Hamburg. Die unbeugsame US-Sängerin präsentierte 12.000 jungen Fans in der Barclaycard Arena ein rasant inszeniertes Showspektakel.

Puh. Wer es bei Ariana Grandes Konzert am Sonnabend in der Barclaycard Arena früh in die Halle schafft, hat einen langen Abend vor sich. Erst gegen 21.30 und nach dem Vorprogramm von Social House und Ella Mai beginnt Grandes exakt 90 Minuten lange Show – spät für die Jüngsten des sehr jungen Publikums und geduldig im Umlauf die Zeit absitzende Eltern, aber dafür sind auch alle 12.000 Fans nach peniblen Sicherheitskontrollen anwesend und warmgeschrien.

Bereits der wie das letzte Abendmahl inszenierte Auftakt-Song „Raindrops (An Angel Cried)“ erinnert daran, dass dieser Abend im Unterbewusstsein anders ist als andere Konzerte. Der Anschlag bei Ariana Grandes Konzert 2017 in Manchester, bei dem 23 Menschen starben, schwingt durchaus mit. Safety first. Viele – teuer bezahlte – Meet & Greets wurden auf der Tour abgesagt. Taschen sind verboten, nur durchsichtige Beutel erlaubt.

Ariana Grandes Talent ist ein Geschenk

Schon die „üblichen“ Lebensumstände für die 26 Jahre junge US-Sängerin, die als Musicaldarstellerin, Kinder-Sitcom-Star („Victorious“), Popsängerin und Instagram-Königin (165 Millionen Follower) im Überschalltempo von Erfolg zu Erfolg eilte und in sechs Jahren fünf Multi-Platinalben einsang, möchte man nicht durchmachen. Dazu Manchester, Angststörungen, Depressionen, Druck und Konzertverschiebungen „aufgrund persönlicher Umstände“ wie in Hamburg, wo die erste Show eigentlich am 5. September steigen sollte und auf den 9. Oktober verlegt wurde. Das alles, um Menschen ein disneybuntes Vergnügen zu bereiten. Ariana Grandes Talent vor allem als Sängerin ist ein Geschenk, das trotz aller Schicksalsschläge weiter geteilt werden will. Muss. Das hat schon etwas unbeugsames.

Wer in New York am Broadway aus dem Shuttle oder aus dem Taxi steigt, kennt dieses irrsinnige eigene Tempo Manhattans, das einen sofort mitreißt. Auch bei Ariana Grande geht es mit über 20 Songs, aufgeteilt in fünf Akte (und Umkleide-Abschnitte), durch einen rasanten rosa-lila-lackschwarzen Rausch aus R'n'B, Pop, Dance und Balladen. Begleitet wird er von einer Band, den Sauseschritten der Tänzerinnen und Tänzer über den Catwalk rund um die teuersten Plätze, Lichter- und Leinwandzauber, Kulissengeschiebe und Konfetti. Viele Lieder wie „R.E.M.“, „Sweetener“ oder „Everytime“ werden live in kürzeren Versionen abgehakt, schnell, schnell geht es zum nächsten Showeffekt, zum Besuch in der VIP-Zone, zum nächsten Hit, zu „NASA“, „In My Head“ und „Dangerous Woman“. Als würde man in einen Kiosk stürmen und gierig die Plastikhüllen aller Taschengeldfallen, Fachjargon „Pinke Mädchenhefte“, auf einmal aufreißen.

Jede Zeile wird mitgesungen

Dafür herrscht aber auch keine Minute lang auch nur die geringste Spur von Aufmerksamkeitsdefizit. Jede Zeile wird mitgesungen und doch ist stets noch Luft für „Ari! Ari!“-Sprechchöre übrig. Mag der Auftritt auch minutiös und professionell durchgetaktet sein, wie es so ein Spektakel verlangt, so ist die mitgelebte und mitgefühlte Hingabe und Begeisterung unmittelbar und echt. „Ich bin heiser“, krächzt ein Mädchen stellvertretend für viele weitere nach „Break Up With Your Girlfriend, I’m Bored“. Es ist der vierte Song des Abends.

Nach der Zugabe „Thank You, Next“ bieten sich diverse Anspielungen auf diesen Songtitel an, auf die vermeintliche Austauschbarkeit von Teenager-Idolen, insbesondere US-Popsängerinnen. Aber auch eine P!nk wurde vor 20 Jahren schnell abgeschrieben. Jene jetzt 40 Jahre alte P!nk, die im Juli vor 43.000 Fans im Volksparkstadion neue Show-Maßstäbe setzte – und im Februar bei den Grammys gegen Ariana Grande verlor. Wer weiß also, was noch kommt. Ariana Grande kommt jedenfalls am 9. Oktober wieder nach Hamburg. Bis dahin sollten die heiser gesungenen Stimmen der Fans wieder erholt sein. Und sei es für die ersten vier Lieder.