Wer zu den Autogrammjägern geht, darf keine Angst vor körperlicher Nähe haben. Jeder Quadratzentimeter ist dort umkämpft. Die Pole-Position ist ganz vorn am Absperrgitter. Und von hinten wird schön gedrängelt.
Die windigste Ecke am Potsdamer Platz haben sich hartnäckigen Fans ausgesucht, um ihren Stars einmal ganz nahe zu sein. Hier kommen die Limousinen an, wenn die Filmemacher ein paar Schritte in "freier Wildbahn" machen, bevor sie in den Katakomben eines Hotels verschwinden. Natürlich warten die Fans nicht allein. Polizisten und Security-Leute behalten sie argwöhnisch, aber vielleicht auch verständnisvoll im Auge.
Heute ist Kate-Winslet-Tag. Eine, die ganz vorn steht, ist Yasmin. Die 19-Jährige lebt in der Türkei, besucht aber gerade ihre in Berlin lebende Mutter und geht mit Winslet-Fotos auf die Jagd. "Sie ist meine Lieblingsschauspielerin", sagt sie. Seit eineinhalb Stunden steht sie sich die Beine in den Bauch.
Ein etwas anderes Beuteschema hat Susanne. Sie ist zwar auch wegen der Winslet hier, hätte aber auch gern gern die Unterschriften von Ukrich Tukur und David Carradine. Die 38-Jährige kommt aus Frankfurt am Main schon zum dritten Mal zur Berlinale, um Stars ihren Namen schreiben zu sehen. Ganz unterschiedliche Erfahrungen hat sie dabei gemacht. "Penelope Cruz ging ganz schnell rein. Aber George Clooney nimmt sich eigentlich immer ein bisschen mehr Zeit." "Stimmt, der ist sehr nett", assistieren die Umstehenden. So hart der Kampf um den Platz sein mag, Umterschriftslosigkeit schweißt offenbar auch ein wenig zusammen.
Aber jetzt haben sie keine Zeit mehr. Sie kommen. Kate Winslet und Ralph Fiennes steigen aus, ein vielstimmiger Chor empfängt sie. "Kate, Kate", rufen sie. Zum Schauspieler haben sie offenbar nicht so ein vertrautes Verhältnis. "Mr Fiennes!". Fotos, DVD-Hüllen, Programmhefte. Unterschrieben wird alles. Dann sind die Stars weg. "Mist, immer gehen sie zur falschen Seite", ärgert sich einer. Da kommt Nachschub. Diesmal ist David Kross mit dabei. "David, David". Einer ruft ulkigerweise auch "Herr Schulze!" Das ist sein Agent, der neben ihm steht. Kross signiert "Krabat"- und "Knallhart"-Fotos, lässt sich mit Fans fotografieren, arbeitet sich in den entlegendsten Winkel dieser Fanmeile vor, hört gar nicht mehr auf. Er ist ja noch relativ neu im Geschäft, und offenbar macht ihm die Sache richtig Spaß. Hinterher behauptet ein Mann, er habe ein Autogramm bekommen, obwohl er gar keins wollte.
Das Gedränge wirkt teilweise bedrohlich. Aber nicht für Solveig. Wie die professionellen Fotografen hat sie sich eine Alu-Trittleiter mitgebracht und hat damit freie Sicht auf ihre Motive. Die 38-Jährige kommt sein fünf Jahren hierher, macht ihre Fotos, druckt sie aus und lässt sie unterschreiben. 900 Fotos mit verschiedenen Stars hat sie schon gesammelt. Zwei Stunden vor einem Termin baut sie sich auf. "Hier sind sie noch entspannter als am roten Teppich", hat sie herausgefunden. Der sei nämlich, je nach Wetter, "manchmal ganz schön kurz". Dort bringt sie sich auch mal drei oder vier Stunden vorher in Stellung, um einen guten Platz zu bekommen. Die meisten Stars reagieren freundlich auf ihre Fans, es gebe aber auch einige Stinkstiefel. "Das sind meistens die Deutschen", hat Solveig erfahren. Ihr schönstes Motiv ist Will Smith. "Der macht die größte Show. Das werden die ungewöhnlichsten Bilder", findet sie
Die Promis sind im Hotel, die Anspannung löst sich bei den Autogrammjägern. "Was hast du bekommen?", fragt ein Mann seinen Kumpel ganz vorn. "Einen Fiennes und zwei Kross", antwortet der und fragt, ob sein Freund den Jungschauspieler nicht gegen seinen doppelten Clive Owen eintauschen will. Der winkt ab. Vielleicht wird er sich in ein paar Jahren darüber ärgern, wer weiß? Der Mensch als Sammler und Jäger. Eigentlich eine uralte Geschichte.