Hamburg. Sängerin kommt 2024 nach Hamburg und bricht derzeit alle Rekorde. Warum sie? Gute Frage. Wir haben ein paar andere Favoritinnen.
Taylor Swift hat 109 Millionen monatliche Hörerinnen und Hörer auf Spotify. Ihre aktuelle „The Eras Tour“, die am 23. und 24. Juli ihre Lkw-Kolonnen am Volksparkstadion abstellt, wird die bisher weltweit erfolgreichste sein. Von einem Umsatz in Höhe von einer Milliarde Euro ist die Rede. Wie konnte die Frau aus Pennsylvania, deren Großmutter Marjorie Moehlenkamp Opernsängerin war, zum größten Popstar der Gegenwart werden? Zur global alles überstrahlenden Marke? Zum Über-VIP, für den „USA Today“ zuletzt einen ausschließlichen Taylor-Swift-Reporter einstellte?
Tja, es werden wohl Talent (davon ganz viel), Timing und strategische Entscheidungen eine Rolle gespielt haben. Aber ein nicht zu benennender Rest bleibt, eine Verständnislücke, die Taylor-Ultras, die „Swifties“, mit dem Begriff „Magie“ beschreiben und gemäßigtere Beobachter unter den Begriff „Unglauben“ stellen würden. Darum soll es im Folgenden gehen: Das Abendblatt mag Taylor Swift, nennt jetzt aber mal, streng subjektiv, ein paar Künstlerinnen, die eigentlich (auch) auf den Thron gehören, deren ganz große Zeiten vorbei sind oder noch kommen werden, die ästhetisch und künstlerisch am weitesten vorn sind.
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Taylor Swift, Miley Cyrus, Lady Gaga – die Popmusik von heute ist eine Frau
Diese Liste kann nicht komplett sein, so viele Künstlerinnen sind (fast) mit Taylor Swift auf Augenhöhe, kommerziell oder pophistorisch ebenso bedeutend. Angefangen mit der im Mai 2023 gestorbenen Tina Turner, dem ersten weiblichen Stadion-Superstar. Sie öffnete die Türen für die großen Popdiven der 80er und 90er, Whitney Houston, Janet Jackson und Mariah Carey. Für die nächste Generation der Poster-Superstars Britney Spears, Christina Aguilera und Katy Perry. Und dann sind auch noch Rihanna, Alicia Keys, die zu früh gestorbene Amy Winehouse. Miley Cyrus, Rita Ora, Ariana Grande, die unvergleichliche Lady Gaga. Auch darf der eurozentrische Blick nicht die Augen verschließen vor Shakira, die seit Jahrzehnten den lateinamerikanischen Raum als absolut unangefochtene Popkönigin regiert, oder vor der Südkoreanerin IU, der erfolgreichsten Solistin des längst globalen Phänomens K-Pop.
Eins ist jedenfalls sicher: Popmusik im 21. Jahrhundert ist eine Frau. Sorry, Ed Sheeran und Harry Styles.
Olivia Rodrigo (59,9 Millionen monatliche Hörer auf Spotify): Ist sie eigentlich viel besser als Taylor Swift?
Olivia Rodrigo ist 20 Jahre alt, eine in den vergangenen drei Jahren zu globalem Ruhm gekommene junge Frau, die einfach umwerfend ist. Seit der Hitsingle „Drivers License“ (2021) liegen der Amerikanerin alle zu Füßen. Ihre Karriere hat man so nicht kommen sehen. Rodrigo war zunächst ein Star auf dem Disney-Kanal („High School Musical: The Musical: The Series“), und dann war sie plötzlich auf Platz eins. Ihr zweites Album „Guts“ ist ein Album wie aus einem Guss, vom Sound her ein freches Amalgam aus 90s, Pop, Punk, Ballade. So muss Teenpop klingen, behaupten wir mittelalten, weißen Männer jetzt mal. Es kann gar nicht anders sein: Wer Titel wie „Vampire“ und „Get Him Back!“ so lässig aus der Kehle schüttelt, dem steht eine unglaubliche Karriere bevor. Die Frau ist sagenhaft, und für ihre jungen Fans ist alles an ihr aufregend: der Glamour, das Jungsein, der Augenblick, das Wegfegen des Zeitgeists. It‘s Olivia-Time! Am 4. Juni übrigens in Hamburg, in der Barclays Arena.
