Winsen. Historischer Frachter stand kurz vor der Verschrottung – und hofft nun auf ein zweites Leben als Besuchermagnet im Hamburger Süden.
- Schifffahrtsgeschichte zum Anfassen gibt es an mehreren Orten im Hamburger Hafen
- Doch wie sieht es mit den kleineren Häfen südlich der Stadt aus?
- Im Stöckter Hafen in Winsen könnte ein historischer Frachter bald zum Kiekeberg der Binnenschifffahrt werden
Mangelnden Charme kann man ihr nicht vorwerfen. Besonders die liebevoll eingerichtete Kajüte am Bug des alten Schiffes fasziniert mit Schrankbett, Holzofen, Nachttopf und einer Wärmflasche aus Metall – alles wie zu Großmutters Zeiten. Einige Meter weiter tut sich im ehemaligen Laderaum ein großer Gemeinschaftsraum auf. Man kann Blicke auf die Maschine, genietete Schiffswände und in das Steuerhaus werfen. Ach, es lässt sich so viel entdecken. Wenn man ganz ruhig ist, scheint es so, als erzähle die „Ilmenau“ spannende Geschichten aus ihrem 125 Jahre langen Leben.
Uriger Frachter im Hamburger Süden: Schiff soll Besuchermagnet werden
Es sieht gut aus, dass weitere Jahre hinzukommen. Vor einigen Wochen war das noch anders, da war die Verschrottung eine Option. Dann aber taten sich einerseits Claus Meyer vom Verein „Museumsschiff Ilmenau Bardowick e.V.“ und Hermann Vaick aus Stöckte zusammen, andererseits ergab eine Untersuchung der Unterwasserbereiche gute Nachrichten.
„Alles in Ordnung, die Substanz ist gut“, lautet die Botschaft der Schiffswerft August Eckhoff. Nach Sandstrahlen und Auftragen frischen Unterwasserschutzes attestierte die Werft der „Ilmenau“ die Schwimmfähigkeit bis ins Jahr 2032.
Werft August Eckhoff attestiert Schwimmfähigkeit für acht weitere Jahre
Eine Basis, auf der sich planen lässt. Neuer Eigentümer ist der Stöckter Hermann Vaick, er hat das Museumsschiff vom Bardowicker Verein um Claus Meyer erworben. „Mein Wunsch ist, das Schiff einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, es den Menschen näherzubringen. Ich möchte das Kulturerbe präsenter machen“, sagt der 75-Jährige im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt.
Um gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie das gelingen könnte, hat Vaick Kontakt aufgenommen mit dem Museum im Marstall und dem Heimat- und Museumsverein, beide aus Winsen. Er fragt sich, warum es nicht in kleinerem Rahmen gelingen sollte, alte Techniken und gelebte Geschichte in Stöckte zu präsentieren.
Freilichtmuseum Kiekeberg oder Mühle Karoxbostel als positive Beispiele
So wie es zum Beispiel das Freilichtmuseum am Kiekeberg oder die Wassermühle Karoxbostel tun. Schon mehrfach beteiligten sich die Stöckter Hafeneigentümer mit Führungen an „Tagen der Industriekultur am Wasser“, das nächste Mal ist für 2025 geplant.
Sicher ist, dass die „Ilmenau“ den Stöckter Hafen nicht mehr verlassen wird. „Sie bleibt ein Liegeschiff. Heutzutage sind die Voraussetzungen zum Fahren nicht mehr zu erfüllen“, berichtet Hermann Vaick. Allein die im August vollzogene Überführung von Bardowick über die Ilmenau in den offenen Hafen an der Elbe war ein Kraftakt. Nur mit Sondergenehmigungen und mit der Hilfe eines großen Krans konnte das 97 Meter lange und 5,12 Meter breite Schiff die stillgelegten Schleusen in Bardowick, Wittorf und Fahrenholz passieren.
Deutsches Hafenmuseum und Museumshafen Harburg winken dankend ab
In Stöckte angekommen, gab es durchaus Kaufinteressenten aus Lübeck und Bremerhaven, die die „Ilmenau“ möglicherweise zu einem Wohnschiff hätten umbauen wollen. Anfragen an den Museumshafen Harburg und das Deutsche Hafenmuseum brachten – immerhin nach einiger Bedenkzeit – nicht das erhoffte „Go“ zur Übernahme.
Und so griff Hermann Vaick voller Überzeugung zu. „Das Schiff fuhr früher tatsächlich auf der Ilmenau, transportierte etwa Kies und Holz. In der Elbmarsch wurde Gemüse zugeladen, um es zum Deichtormarkt (heute Großmarkt) nach Hamburg zu bringen.“
Hafenperle „Ilmenau“: Schwesterschiffe wurden am Reiherstieg in Wilhelmsburg gebaut
Offenbar ist das Museumsschiff „Ilmenau“ das letzte existierende Fragment, das die Schifffahrt auf dem Fluss Ilmenau repräsentiert. Die beiden Schwesterschiffe der 1899 am Reiherstieg in Wilhelmsburg gebauten „Ilmenau“, die zunächst den Namen „Erich“ trug, gibt es längst nicht mehr. „Das Schiff gehört hierher“, sagt Hermann Vaick. „Hier bekommt es die Aufmerksamkeit, die es als Kulturgut verdient“, ergänzt Tochter Rebekka Vaick. Allein schon wegen der schnuckeligen Kajüte würde sich ein Besuch lohnen.