Keanu Reeves begeistert sich im Fahrstuhl für Michelle Pfeiffer, Regisseur Stephen Frears geht in den Schuhboykott und die Journalisten liefern sich Speed-Dating mit der Botox-Fraktion.

Berlin. "Können Sie ihm ein paar Schuhe besorgen?" Die Agentin ist in Eile und versucht am Telefon ihren Künstler noch adäquat auszustatten. Abends sollte Regisseur Stephen Frears bei der Berlinale seinen neuen Film und Wettbewerbsbeitrag "Cheri" präsentieren, aber er ist in seinen ältesten Turnschuhen angereist. Der unkonventionelle Brite ist für seine Abneigung gegen anderes Schuhwerk bekannt.

Unkonventionell scheint Frears es auch mit dem Speiseplan zu halten: kein Mittagsessen für ihn und seinen Drehbuchautoren Christopher Hampton; das Essen holen sie nach, während sie Interviews geben. Was wiederum die Hörfunkkollegen zur Verzweiflung treibt, weil sie auf ihren Aufnahmen jetzt reichlich Kau-, Schluck- und Schmatzgeräusche als "Beilage" haben, die sich so nur schwer versenden lassen. Berlinale-Sound halt. Kurz darauf im Fahrstuhl: Keanu Reeves kommt mit einer Begleiterin herein. Er sieht das Poster von Frears’ Film. "Wow!", sagt er. "Mit Michelle Pfeiffer. Ob die auch hier ist?" Ist sie, sage ich ihm und frage, ob er Lust hätte, mal mit ihr zu arbeiten? "Pling." Erdgeschoss. Er lacht, zuckt mit den Schultern. Und verschwindet.

Zu beneiden ist der Kollege einer Freundin. Er durfte am Dienstag Michelle Pfeiffer, am Tag darauf Demi Moore interviewen eine Seltenheit, gerade zu Berlinale-Zeiten, wo sogar Interviews mit der deutschen Schauspielprominenz nach dem Prinzip: ein Tisch, acht Journalisten, 15 Minuten vergeben werden. Speed-Dating ist nichts dagegen. Da gibt es dann auch gerne Anrufe der Art: "Wir bieten exklusiven Journalisten an, zwei Fragen an Leonardo DiCaprio zu stellen haben Sie Interesse?" Was, ICH? Sogar ZWEI?? Und er antwortet auch??? Der Kollege jedenfalls mault über seine hochkarätigen Interviewpartnerinnen: "Ich habe die Botox-Fraktion abbekommen." Leider habe ich ihn seither nicht mehr getroffen, gehe aber davon aus, dass er es nicht gewagt hat, das Thema mit den Damen zu vertiefen.

Es gibt ein paar Orte und Menschen in der Stadt, die einen regelmäßig daran erinnern, dass es ein Leben jenseits der Berlinale gibt. Den türkischen Gemüsehändler im S-Bahnhof interessiert es beispielsweise herzlich wenig, dass morgens um neun ein iranisches Drama im Wettbewerb läuft. Der Taxifahrer, der uns zur Party fährt, wundert sich, warum dieser Tage so viele Menschen mit seltsamen roten Umhängetaschen unterwegs sind. Vollgestopfte Berlinale-Satteltaschen, von denen ein weißer Bär winkt und mit denen wir bei genauer Betrachtung tatsächlich aussehen wie ein Grüppchen Schullandheim-Ausflügler.

Und dann gibt es Menschen, die sich dem Premierenparty- und Pressevorführungswahnsinn einfach entziehen und am Abend ins Kino gehen. Kein Berlinale-Film, sondern ganz normales Kino: "Der seltsame Fall des Benjamin Button". Wieso denn das?, frage ich mit verstrahltem Filmfestblick und denke später, dass das Schöne an Berlinale ja auch ist, dass sie Lust auf Kino macht. Je länger sie dauert, desto mehr.