P!nk (34 Millionen): In Hamburg setzte sie einst Konzertmaßstäbe
2004 stand P!nk in Rockerlumpen mit Truckerkappe im Stadtpark, 15 Jahre später schwebte sie zu „So What“ am Seil und unter wilden Drehungen einmal komplett durch das Volksparkstadion. Das war – bis jetzt – so ziemlich die abgefahrenste Popzirkusnummer, die auf der Spielwiese des HSV aufgeführt wurde. Dabei braucht die Wahlkalifornierin den Budenzauber eigentlich nicht, wie sie seinerzeit im Stadtpark zeigte. Im Herzen ein Punk, erschien sie immer wie eine Rockerin, die durch die Villa Kunterbunt des Pop tobt, sei es auf ihrem größten Erfolg „Missundaztood“ (2001) bis zum aktuellen neunten Album „Trustfall“ (2023). Zumindest was Konzerte in Hamburg betrifft, haben sie, Beyoncé und sicher auch Helene Fischer hier Maßstäbe gesetzt, an denen sich Taylor Swift messen lassen darf: Auf einer Bühne war P!nk hier bisher nur 2014 zu erleben, beim Deutschen Radiopreis im Schuppen 52.
Madonna (42,1 Millionen): Sie ist der weibliche Superstar, der allen nach ihr den Weg ebnete
Ist nicht lange her, ihre aktuelle Tour musste deswegen verschoben werden, da stand es nicht gut um Madonna. Sie hatte gesundheitliche Probleme. Es war, so hieß es später, eine lebensbedrohliche Situation. Die Frau ist jetzt 65 Jahre und absolvierte wie aus Trotz nach dieser Intensivstation-Erfahrung viele begeisternde Konzerte, unter anderem in Berlin und in Köln. Die anderen beiden größten Popstars der 80er-Jahre, Michael Jackson (1958–2009) und Prince (1958–2016), beide ihr Jahrgang, leben schon länger nicht mehr. Himmel, wir hätten um die Queen of Pop („Like A Prayer“, „Into The Groove“) noch weitaus mehr getrauert. Sie ebnete als Popfeministin allen Jüngeren den Weg. Sie spielte in ihrer Primetime vor 130.000 Menschen in Paris. Sie ertrug später stoisch den Spott derer, die ihr attestierten, sie altere völlig würdelos. Taylor Swift ist ja angeblich die neue Queen of Pop. Dabei erscheint uns heute Madonnas Präsenz in den 80ern und 90ern viel dominanter, stilbildender. Wäre Madonna heute jung, sie würde eine Zwei-Milliarden-Tour spielen. Ihr bestes Album, „Ray Of Light“, veröffentlichte sie übrigens mit 40.
Adele (55 Millionen): Da muss sich Taylor Swift weit hinten anstellen
Am 23. Februar 2007 sang eine 18 Jahre junge Engländerin vor exakt 52 Leuten im Grünen Jäger auf St. Pauli: Adele Atkins. Kein Jahr nach ihrem ersten Auftritt außerhalb der Heimat war sie ein Weltstar. Gigantische Stimme trifft britischen Bierkutscherhumor, so lassen sich ihre Konzerte wie in Hamburg zuletzt 2016, bei denen sie nur eine Band brauchte und sonst kaum Brimborium, am besten beschreiben. Sie war und ist anders als die anderen hier und darum auch deutlich erfolgreicher: „21“ (2011) ist mit mehr als 30 Millionen Einheiten das weltweit meistverkaufte Album dieses Jahrtausends, „25“ (2015) kommt dicht dahinter mit 21 Millionen. Im Streaming-Zeitalter holte „30“ (2021) auch noch beachtliche fünf Millionen ab. Das sind Zahlen, bei denen auch Taylor Swift sich weit hinten anstellen muss, obwohl sie umgerechnet insgesamt mehr Alben abgesetzt hat und nur noch Céline Dion und Madonna überholen muss. Dennoch: Adele ist neben Taylor Swift die Popgigantin. Allerdings ist ihre letzte Welttournee sieben Jahre her, 2023 konzentrierte sie sich auf eine Residenzshow im Caesars Palace in Las Vegas. Zeit für ein Comeback!
