Immer mehr Firmen entwerfen ihre eigenen virtuellen Welten. Eine aktuelle Übersicht

Im fernen Honolulu arbeitet man auf Hochtouren an der Kolonialisierung des virtuellen Raums: Das Start-up-Unternehmen Avatar Reality, für das unter anderem Tetris-Erfinder Alexey Pajitnov und Ex-Nintendo-USA-Boss Minoru Arakawa arbeiten, plant einen Lebenssimulator, der, dank des leistungsfähigen CryEngine2-Chips, Second Life (SL) grafisch weit hinter sich lassen soll.

Auch in Silicon Valley bläst man zum Angriff auf den Platzhirsch SL: Die virtuelle Welt There mit ihren fast comichaften Avataren wirkt insgesamt sehr dynamisch und kompakt. Dass There trotzdem nur knapp 750 000 Mitglieder hat, Second Life hingegen mehr als fünf Millionen, liegt wohl vor allem daran, dass There komplett für Benutzer ab 13 Jahren zugelassen ist: Ein virtuelles Rotlichtmilieu sucht man hier vergebens - und im Netz, auch im virtuellen Zweit- oder Drittleben, geht es eben, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen, doch öfters mal um Sex.

Immerhin konnten die There-Macher ihre 3-D-Engine an den Popsender MTV verkaufen, der damit die Cyberwelten Virtual Hills und Virtual Laguna Beach aus dem Boden stampfte. In ihnen erforschen User die Serienwelten der TV-Formate interaktiv von innen, begegnen Lauren Conrad und anderen Protagonisten oder drehen per eingebauter Videofunktion ihre eigene Folge Glamour-TV. MTVs virtuelle Welten sind überaus erfolgreich, was daran liegen mag, dass die TV-Serien, die selbst gewissermaßen virtuelle Welten sind, in denen Zuschauer dem Alltag entfliehen können, konsequent ins Netz verlängert wurden. Kein Ende in Sicht - der Pimp-My-Ride-Kosmos steht schon in den Startlöchern.

Neben all den virtuellen Welten und ihren alternativen Lebensentwürfen hört man auch im "Alltags-Internet" immer öfter die Catchphrase "avatargesteuertes Browsen". Das funktioniert so: Wer sich bei Zweitgeist oder Me.dium registriert, browst und googlet künftig mit einem Avatar und trifft in den Weiten des Internets überall Menschen. Der Vorteil: Man findet beim Surfen über die eigenen Lieblingsseiten vor allem Leute mit ähnlich gearteten Interessen - es liegt schließlich in der Natur der Dinge, dass sich auf einer Website über Hung-Gar-Kung-Fu hauptsächlich Anhänger dieses spezifischen Shaolin-Mönch-Kampfstils tummeln.

Wie Second Life sollen sich die Browser-Comunitys bald kommerzialisieren. Die Geschäftsmodelle dafür haben sich die Macher bei Second Life abgeguckt: Browser-Avatare sollen Items für ihr virtuelles Ich einkaufen können - Gucci-Sonnenbrillen, Nike-Sneaker oder auch virtuelle Rauchbomben, die beispielsweise ein HSV-Fan auf der Website des FC Bayern München zünden kann. Die Nachfrage nach virtuellen Luxusgütern steigt dabei von ganz allein: Je mehr Zeit User mit ihren Avataren im Netz verbringen, desto mehr werden sie Wert darauf legen, sich über ihr virtuelles Ich anständig zu präsentieren.