Hamburg. Allein Sängerin Annastasia Baker rettete das Gastspiel von „One Night of Tina“ in der Laeiszhalle. Band und Ensemble enttäuschten.

Das Saallicht in der Laeiszhalle erlischt. Die fünfköpfige Band spielt das Intro von Tina Turners „Let‘s Stay Together“, das in „Nutbush City Limits“ übergeht. Vier Tänzerinnen lassen ihre Zöpfe wippen. Aber da fehlt noch jemand. Die Band verstummt irritiert und verharrt im Dunkel. Das Publikum schwankt zwischen Ratlosigkeit und amüsiertem Gekicher. Wo ist Tina?

Natürlich ist Tina Turner nicht in der Laeiszhalle, obwohl sie dort 1972 und 1973 mit Ike Turner und 1979 frisch geschieden auftrat. Im Mai 2023 starb die „Queen of Rock“ im Alter von 83 Jahren in ihrer Wahlheimat in der Schweiz. Ihre Karriere hatte sie bereits 2009 nach ihrer (zweiten) gigantischen Abschiedstournee mit 140 Konzerten in acht Monaten beendet. Und was für eine Karriere das war. Soul-Wirbel in den 60er-Jahren, private und künstlerische Tiefpunkte Ende der 70er-Jahre, Befreiung und Aufstieg zum Stadion-Star in den 80ern. 200 Millionen verkaufte Tonträger, maximal verrückt, Donnerkuppel, GoldenEye, überirdisch.

Tina Turner hat diese Show nicht verdient: Konzert in Hamburg enttäuscht

Jetzt ist sie nicht mehr da. Auch das mitreißende Stage-Musical „Tina – Das Tina Turner Musical“, von der „Acid Queen“ persönlich mitentwickelt, feierte bereits im August 2022 im Operettenhaus Dernière. Die Premiere 2019 war einer von Tinas letzten öffentlichen Auftritten.

Was Hamburgs Fans bleibt, sind diverse Tribut- und Covershows, die immer mal wieder in der Hansestadt gastieren. So wie „One Night of Tina“ am Dienstag in der Laeiszhalle. 1200 Besucherinnen und Besucher haben es sich 50 bis 90 Euro kosten lassen, die Londoner Produktion an diesem historischen Ort zu erleben.

„One Night of Tina“: Londoner Schauspielerin Sharon Ballard verkörpert Tina Turner

Wo bleibt Tina? Die Band und die Tänzerinnen fangen noch mal von vorne an, und dann kommt sie: Annastasia Baker. Statt der angekündigten Sharon Ballard verkörpert sie mittlerweile in der Show Anna Mae Bullock alias Tina Turner. Und das wirklich überzeugend, als es zum Auftakt mit „River Deep, Mountain High“, „I Don‘t Wanna Lose You“ und „Private Dancer“ gleich drei der ganz großen Hits gibt. Der Mähnenschwung, eine typische Tina-Geste zur Abkühlung in der Bühnenhitze, sitzt ebenso gut wie die Perücke, der Kartoffelstampfer-Gang und die Töne. Gesanglich ist sie schon nah dran am Original, das Publikum hat sie schnell in der Hand.

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Aber so schwer es auch ist, so eine Legende angemessen darzustellen - auch das Drumherum muss stimmen. Das Einzige, was bei „Steamy Windows“ oder „Typical Male“ dampft, sind die eingeschlafenen Füße der Begleitband, die 100 Minuten lang artig die Noten vom Tablet abspielt. Und wenn die vier Tänzerinnen bei Bakers Umziehpausen „GoldenEye“ und „Disco Inferno“ ohne die Chefin singen dürfen, wird es teilweise bitter. Wirklich fünfzigbisneunzigeurobitter. „Ei, ei, ei“, schaudert es hörbar einer Besucherin. Baker hat nach solchen Momenten Mühe, den Saal wieder auf Touren zu bringen, zum Beispiel mit einem Tanzkurs zum „Ikettes Grind“ beim Ray-Charles-Cover „Shake Your Tailfeather“. Da ist noch Action in der Kiste, wie Ray Charles sagen würde.

„We Don‘t Need Another Hero“, „Addicted To Love“, „When The Heartache Is Over“ und „What‘s Love Got To Do With It“ ebnen den Weg zum Finale. Einer der regelmäßigen Höhepunkte sowohl der Revuen von Ike und Tina Turner als auch von Tinas Solo-Konzerten, in Hamburg zuletzt an drei Abenden im Januar 2009 in der heutigen Barclays Arena zu erleben, war ihre Interpretation von „Proud Mary“ von Creedence Clearwater Revival. Langsam, aber lockend, schiebt sich dieser Gospel-Rock-Raddampfer heran, um dann mit äußerster Kraft zum Schlussapplaus und zur Zugabe „The Best“ zu rasen. Das Beste ist dieser Abend aber nicht, eher Mittelmaß.