Caroline Polachek (2,2 Millionen): die Indie-Göttin aus New York City
Wer sich für einen besonders geschmackvollen Musikenthusiasten hält, der kam im vergangenen Jahr an der New Yorkerin Caroline Polachek nicht vorbei. Einer Frau mit einer prachtvollen Stimme, die auf ihrem bislang gelungenstem Album „Desire, I Want To Turn Into You“ Genregrenzen sprengte und dabei immer dem Pop-Imperativ Folge leistete. Das kann man sicher auch „Avantgarde“ nennen; verliebt waren in diese Agentin der Liebe und des Verlangens alle Hipster, Nerds und Gen-Z-Pop-Euphoriker. Wir sind es auch und attestieren Caroline Polachek einen Sound, der mindestens die Welt verändern wird. Oder so in etwa. So fresh wie ihre Songs („I Believe“, „Pretty In Possible“) klingt 2024 niemand. Dennoch ist Polachek hier auch als Repräsentantin der weiblichen Indie-Armada genannt, die vor der Schwelle zum Mainstream steht und männlichen Singer-Songwritern so locker den Rang abläuft, als wäre sie gedopt: Mitski, Snail Mail, Soccer Mommy, Phoebe Bridgers, Julie Byrne und so weiter und so fort.
Beyoncé (51 Millionen): Die Popkultur-Supermacht, die in den 2010er-Jahren Taylor Swift abhängte
„Queen Bey“ ist fraglos eine der großen Popkultur-Heldinnen des 21. Jahrhunderts. Ihre in den 1990er-Jahren irre erfolgreiche Girlgroup Destiny‘s Child war tatsächlich nur das Vorspiel für eine beispiellose Karriere, in der sich ästhetische Brillanz und gigantischer Erfolg paarten. Merke: Die allererfolgreichsten Stars sind, was ihre Kunst angeht, nicht immer maximal aufregend. Bei Beyoncé ist dies der Fall, die heilige Taylor Swift sticht sie jedenfalls locker aus. Ja, Swift nimmt sich, trotzdem sie aus der Cowboypiefigkeit Nashvilles in die glitzernde, mondäne Disco-Herrlichkeit aufstieg, geradezu konservativ gegenüber Beyoncé Knowles aus. Beyoncé Knowles ist die größte optische Erscheinung der Populärkultur. Nennen wir es Aura. Wer sie im Juni 2023 im Volksparkstadion erlebte, weiß: Sie ist eine Popsupermacht, die noch lange regieren wird. Die 2010er-Jahre hat sie definiert, mehr als Taylor Swift es je hätte tun können. Wobei auf dem Thron ehrlicherweise ja auch Platz für zwei Königinnen wäre.
Dua Lipa (71 Millionen): Auf dem Dancefloor ist sie die Königin
Ist die gut! Wirklich, wirklich gut. Zugegeben, als Dua Lipa im Mai 2022 in der Barclays Arena auftrat, waren wir etwas überfordert mit der Präsentation der britisch-albanischen Künstlerin. Aber sobald man das erst mal sacken lassen konnte, war und ist festzustellen: Niemand, wirklich niemand knallt so viele eingängige, elektrisierende, extrem groovende Dancefloor-Kracher auf das Parkett wie Dua Lipa: „Don‘t Start Now“, „Levitating“, „Hallucinate“, „Cold Heart“ (mit Elton John), „Houdini“ und natürlich „Dance The Night“, der Signatursong des Kinohits „Barbie“. Wenn Dua Lipas Pop eine riesige Discokugel ist, dann sind selbst die tanzbarsten Lieder von Taylor wie „Shake It Off“ das halb ausgetrunkene, schale, am Rand der Tanzfläche vergessene Bier.
