Winsen (Luhe). Trotz Gegenwind aus der Bevölkerung beschließen Politiker den teuren Bücherei-Neubau. Warum es jetzt doch zur Kehrtwende kommt.
Seit Jahrzehnten ist die Winsener Stadtbücherei im Marstall beheimatet. Die Kombination aus historischem Ambiente und modernen Elementen schafft eine Atmosphäre, die zum gemütlichen Schmökern einlädt. Obwohl sich die Bücherei über drei Etagen erstreckt, ist der Platz begrenzt. Auch das Museum im Marstall und ein großer Veranstaltungssaal sind in dem historischen Gebäude am Schlossplatz in Winsen angesiedelt.
Der naheliegende Wunsch nach einer größeren Stadtbibliothek beschäftigt seit einigen Jahren Politik und Einwohner der Kreisstadt. Tenor: Die Politik ist mit großer Mehrheit für einen Neubau und hat entsprechende Beschlüsse gefasst, viele Bürgerinnen und Bürger stehen dem ambitionierten Projekt eher kritisch gegenüber.
Planung ja, Umsetzung nein: So geht Stadt Winsen mit der neuen Bibliothek um
Des Volkes Fragen: Ist es in heutigen Zeiten noch sinnvoll, einen teuren Neubau für gebundene Bücher zu erstellen? Kann sich Winsen eine Investition von etwa zehn Millionen Euro (abzüglich Fördermitteln) leisten? Und muss es sein, für den Neubau zwischen Marstall und Kreishaus mehrere Bäume im Schlosspark zu fällen und Flächen zu versiegeln? All diese Fragen haben sich die Stadtratsmitglieder angehört und sind nicht von ihrem Beschluss abgerückt.
Bis jetzt. Wenige Wochen vor Aufnahme der ersten vorbereitenden Maßnahmen – im Oktober sollten Bäume gefällt werden – stieg der Verwaltungsausschuss nun auf die Bremse. Keine Vollbremsung, um ein Bild zu bemühen. Aber ein Abbiegen auf einen Parkplatz, um erneut in Ruhe zu überlegen und die sich verändernden Rahmenbedingungen zu prüfen. „Jetzt ist es angezeigt, die Pausentaste zu drücken, nicht die Stopptaste“, erklärt Bürgermeister André Wiese die Entscheidung.
Verwaltungsausschuss der Stadt tritt aus mehreren Gründen auf die Bremse
Einem Vorschlag der Stadtverwaltung folgend, entschied der Verwaltungsausschuss in seiner jüngsten Sitzung, die Planungen für den Neubau der Stadtbibliothek zwar bis zur Genehmigungsreife voranzutreiben und auch die Baugenehmigung einzuholen – die konkrete bauliche Umsetzung jedoch zurückzustellen. Letztlich hätten mehrere Gründe zum Umdenken geführt, führt Stadtsprecher Theodor Peters in einer Pressemitteilung aus.
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Da ist zunächst das freiwillige Haushaltskonsolidierungskonzept, das sich der Stadtrat am 20. Juni auferlegt hat. Kernaussage: Angesichts des hohen Investitionsniveaus der vergangenen Jahre mit ansteigender Verschuldung müsse sich die Stadt Winsen bei weiteren Investitionen zurücknehmen und gründlich prüfen, ob sie erforderlich sind. „Das schließt auch eine Betrachtung der Investitionen in den Bibliotheksneubau ein, bevor damit begonnen wird“, so Peters.
Gesamtkosten für den Neubau betragen mindestens zehn Millionen Euro
Zweiter Punkt sind die Kosten: Als Basis diente lange eine Kostenschätzung. Diese hat sich im Laufe der Planungen zu einer Kostenberechnung verdichtet. „Jetzt, da die Entwurfsplanung zu etwa drei Viertel abgeschlossen ist, gibt es eine belastbarere Kostenprognose“, heißt es aus dem Rathaus. Demnach werde sich der Preis für den reinen Bibliotheksneubau um etwa 400.000 Euro auf 9,54 Millionen verteuern.
Rechnet man Möbel und Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft hinzu, steigen die Gesamtkosten sogar auf 10,46 Millionen Euro. Die Risiken einer allgemeinen Baukostensteigerung sind nicht darin eingepreist. Ein weiterer Faktor könnte die Kosten in die Höhe treiben: Wenn die Tiefbauer nämlich feststellen, dass sich die geplante Bauweise der Baugrube als nicht ausreichend wasserdicht erweist. „Dann müssen für die Erstellung einer Hochdruckinjektionssohle noch einmal etwa 637.000 Euro zusätzlich aufgebracht werden“, berichtet Stadtsprecher Peters.
Mittel aus Förderprogramm „Lebendige Zentren“ fließen nicht wie erhofft
Kurzes Durchatmen. Doch die Reihe aller Unwägbarkeiten rund um den Neubau im Schlosspark ist noch nicht vollständig. Sorgenfalten verursachen auch die Fördermittel. So teilte das Amt für regionale Landesentwicklung Lüneburg mit, dass das Förderprogramm „Lebendige Zentren“, aus dem der Bibliotheksneubau zu zwei Dritteln gefördert wird, überzeichnet sei. Die Stadt Winsen könne im Programmjahr 2024 nicht mit der beantragten Summe von rund vier Millionen Euro rechnen, sondern nur mit der Hälfte.
Wann und in welchen Teilsummen die Förderung ausgezahlt wird, lässt sich momentan nicht sagen. Das hängt auch von der Mittelverfügbarkeit auf Landes- und Bundesebene ab. Selbst die Auszahlung der zugesagten zwei Millionen Euro erfolgt nicht in einer Summe, sondern verteilt sich in Tranchen auf mehrere Jahre. „Sollten die Bauarbeiten für die neue Bibliothek also bald beginnen, müsste die Stadt ganz erheblich und für einige Jahre in Vorleistung gehen“, beschreibt Theodor Peters die Konsequenzen.
Neubau der Bücherei in Winsen: Bürgermeister Wiese bleibt zuversichtlich
Keine guten Aussichten also für einen modernen Neubau zwischen Marstall und Kreishaus in Winsen. Der Bürgermeister bleibt dennoch optimistisch. „Wenn die Rahmenbedingungen sich verbessert haben, ist die Fortführung des Projekts möglich. An der Einschätzung einer großen Mehrheit des Rates, dass es sich um ein überzeugendes und für die Stadtentwicklung wichtiges Vorhaben handelt, hat sich nichts geändert“, so André Wiese.
„Ein positiver Nebeneffekt der Pause ist, dass frei werdende Arbeitskapazitäten der städtischen Hochbauabteilung zunächst für andere Baumaßnahmen genutzt werden können.“