drei Jahren zur sogenannten Branche zählt. Wie lange kann so jemand normal bleiben - und ist er es überhaupt noch? David Kross beantwortet die Frage in einer Art und Weise, in der er offensichtlich auch seinen Beruf versteht: Er lächelt sie gut gelaunt weg, er spielt sie weg. Er bleibt authentisch, das macht ihn so sympathisch. Aber man darf Kross nicht unterschätzen. So unschuldig-schüchtern, wie ihn Journalisten gelegentlich beschreiben, ist er nicht. Er ist selbstbewusst und scheut sich nicht zu sagen, dass er den "Vorleser" für einen "wundervollen Film" hält. Er hat sich emanzipiert vom Überraschungstalent zu einem ernst zu nehmenden Kollegen, dessen schauspielerische Leistungen Kate Winslet ausdrücklich lobt - und zwar ohne einen "Ist der Kleine nicht süß"-Bonus. Wer jetzt prophezeit, dass die Starallüren schon noch kommen werden, hat sich noch nicht mit David Kross unterhalten, aus dessen Worten vor allem eine große Sensibilität herausklingt. Etwa wenn er von seiner Nervosität vor der Premiere erzählt ("Ich hatte plötzlich wahnsinniges Herzklopfen - so sehr, dass ich am liebsten im Wagen sitzen geblieben wäre"), wenn er während seiner Antworten am Fingernagel knibbelt und verlegen auflacht, wenn er findet, dass es mit dem Lob nun allmählich genug ist und er lieber wieder seinen Job machen möchte. David Kross ist mit seinen Rollen in "Knallhart", "Krabat" und "Der Vorleser" erwachsen geworden. Das Schöne dabei: Er hat die Zuschauer daran teilhaben lassen. Ein wahrer Shootingstar.