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Helene Fischer (5,5 Millionen): Was Taylor Swift für Country ist, ist sie für den Schlager
„Helene Fischer in einem Atemzug mit Taylor Swift? Seid ihr völlig übergeschnappt?“ Nee, wir meinen das durchaus ernst. Denn was Taylors Country-Pop auf ihren ersten vier Alben für die USA war, war Helens Schlagerpop für Deutschland: die Übertragung eines vermeintlich gestrigen Genres zum heißen Scheiß für mehrere Generationen. Beide haben sich dann musikalisch noch breiter, poppiger aufgestellt und dominieren seitdem erst recht Charts und Stadionkassen. Und was Show, Tanz, Effekte, das ganz große Unterhaltungsbesteck betrifft, machen Helene nur wenige in dieser Liste (Taylor, Beyoncé, P!nk) etwas vor. Ob Helene mit einem guten, internationalen Songwriting-Team Potenzial über den deutschsprachigen Raum hinaus hätte, ist wirklich eine spannende Frage.
Lana Del Rey (56,8 Millionen): Sie singt manchmal gemeinsam mit Taylor Swift
Unter der Sonne Kaliforniens kann es nie zappenduster im Gemüt werden. Aber man kann doch recht anständig leiden, vor allem an dysfunktionalen Liebesbeziehungen. Lana Del Rey ist für viele die glorreichste amerikanischste Songwriterin der Gegenwart. Joni Mitchell ist ja Kanadierin. Stimmt also! Man kann zu den schwermütig gehauchten Songs Del Reys nicht tanzen, zugegeben; deshalb, nur deshalb sitzt die Chanteuse des vollgeweinten Seidentuchs nicht auf dem Popthron. Als Lyrikerin ist sie unter allen hier vertretenen Sangesgigantinnen unerreicht. Und langweilig ist ihr Sound, der den Zeitgeist prägt und eine Prägung des Zeitgeists ist, nie – man höre den Übersong „A&W“, der beim maßgeblichen Popmedium Pitchfork zum besten Song 2023 gewählt wurde. Lana Del Rey ist die produktivste Frau in Popland gewesen zuletzt. Da schlug sie selbst die nicht faule Taylor Swift, die sie zuletzt beim Song „Snow On The Beach“ unterstützte. Ist Lana Del Rey eine für ganz große Stadien? Ja, finden wir, unbedingt.
Billie Eilish (50 Millionen): Sie ist viel jünger als Taylor Swift und hat schon so viele Grammys
Bereits drei Jahre vor ihrem ersten Album „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ (2019) erklärten diverse Magazine Billie Eilish aus Los Angeles (und ihren Songwriting-Partner und Bruder Finneas) zum nächsten großen Ding. Viel zu oft liegen diese Vorausposaunen daneben, aber bei Billie sollten sie mehr als recht behalten. Jetzt ist sie 22 (!) und hat nach „Happier Than Ever“ (2021) zwei unfassbar erfolgreiche Alben, einen Sack Grammys und wie Adele und Madonna einen 007-Titelsong: „No Time To Die“. Dabei ist sie immer noch am Anfang ihrer Karriere. Als neue Mode- und Lifestyle-Ikone, aber auch als selbstreflektiertes, Depressionen und andere Dämonen besingendes Empowerment-Vorbild ist sie ein Popstar nouveau, der aus vielen so bewährten wie herkömmlichen Mustern und Rastern fällt. Dem Dockville-Booking-Team ist damit 2019 der größte Coup der Festivalgeschichte gelungen.