Winsen/Lüneburg. Experten schlagen Alarm: Anlagen sind auf Klimawandel, Starkregen und Hochwasser nicht vorbereitet. Wer in der Verantwortung steht.

  • Die Klimakrise stellt nicht nur Metropolen, sondern auch die angrenzenden Regionen vor große Herausforderungen
  • In den Landkreis Harburg und Lüneburg etwas sind die Deichanlagen stark veraltet und könnten die Anwohner im Krisenfall nicht ausreichend schützen
  • Doch für die notwendige Sanierung braucht es Hunderte Millionen Euro – wer soll das finanzieren?

Welche verheerenden Schäden Hochwasser anrichten kann, das haben die Fluten der vergangenen Jahre eindrücklich gezeigt, in Deutschland, Tschechien und jetzt gerade erst in Spanien. Sollten auch die Landkreise Harburg und Lüneburg von einem solchen Ereignis getroffen werden, ist die Region nur schlecht vorbereitet.

Der Hochwasserschutz werde seit Jahren verschleppt und muss dringend verbessert werden: Das fordern die Landräte Rainer Rempe (Harburg) und Jens Böther (Lüneburg) sowie die zuständigen Deichverbände.

Elbe, Luhe, Seeve: Investitionsstau bei Deichen beträgt inzwischen 200 Millonen Euro

Das Land Niedersachsen müsse das Thema endlich angehen, betonten sie am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Brietlingen. „Dem Land scheint der Ernst der Lage vor Ort nicht ausreichend bewusst zu sein“, so die Landräte in einer gemeinsamen Erklärung. Denn die Deiche in der Region können vielerorts ihren Zweck nicht mehr ausreichend erfüllen.

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Das betrifft die Hochwasserdeiche entlang der Elbe, aber vor allem auch die kleineren Schutzdeiche im Landesinneren. Dies haben die jüngsten Deichschauen noch einmal bestätigt. Diese Wälle an Seeve, Luhe und Ilmenau sind teilweise von Schutzdeichen flankiert, die Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurden. Die genutzte Technik ist längst veraltet und nicht auf die heutigen Herausforderungen durch Klimawandel, Starkregen und Hochwasser ausgerichtet.

Schutzwälle an Nebenflüssen bestehen aus Sand, das reicht nicht mehr aus

Die Wälle bestehen aus Sand, einige haben statt einer wasserabweisenden Schicht nur einfache Ziegelsteine oder aufeinander geschichtete Natursteine, wie am Achterdeich in Stelle. So etwas hält bei einem Extremwetterereignis kein Wasser ab, das betonen die Vorstände der Deichverbände Harburg, Artlenburg und Vogtei Neuland.

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Bei anderen Schutzdeichen fehlen die Deichverteidigungswege oder die Böschung ist zu steil, wie am Seevedeich in Seevetal. Dort gibt es immer wieder Schäden an der Grasnarbe, sodass Wasser in den Sandwall eindringen könnte. Daher müssten diese Deiche teilweise neu gebaut werden.

Elbdeiche müssen um bis zu 1,30 Meter erhöht werden

Auch die Elbdeiche sind nicht auf dem neuesten Stand, das hat eine Bestandsanalyse des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) bereits im Jahr 2020 ergeben. Diese Deiche müssen um bis zu 1,30 Meter erhöht werden, zum Beispiel der Hauptdeich von der Hamburger Landesgrenze bis in den Landkreis Lüneburg.

„Wir sehen die Situation mit Sorge, weil wir nicht dastehen, wo wir stehen müssten“, sagt Harburgs Landrat Rempe. Die Lage ist seit Jahren ähnlich, der letzte Deichbau in der Region liegt fast 20 Jahre zurück. Es habe deshalb bereits viele Gesprächsversuche mit dem Land gegeben, sagt Rempe. Doch ohne nennenswerten Erfolg. Jetzt wollen die Deichverbände die Verantwortung für den Zustand der Deiche nicht mehr übernehmen, Unterstützung erhalten sie von den Landräten.

Landräte und Deichverbände fordern vom Land Niedersachsen schnelles Handeln

Gemeinsam fordern sie, dass Umweltminister Christian Meyer (Grüne) dem Hochwasserschutz Priorität einräumt und das Land den Deichbau zügig vorantreibt. Dafür seien vor allem mehr Personal und Geld sowie weniger Bürokratie notwendig.

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Zwar hat das Land Niedersachsen bereits 100 Millionen Euro für den Hochwasserschutz bereitgestellt. Doch allein für die Landkreise Harburg und Niedersachsen beträgt der Investitionsstau rund 200 Millionen Euro. Doch Geld allein reicht nicht, auch die notwendigen Fachkräfte stehen derzeit nicht zur Verfügung.

Vorbild Sachsen und Sachsen-Anhalt: Länder haben aus Hochwasser gelernt

Deshalb lautet die zweite Forderung, die Zahl der Mitarbeiter des NLWKN im Geschäftsbereich Lüneburg erheblich aufzustocken. Außerdem sollen die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden und die Deichverbände aus der Haftung entlassen werden.

Um schneller zu Ergebnissen zu kommen, müsse man auch beim Naturschutz umdenken. „Dieses Spannungsfeld bremst uns aus und kostet an vielen Stellen Zeit“, sagt Lüneburgs Landrat Böther. Der Schutz der Menschen in den betroffenen Gebieten müsse in diesem Bereich jedoch Vorrang haben.

Deichanlagen im Hamburger Süden: „Bisher haben wir einfach Glück gehabt

Die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt standen vor einigen Jahren vor ähnlichen Herausforderungen. Doch dort habe man nach der Flut von 2013 aus der Erfahrung gelernt und konsequent gehandelt, so Rempe. „Das zeigt, dass es auch schnell gehen kann. Das wünsche ich mir auch für Niedersachsen. Denn bisher haben wir einfach Glück gehabt.“