WEBSOAPS: Sehr einfach, sehr emotional und sehr erfolgreich: Seifenopern im Internet spielen suggestiv mit der Wirklichkeit

Leises Lachen drang zu ihr herüber. Aneesa wandte den Kopf und sah Bobby auf sich zu-kommen. Sie lachte und streckte die Arme nach ihm aus. Doch irgendwie schien er nicht näher zu kommen. Sie versuchte, ihm entgegenzugehen. Erfolglos . . .("Radio Sunset")

Küsse und Trennungen, Träume und Tränen - das Genre Seifenoper hat sich längst im Internet etabliert: von den Kurzfilmen über den Fotografen Brandon Craig, der gleich drei Affären auf einmal hat ("Soup Of The Day"), über die Foto-Love-story einer Paderborner Chaos-WG, in der ein finnischer Untermieter mit Gen-Tomaten herumexperimentiert ("Vier sind hier") bis hin zu den Videoblogs von "Lonelygirl15" & Co. Auch im WWW sind die Geschichten betont einfach, betont emotional und erzeugen ihre Spannung hauptsächlich über "Cliffhanger" - die Verzögerung von Problemlösungen durch Szenenwechsel.

Brandon Craig kann sich nicht entscheiden: Er liebt Monday-Monique ebenso wie Wednesday-Wendy. Und dann ist da noch Friday-Franki, die ihn mit ihrer bipolaren Störung in den Wahnsinn treibt. - Entscheiden Sie, wie die Geschichte weitergeht! ("Soup Of The Day")

Der Charme vieler Websoaps besteht darin, dass der Zuschauer per Voting die Handlung mitbestimmt. Die ersten interaktiven Websoaps - "90sechzig90" und "Vier sind hier" - entstanden im Jahr 2000. Seit 2002 publizieren Hobby-Autoren auf Web.Soapgalaxy Skripte zu TV-Soaps wie "Sunset Beach" oder zu neuen Seifenopern wie "Unspoken Words" oder "Hinterm Horizont".

Die neue Websoap "Soup Of The Day" ist bestes Beispiel für virales Marketing im Web 2.0.: Jeder ihrer Protagonisten steht über eine eigene MySpace-Seite mit seinen Fans in Kontakt; die Serie selbst ist in alle Tauschplattformen von YouTube bis Break.com eingebunden. Das Ergebnis: mehr als neun Millionen Klicks in einem dreiviertel Jahr.

Bree schaut Ihnen aus der Webcam hinaus tief in die Augen. "Heute musste ich feststellen, dass mein Vater nicht mein richtiger Vater ist", sagt sie mit brüchiger Stimme. ("LonelyGirl15")

Im Zeitalter von DSL und Videoblogs kann jeder sein Leben als Privat-Soap ins Netz stellen. Das für die Soap typische Personengeflecht wird durch Erzählen beschworen, der direkte Blick bindet den Zuschauer in die Handlung ein. Wie stark eine solche Bindung sein kann, zeigt die Geschichte des "LonelyGirl15": Viele Zuschauer nahmen Anteil an dem - vermeintlich realen - Schicksal des überbehüteten Einzelkindes Bree, das seine Einsamkeit kompensiert, indem es via Webcam mit der Community spricht. Als herauskam, dass Bree tatsächlich eine Schauspielerin ist, zerplatzte für viele YouTuber eine schöne schillernde Seifenblase.