Krise? Welche Krise? Die Berlinale, die heute eröffnet wird, ist ebenso auf Rekordkurs wie die deutsche Filmindustrie. Und CDU/CSU-Politiker wollen einen “Deutschen Filmtag“ einführen.

Berlin. Während der Dreharbeiten, sagt Regisseur Tom Tykwer (siehe Interview), habe er sich sehr gesorgt, dass die Zuschauer den Plot seines neuen Films "The International" zu konstruiert finden würden. Nach dem Motto: Eine Großbank als Bösewicht - wer glaubt denn so was? Tja, möchte man dazu abgeklärt sagen, die Zeiten haben sich eben radikal geändert, inzwischen trauen die Leute gierigen Bankern und korrupten Finanzjongleuren ja jede Art von krimineller Energie zu. So gesehen ist Tykwers Thriller "The International", mit dem heute Abend die 59. Internationalen Filmfestspiele von Berlin eröffnet werden, gewissermaßen der Film zur Finanzkrise. Da hat die Wirklichkeit, wie man zu sagen pflegt, wieder jede Fantasie übertroffen.

Knapp 400 Filme aus 60 Ländern - das ist die Berlinale 2009. Bereits am ersten Vorverkaufstag haben die Leute die Kassen mit Campingstühlen und Schlafsäcken umlagert, und es könnte sein, dass der Rekord vom vergangenen Jahr, in dem die Festspiele 240 000 Tickets verkauften, jetzt schon wieder gebrochen werden könnte.

Video: The International

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Denn das Kino ist offenbar eine der letzten Branchen, denen die Krise nichts anhaben kann. Im Gegenteil. Die Leinwandillusionen verkaufen sich in miesen Zeiten wie diesen großartig. Die Filmförderungsanstalt (FFA) hat gestern bekannt gegeben, dass im Jahr 2008 vier Millionen Eintrittskarten mehr verkauft wurden als 2007. Das entspreche einem Zuwachs um 3,2 Prozent auf insgesamt 129,4 Millionen beziehungsweise einer Umsatzsteigerung um 36,8 Millionen Euro auf insgesamt 794,7 Millionen Euro. Und jeder vierte Film, den sich die Deutschen angeschaut hätten, sei ein Film aus Deutschland gewesen. So etwas habe es seit 1991 nicht mehr gegeben. Man schaue deshalb, so FFA-Vorstand Peter Dinges gestern in Berlin, mit "unternehmerischem Mut" und mit "Zuversicht" in die Zukunft! Das hat man aus dieser Ecke auch schon lange nicht mehr gehört.

Das Kino als Krisengewinner. Neu ist das nicht. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise sind die Deutschen ja auch ins Kino gerannt, um sich mal ein paar schöne Stunden zu machen. Damals, als Erik Charells Revuefilm "Der Kongress tanzt" die Rekorde brach und Lilian Harvey ihr unwiderstehliches "Das gibt's nur einmal, das kommt nie wieder" sang. Im Kinogeschäftsjahr 1931/32, als die Arbeitslosenzahl tatsächlich die gefürchtete Sechs-Millionen-Grenze überschritt, strömten sage und schreibe anderthalb Millionen Besucher mehr in die Ufa-Kinos als im Abrechnungsjahr zuvor.

2008 hieß der deutsche Kinohit "Keinohrhasen". 4,9 Millionen Zuschauer haben Til Schweigers Film gesehen. Eine romantische Komödie mit Happy End. Zu den anderen zehn deutschen Produktionen, die die Eine-Million-Zuschauer-Grenze knackten, gehörten der Dokumentarfilm "Unsere Erde", der Fantasyfilm "Krabat", die Dramen "Kirschblüten" und "Im Winter ein Jahr" sowie die Wiederaufführungen der beiden Kästner-Verfilmungen "Emil und die Detektive" und "Das fliegende Klassenzimmer".

Je schlechter die wirtschaftliche Lage in einem Land sei, desto mehr profitiere das Kino davon, hat Thomas Friedl von der neu gegründeten Berliner Produktionsfirma UFA Cinema gerade dem "Spiegel" erklärt. Das Kino, so Friedl, erlaube "die Flucht aus der harten Realität". Diese Erkenntnis wird jetzt niemanden mehr verwundern.

Und was sagt die Politik zum neuen deutschen Kinoboom? Die sagt, dass sie 2010, also im 60. Berlinale-Jahr, einen "Deutschen Filmtag" einführen will. Festival-Filme sollen dann auf Vorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bundesweit gezeigt werden. Dafür scheint jedenfalls noch Geld da zu sein.